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VSU-Schlagzeilen 02.08.2022

Wissenschaftsminister will Uni-Campus durch Wohnungsbau beleben / Wirtschaftsexperten unterstützen Anhebung des Renteneintrittsalters / Grünen-Fraktionsvize pocht auf weitere Bürger-Entlastung im Herbst

Saarland/Region 
Wissenschaftsminister will Uni-Campus durch Wohnungsbau beleben  

Tarifpolitik 
Verdi fordert „nachhaltige Tariferhöhung“ 
  
Arbeitswelt 
Wirtschaftsexperten unterstützen Anhebung des Renteneintrittsalters
Arbeitszeit im Homeoffice steigt langfristig stark an 

Konjunktur
IW: Industrie dominiert klar bei Patentanmeldungen aus Deutschland 

Energiepolitik 
Erstes Steinkohlekraftwerk kehrt an den Markt zurück 
Spritverbrauch deutlich unter Vor-Corona-Niveau 
Grünen-Fraktionsvize pocht auf weitere Bürger-Entlastung im Herbst 
Umweltverbände bekräftigen Kritik an LNG-Terminal in Wilhelmshaven 
  
Veranstaltung
Saar-Universität lädt zu Science Slam auf der MS Wissenschaft ein 
  
Interview 
Gesamtmetall-Präsident Wolf im Gespräch mit der WAZ (31.07.2022) 


  
Saarland/Region 
  
Wissenschaftsminister will Uni-Campus durch Wohnungsbau beleben  
An der Saarbrücker Universität sollen laut Wissenschaftsminister von Weizsäcker in den kommenden Jahren rund 300 neue Wohnungen für Studierende entstehen. Aktuell gebe es nur 72 Wohnungen auf dem Campus selbst - auch deshalb sei der Campus der Universität abends eigentlich nicht viel mehr als ein großer, leerer Parkplatz, sagte der saarländische Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker am Montag. Mit rund 300 neuen Wohneinheiten wolle man das Gebiet der Universität wieder beleben und attraktiver machen. Aktuell prüfe man mit dem Bauministerium und der Uni, wo die Wohnungen entstehen können, ob auf dem Campus oder im unmittelbaren Umfeld. Dabei soll nicht nur geförderter Wohnraum entstehen, sondern auch nicht-geförderte Unterkünfte. Gebaut werden soll nicht von einem privaten Bauherrn, sondern in öffentlicher Trägerschaft. Wie viel die neuen Wohnungen kosten werden, steht laut von Weizsäcker noch nicht fest, auch nicht, wann sie fertiggestellt sein werden. (Quelle: SR) 


Tarifpolitik 

Verdi fordert „nachhaltige Tariferhöhung“ 
Im Tarifstreit des Bodenpersonals mit der Lufthansa hofft Verdi-Verhandlungsführerin Behle auf eine Lösung in der kommenden Verhandlungsrunde. „Wir haben die große Hoffnung, dass der Durchbruch gelingt“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vor den am Mittwoch beginnenden Gesprächen. Behle schließt aber auch neue Streiks nicht aus. Liege man bei den Verhandlungen noch weit auseinander, werde ihre Gewerkschaft nach den massiven Warnstreiks vom vergangenen Mittwoch weitere Arbeitskampfmaßnahmen prüfen, sagte Behle, die auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns ist. „Ein Ergebnis in der dritten Verhandlungsrunde ist auch deswegen entscheidend, weil sonst das Risiko besteht, mit Arbeitskämpfen in die Hauptreisezeit zu rutschen“, sagte die Gewerkschafterin. Der August und der September seien die verkehrsreichsten Monate in der Luftfahrt. Allerdings habe man vorsorglich für Ende August bereits eine weitere zweitägige Verhandlungsrunde angesetzt. (Quelle: Handelsblatt) 
  
