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VSU-Schlagzeilen

Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni verlängert / Eingeschränkter Kita-Regelbetrieb / Schwierige Lage in der Gastronomie / Dulger: Wir rutschen tiefer in die Krise

Saarland
Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni verlängert
Eingeschränkter Kita-Regelbetrieb  
Schwierige Lage in der Gastronomie  

Arbeitswelt
Corona-Prämie für Firmen bei Übernahme von Azubis vereinbart
IAB: Betriebe weisen weniger offene Stellen aus
CDU-Spitze gegen Mindestlohn-Senkung
Digitales Lernen gefragt wie nie
 
Konjunktur
BDI erwartet wirtschaftliche Erholung erst 2022
Frankreich: 8 Milliarden Euro für die Autohersteller
 
Wirtschaftspolitik
BDI fordert von EU-Kommission ehrgeizigen Erholungsplan
 
Unternehmen
Corona-Krise belastet Zulieferer Eberspächer

Interview
Dulger: Wir rutschen tiefer in die Krise


Saarland

Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni verlängert
Die Kontaktbeschränkungen in Deutschland werden voraussichtlich bis zum 29. Juni verlängert. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt. Des Weiteren vereinbarten Bund und Länder, dass die Länder ab dem 6. Juni den Aufenthalt in der Öffentlichkeit mit bis zu zehn Personen oder den Angehörigen zweier Hausstände gestatten können. Thüringen geht jedoch einen Sonderweg. Das Land stimmte den Vorschlägen des Bundes demnach zwar zu; der Freistaat will aber abweichende Regelungen beschließen, sofern dies das Infektionsgeschehen zulässt. (Quelle: sr-online)

Eingeschränkter Kita-Regelbetrieb  
Die Kindertagesstätten im Saarland sollen schrittweise wieder öffnen. Nach einem Vier-Stufen-Plan soll möglichst ab dem 8. Juni in einen eingeschränkten Kita-Regelbetrieb eingestiegen werden. Das haben das Bildungs- und das Gesundheitsministerium mitgeteilt. Der Rechtsanspruch auf Betreuung müsse wieder in Kraft gesetzt werden. Es solle nun ein Rahmenplan erarbeitet werden. Es sei klar, dass sehr viele Eltern und Kinder auf den Kita-Betrieb angewiesen seien. Ende vergangener Woche seien im Saarland rund 9100 Kinder notbetreut worden, am 24.April waren es noch 2800. (Quelle: sr-online)

Schwierige Lage in der Gastronomie  
Nach der Wiederöffnung von Restaurants und Hotels im Saarland bleibt die wirtschaftliche Situation der Betriebe nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes "katastrophal". Eine gute Woche nach dem Neustart unter strengen Auflagen hätten sich bei den meisten Betrieben die Umsatzerwartungen nicht erfüllt. Ein Rettungsfonds mit direkten Finanzhilfen müsse kommen. Nach neun Wochen Schließung wegen der Coronapandemie hatten Restaurants am 18. Mai wieder öffnen dürfen. Clubs und Diskotheken oder Schankwirtschaften sind aber weiter geschlossen. (Quelle: sr-online)


Arbeitswelt

Corona-Prämie für Firmen bei Übernahme von Azubis vereinbart
Bund, Länder, Wirtschaft und Gewerkschaften wollen einen Einbruch auf dem Lehrstellenmarkt in der Corona-Krise verhindern und haben dazu in der Allianz für Aus- und Weiterbildung gemeinsam mit der BA verschiedene Maßnahmen vereinbart. So sollen Betriebe, die Azubis von insolventen Firmen übernehmen, eine staatliche Prämie bekommen. Die Übernahmeprämie soll es zunächst befristet bis zum Ende des Jahres geben. Wie hoch sie ausfällt, ist noch unklar. Die Details dazu würden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. „Die Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung sind sich einig, dass die Corona-Krise nicht zu einer Krise auf dem Ausbildungsmarkt führen darf, mit negativen Auswirkungen auf die berufliche Zukunft junger Menschen und die Fachkräftesicherung“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. DIHK-Präsident Schweitzer kündigte verstärkte Vermittlungsbemühungen der Wirtschaft an: Kammern und Verbände würden zum Beispiel „virtuelle Speed Datings“ ausprobieren, ihre Lehrstellenbörsen ausbauen und „sich intensiv dafür einsetzen“, dass Auszubildende trotz schwieriger Rahmenbedingungen ihre Abschlussprüfungen ablegen könnten. (Quelle: dpa, BMWi, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
IAB: Betriebe weisen weniger offene Stellen aus
In den ersten zwei Wochen nach dem Corona-Shutdown Mitte März kam es noch nicht zu größeren Entlassungswellen; stattdessen ging zuerst die Zahl der offenen Stellen zurück