  
Arbeitswelt 
  
Wirtschaftsexperten unterstützen Anhebung des Renteneintrittsalters 
In der Debatte um eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre hat Gesamtmetall-Präsident Wolf Unterstützung von Wirtschaftsexperten erhalten. „Der Vorschlag ist richtig und wichtig: Denn er hilft gegen Altersarmut und entlastet zudem die Rentenkasse, die vor dem Kollaps steht“, sagte der Ökonom Raffelhüschen von der Universität Freiburg. Auch die „Wirtschaftsweise" Schnitzer zeigte sich für ein höheres Renteneintrittsalter offen. Wolf hatte sich für eine längere Lebensarbeitszeit ausgesprochen und dies unter anderem mit einer immer älter werdenden Gesellschaft begründet. Angesichts der demografischen Entwicklung und der Belastungen der Sozial- und Rentenkassen seien die Reserven aufgebraucht. Während der Vorschlag bei Gewerkschaften, Politikern der Linken und Sozialverbänden auf strikte Ablehnung stieß, signalisierte Schnitzer Unterstützung. „Um die Rente auch in Zukunft zu sichern, gibt es drei Stellschrauben: Renteneintrittsalter, Beitragshöhe und Rentenhöhe. Man wird nicht umhinkommen, an allen drei Schrauben zu drehen, wenn wir die künftigen Generationen nicht überlasten wollen“, sagte die Münchner Wirtschaftsprofessorin. (Quelle: dpa) 
  
Arbeitszeit im Homeoffice steigt langfristig stark an 
Infolge der Corona-Pandemie erwarten Unternehmen in Deutschland einen starken und langfristigen Anstieg der Arbeitszeit, die im Homeoffice erbracht wird. Wie eine aktuelle Unternehmensbefragung des ZEW Mannheim zeigt, erwarten Unternehmen der Informationswirtschaft, dass nach der Pandemie ein durchschnittlicher Anteil von 24 Prozent der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten von zu Hause aus geleistet wird. Vor der Pandemie lag dieser Anteil noch bei lediglich 9 Prozent der Arbeitszeit. Im Verarbeitenden Gewerbe verdoppelt sich der durchschnittliche Anteil der Arbeitszeit im Homeoffice derweil von 3 Prozent vor Corona auf 6 Prozent nach Corona. „Sowohl kleine, mittlere als auch große Unternehmen rechnen mit einem deutlichen Anstieg des Homeoffice-Anteils der Arbeitszeit. Die erwartete Verlagerung ins Homeoffice ist allerdings in großen Unternehmen am stärksten ausgeprägt“, erklärt der Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“, Erdsiek. Im Verarbeitenden Gewerbe konzentriert sich die Verlagerung zum Homeoffice vor allem auf geringere Anteile der Gesamtarbeitszeit. Während hier fast die Hälfte der großen Unternehmen davon ausgeht, dass nach der Pandemie mehr als 10 Prozent der Arbeitszeit von zu Hause aus geleistet werden, gilt dies nur für etwa jedes zehnte der kleinen Unternehmen. Einen Anteil von mehr als 30 Prozent Heimarbeitszeit erwarten derweil 12 Prozent der großen und 6 Prozent der kleinen Unternehmen (vor Corona waren es jeweils ca. 3 Prozent). Der Anteil der Unternehmen, die erwarten, dass mehr als die Hälfte der Arbeitszeit von zu Hause aus erbracht wird, bleibt im Verarbeitenden Gewerbe allerdings für alle Unternehmensgrößen relativ unverändert und liegt bei etwa 3 Prozent. (Quelle: ZEW) 
  
  
Konjunktur 
  
IW: Industrie dominiert klar bei Patentanmeldungen aus Deutschland 
Für das Innovationsgeschehen in Deutschland kommt der Industrie sowohl absolut als auch relativ eine überragende Bedeutung zu. 86 Prozent der Patentanmeldungen aus Deutschland stammen von Industrieunternehmen – bei einem Industrieanteil von 20 Prozent an allen Erwerbstätigen. Das weist die Patentdatenbank des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus. Sie erfasst alle rund sieben Millionen Patentanmeldungen des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA), des Europäischen Patentamts (EPA) sowie der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), die seit dem Jahr 1994 Schutzwirkung für Deutschland oder darüber hinaus anstreben oder angestrebt haben. Besonders ausgeprägt in ihrer industriellen Patentaktivität erweisen sich die Flächenländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern. Ein Grund dafür liegt in der Innovationskraft der Kraftfahrzeugindustrie, welche die patentstärkste Einzelbranche in Deutschland repräsentiert und in den drei genannten Bundesländern besonders prominent vertreten ist. Aber auch in vielen anderen Bundesländern ist das Aggregat der Industriepatentanmeldungen maßgeblich auf bestimmte Industriezweige zurückzuführen. So verzeichnet Rheinland-Pfalz den Großteil seiner Anmeldungen in der chemischen Industrie aus dem Raum Ludwigshafen. Thüringen weist in der industriellen Binnenstruktur einen starken Fokus auf Optoelektronik-Patente aus dem Raum Jena auf. Unter den Stadtstaaten nimmt Hamburg eine exponierte Stellung in puncto Industriepatente ein, was auf zahlreiche innovationsstarke Unternehmen aus den Bereichen Flugzeug- und Maschinenbau zurückzuführen ist. (Quelle: IW) 
 
 
Energiepolitik 
  
Erstes Steinkohlekraftwerk kehrt an den Markt zurück 
Zur Bekämpfung des drohenden Gasmangels kehrt ein erstes Reserve-Steinkohlekraftwerk an den Strommarkt zurück. Es handelt sich um das Kraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln (Landkreis Peine) zwischen Hannover und Braunschweig, das dem tschechischen Energiekonzern EPH gehört. Es sei bislang die einzige „Marktrückkehr“ eines Kraftwerks, die der Bundesnetzagentur angezeigt worden sei, teilte die Behörde auf Anfrage mit. Seit 14. Juli erlaubt eine Verordnung, dass Steinkohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve wieder in Betrieb gehen können, um Erdgas einzusparen. Seit Sonntagmittag sei das Kraftwerk wieder am Netz, sagte der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft. Mindestens 14 Tage werde die Anlage nun im Betrieb sein, um das Netz zu stabilisieren. (Quelle: dpa)
  
Spritverbrauch deutlich unter Vor-Corona-Niveau 
Der Verbrauch von Benzin und Diesel lag in den ersten Monaten des Ukraine-Krieges in Deutschland deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Darauf deutet eine Auswertung der amtlichen Mineralöldaten für die Frühlingsmonate März, April und Mai hin. Im März waren die Spritpreise in bis dahin nie erreichte Höhen gestiegen. Sowohl für Diesel als auch für Benzin zeigen die Daten Rückgänge von rund einem Zehntel gegenüber den Jahren 2018 und 2019. Warum die Kraftstoffnachfrage im laufenden Jahr trotz deutlich geringerer Corona-Beschränkungen nicht wieder anzog, geht aus den Daten nicht hervor. Allerdings liegt insbesondere bei Benzin ein Zusammenhang mit den hohen Preisen nahe. Bei Diesel könnte sich dagegen auch der Teilemangel in der Wirtschaft niederschlagen. (Quelle: dpa)
  
Grünen-Fraktionsvize pocht auf weitere Bürger-Entlastung im Herbst 
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Audretsch, plädiert mit Blick auf steigende Energie- und Verbraucherpreise für weitere Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger - und zwar noch in diesem Jahr. Die Menschen müssten dann finanziell entlastet werden, wenn das nötig sei, so Audretsch. „Das heißt im Herbst, nicht erst nächstes Jahr.“ Dabei sollte sich die Bundesregierung aus seiner Sicht auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen konzentrieren. „Es ist Zeit, den Entlastungskompass klar zu kriegen", erklärte Audretsch. Das bedeute auch, Verbraucherinnen und Verbraucher parallel zu entlasten, wenn ab Herbst die geplante Gasumlage greifen soll, forderte der Grünen-Politiker. Nach Angaben von Bundeskanzler Scholz kann die Umlage ab Herbst zu einer Erhöhung der Gaspreise um zwei Cent pro Kilowattstunde führen. Auch ohne sie müssen sich die Menschen auf deutlich höhere Gasrechnungen einstellen. Darüber hinaus warb der Grünen-Politiker für die Einführung einer Übergewinnsteuer, um Mineralölkonzerne finanziell in die Pflicht zu nehmen. (Quelle: dpa) 
  
Umweltverbände bekräftigen Kritik an LNG-Terminal in Wilhelmshaven 
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben ihre Kritik an dem geplanten Terminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven bekräftigt. Die Sicherung der Energieversorgung dürfe nicht zu Lasten geschützter Lebensräume und Arten erfolgen. „Der Bau des Terminals erfolgt mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer und damit in einem der wichtigsten und sensibelsten Ökosysteme der Welt, welches ohnehin schon stark belastet wird“, erklärte der stellvertretende BUND-Landesvorsitzende Rode. Kompensationsflächen seien zwar grundsätzlich angedacht, jedoch sei unklar, wann und inwieweit sich diese umsetzen ließen. Außerdem gingen mit den geplanten Rammarbeiten immense Schallemissionen einher. Dadurch würden Tiere noch in mehreren Kilometern Entfernung, allen voran der geräuschempfindliche Schweinswal, beeinträchtigt. (Quelle: dpa) 


Veranstaltung 

Saar-Universität lädt zu Science Slam auf der MS Wissenschaft ein 
Die Universität des Saarlandes lädt zu einem Science Slam am Samstag, 6. August, von 19 bis 21 Uhr an Bord der MS Wissenschaft ein. Dabei präsentieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Publikum ihre Forschung – anschaulich, unterhaltsam und jeweils innerhalb von zehn Minuten. Beim Science Slam treten sechs so genannte Slammer gegeneinander an – jeweils einer beziehungsweise eine aus jeder Fakultät. Die Bewertung der Beiträge erfolgt durch das Publikum. Moderiert wird der wissenschaftliche Wettstreit von der Slammerin und promovierten Sprachwissenschaftlerin Carrie Ankerstein. Das Publikum darf sich auf interessante und mitreißende Vorträge zu aktuellen Forschungsthemen an der Saar-Universität freuen. Dabei geht es beispielsweise um Biorhythmen bei der Krebstherapie oder um Stresserfahrungen im frühen Kindesalter. Oder es wird erklärt, welche sozialen Interaktionen entstehen, wenn Menschen mit Chatbots kommunizieren.  
Tickets zum Preis von 5 Euro sind erhältlich unter: tickets.kwt-uni-saarland.de/SSMSW22/Einlass ist um 18.30 Uhr.  
(Quelle: Universität des Saarlandes) 


Interview 
  
Gesamtmetall-Präsident Wolf im Gespräch mit der WAZ 
  
WAZ: Herr Wolf, Russland hat die Gaslieferungen erneut gedrosselt. Rechnen Sie mit einem vollständigen Gasstopp? 
Wolf: Man darf Putin nicht unterschätzen, er ist ein Stratege. Würde er jetzt das Gas komplett abstellen, dann würde er uns zwar treffen – aber nicht so hart wie im Oktober oder November. Man kann vermuten, dass der komplette Gasstopp im Herbst kommen wird – zu einer Zeit, in der auch die Privathaushalte ihre Gasheizungen wieder nach oben fahren werden. 
WAZ: Vor allem in Süddeutschland hat man die Sorge, dass im Falle eines Embargos nicht mehr genug Gas anlandet. Dort hat auch Ihr Unternehmen, der Automobilzulieferer ElringKlinger, seinen Sitz. Fürchten Sie persönlich einen Gasstopp? 
Wolf: Ein Gasstopp wäre eine extreme Herausforderung. Ein Beispiel: In jedem Verbrennungsmotor befindet sich eine Zylinderkopfdichtung. Diese Edelstahllagen werden in einem mit Gas betriebenen Ofen bei 600 Grad Celsius wärmebehandelt. Wenn ich diese Wärmebehandlung nicht durchführen kann, denn werden keine Zylinderkopfdichtungen produziert und in der Folge keine Verbrennungsmotoren und somit keine Autos gebaut. ElringKlinger hat einen Marktanteil von 60 Prozent bei Zylinderkopfdichtungen weltweit. Bekommen wir dafür kein Gas mehr, dann stockt der Bau von Fahrzeugen. 
WAZ: Die Meinungen darüber, wie schlimm ein Gasstopp Deutschland treffen würde, reichen von „verkraftbar“ bis hin zur „Zerstörung der Volkswirtschaft“. Wo verorten Sie sich auf dieser Skala?
Wolf: Man kann Krisen immer meistern. Wichtig ist, sich jetzt zu überlegen, wo man bereits Gas einsparen kann. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat gute Vorschläge präsentiert. Ganz wichtig ist, dass der Vorrang der Privathaushalte bei der Gasversorgung fällt. Wir müssen gezielt schauen, welche Industrien systemrelevant sind. Wenn wir Privathaushalte in einer Mangellage beliefern und die Industrie hintenüberfällt, dann können die Menschen zwar noch Gas beziehen, ihre Abrechnungen aber trotzdem nicht mehr bezahlen, weil sie arbeitslos werden. Wird die Industrie vernachlässigt, sind Hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet. 
WAZ: Der Verbraucherschutz beim Gas ist geltendes EU-Recht.
Wolf: Es gibt viele europäische Regelungen, die zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als man sich Situationen wie die jetzige nicht vorstellen konnte. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert, klare Kante zu zeigen und im Notfall entsprechende Verteilungen zu ermöglichen. Es geht darum, die deutsche Wirtschaft zu erhalten. 
WAZ: Was wäre ein Kompromiss bei der Verteilung?
Wolf: Man muss eine intelligente Aufteilung finden. Die Industrien, die elementar auf Gas angewiesen sind, müssen wir versorgen. Gehen in der Glasindustrie wegen fehlenden Gases die Wannen kaputt, entstehen uns Milliardenschäden. Das müssen wir verhindern. 
WAZ: Was ist der Beitrag der Metall- und Elektro-Industrie? 
Wolf: Wir müssen uns in Zukunft mehr Gedanken darüber machen, was es für geopolitische Risiken gibt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es einen konventionellen Krieg auf europäischen Boden wieder geben wird. 
WAZ: Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, die Gewinne sprudeln. Die Energieeinsparungen gingen zuletzt aber nur noch mäßig voran. Investieren die Firmen zu wenig in Energieeffizienz?
Wolf: Die Gewinnsituation ist extrem unterschiedlich. Jedes Unternehmen hat die Problemstellung erkannt. Das passiert nicht erst seit dem Winter. Die Metall- und Elektro-Industrie arbeitet seit Jahren daran, energieeffizienter zu werden und grünen Strom zu nutzen. Jetzt sind die Auftragsbestände zwar hoch, sie werden aber nicht abgerufen. 
WAZ: Manche Konzerne profitieren kräftig von der Krise. Teile der Politik fordern eine Übergewinnsteuer. 
Wolf: Von einer Übergewinnsteuer halte ich gar nichts. Es gibt Unternehmen, die derzeit eine Sonderkonjunktur haben. Eine Sonderkonjunktur zu besteuern, halte ich für falsch. 
WAZ: Ist dann auch das Vorgehen der Mineralölkonzerne nur eine „Sonderkonjunktur“ – immerhin ermittelt das Kartellamt? 
Wolf: Von den höheren Spritpreisen profitiert der Staat massiv durch höhere Steuereinnahmen. Zudem ist der Ölpreis deutlich gestiegen. Auch Mineralölkonzerne kämpfen mit Mehrkosten und die Ermittlungen sind abzuwarten 
WAZ: Wenn Ihrer Meinung nach zu viel Geld an den Staat geht, sollten wir dann den Tankrabatt dauerhaft behalten? 
Wolf: Man kann den Satz der Mineralölsteuer senken. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir in Deutschland fast die höchsten Preise für Benzin und Diesel. Damit werden Pendler massiv getroffen. 
WAZ: Innerhalb der Bundesregierung tobt eine Debatte zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Sollten die AKWs am Netz bleiben? 
Wolf: Ich halte eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke für absolut notwendig. Eine verlängerte Laufzeit der drei noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke kann die Verstromung von Gas deutlich reduzieren. Und sie kann dazu beitragen, die Stromversorgung zu sichern, wenn wirklich kein Gas mehr zu Verfügung steht. Wir müssen aber auch eine Debatte über den Bau von neuen Atomkraftwerken führen. Weltweit werden derzeit 50 neue Atomkraftwerke gebaut, die Technik hat sich weiterentwickelt. Die EU hat die Atomenergie gerade erst als grüne Energie gekennzeichnet. 
WAZ: Die Taxonomie beim Atomstrom ging vor allem auf das Betreiben Frankreichs zurück. Dort steht derzeit die Hälfte der Atomkraftwerke wegen Problemen oder Wartungen still. 
Wolf: Auf EU-Ebene braucht man Gemeinschaftsentscheidungen. Es mag sein, dass Frankreich das Projekt vorangetrieben hat, aber die Entscheidung wurde gemeinschaftlich getroffen. 
WAZ: Die Kosten von Atomstrom sind über die gesamte Lebensdauer eines Kraftwerks gerechnet viel höher als bei erneuerbaren Energien. Legen Sie nicht einen falschen Fokus? 
Wolf: Der Fokus muss auf erneuerbaren Energien liegen. Aber unser Gesamtstrombedarf wird in Zukunft enorm sein. Bei den langen Genehmigungs- und Bauzeiten hierzulande werden wir ihn niemals mit regenerativen Energien abdecken können. 
WAZ: Wirtschaftsminister Robert Habeck warnt davor, dass die drei verbleibenden AKWs gewartet werden müssten – oder wir hätten in einer Zeit von steigenden Cyberattacken auf Infrastruktur unsichere Meiler.
Wolf: Das Argument halte ich nicht für zielführend. Wir könnten die Atomkraftwerke weiterlaufen lassen. Die Sicherheitsrisiken können wir absichern, wir haben gute Schutzschirme gegen Cyberangriffe. 
WAZ: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnt dagegen vor einem Blackout bei der Stromversorgung. Teilen Sie seine Sorge?
Wolf: In der derzeitigen Situation rechne ich nicht mit Blackouts. Aber es kann zu Versorgungsengpässen kommen. 
WAZ: Was halten Sie von einem Gaspreisdeckel? 
Wolf: Das kommt auf die Ausgestaltung an. Grundsätzlich bin ich für die freien Regelungskräfte des Marktes. Sollte sich der Gaspreis nochmal deutlich erhöhen, dann muss man sich neu Gedanken machen. 
WAZ: Ab Oktober soll das Gas-Auktionsmodell für Unternehmen starten. Ist das eine gute Idee?
Wolf: Ich halte ein Gas-Auktionsmodell nicht für sinnvoll. Es braucht intelligente Verteilsysteme. Auktionen treiben nur die Preise nach oben. Die Belastungen für alle Unternehmen über die hohen Energie- und Materialpreise sowie die Transportkosten sind bereits massiv gestiegen. Und in einer solchen Lage fordert die IG Metall acht Prozent mehr Lohn. 
WAZ: Was bedeutet die Forderung für Sie? 
Wolf: Ich halte die Forderung für verantwortungslos und frage mich, ob sich die Verhandler von der IG Metall überhaupt irgendwelche Gedanken gemacht haben. Wir haben bereits ein extrem hohes Lohnniveau in der Metall- und Elektro-Industrie. In der jetzigen Situation muss man eher Verzicht üben. Es geht darum, Arbeitsplätze zu sichern. 
WAZ: IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sieht keine Krise – sondern spricht von unsicheren Zeiten auf einer wirtschaftlich guten Faktenlage. Die Zahlen großer Unternehmen sprechen bisher ebenfalls eine gute Sprache. 
Wolf: Es gibt das ein oder andere Unternehmen, dem es noch gut geht. Vielen Unternehmen geht es aber schlecht, etwa mittelständischen Betrieben in der Automobilzulieferung. Wir haben bereits zwei schlechte Jahre hinter uns. Wir liegen in der Produktion noch immer 12 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2018. Um überhaupt einen Verteilungsspielraum zu haben, müssen wir erst wieder auf das Niveau des Jahres 2018 kommen. 
WAZ: Die IG Metall rechtfertigt die Forderung auch damit, dass so der Konsum und damit die Konjunktur am Laufen gehalten wird. 
Wolf: Wir brauchen keine acht Prozent mehr Lohn in der Metall- und Elektro-Industrie, um in der Konsumgüterindustrie die Wirtschaft am Laufen zu halten. Einen Einfluss hat die Inflation, aber dort sind die Politik und die Europäische Zentralbank gefordert. Würden wir die Inflation über eine Lohnerhöhung abfedern, kommen wir in eine Lohn-Preis-Spirale. 
WAZ: Droht aus Ihrer Sicht die Lohn-Preis-Spirale bereits? 
Wolf: Noch sind wir in keiner Lohn-Preis-Spirale, aber die Gefahr besteht bei einem zu hohen Abschluss in der Metall- und Elektro-Industrie.
WAZ: Gerade in Ihrer Branche machen die Lohnkosten nur einen Bruchteil der gesamten Produktionskosten aus. 
Wolf: Das kommt ganz auf das jeweilige Unternehmen an. Bei Zuliefern spielen Lohnkosten eine wichtige Rolle.
WAZ: Rechnen Sie mit Streiks? 
Wolf: Mit Warnstreiks rechne ich auf jeden Fall, das ist ein elementarer Bestandteil für die IG Metall. Ich hoffe nur, dass die IG Metall sich besinnt und ihr Instrument der Ganztagesstreiks überdenkt. In der jetzigen Situation den Unternehmen mit einem Streik hohe Kosten aufzubürden, halte ich für falsch. 
WAZ: Angesichts der Warnstreiks in Seehäfen hätte sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die Ausrufung eines nationalen Notstands vorstellen können, der das Streikrecht brechen würde. Wäre so etwas bei einem Gasstopp auch für die Metall- und Elektro-Industrie denkbar? 
Wolf: Grundsätzlich muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Aber wenn es zu solchen Beeinträchtigungen käme, die Schäden in der Wirtschaft hervorrufen, dann geht es auch um die Reputation Deutschlands. 
WAZ: Angesichts des Fachkräftemangels fordern unter anderem IW-Chef Hüther und Industriepräsident Russwurm die Einführung der 42-Stunden-Woche. 
Wolf: Kanzler Olaf Scholz hat von einer Zeitenwende gesprochen – die Zeitenwende ist da, und zwar in allen Bereichen. 
WAZ: Im vergangenen Jahr haben Sie sich offen für die Rente mit 70 gezeigt. Was ziehen Sie vor – die Rente mit 70 oder die 42-Stunden-Woche? 
Wolf: Schaut man sich die demografische Entwicklung und die Belastungen der Sozial- und Rentenkassen an, dann sind die Reserven aufgebraucht. Wir werden länger und mehr arbeiten müssen. Stufenweise werden wir auf das Renteneintrittsalter von 70 Jahren hochgehen müssen – auch weil das Lebensalter immer weiter steigt. Ansonsten wird das System mittelfristig nicht mehr finanzierbar sein. 
(Quelle: WAZ)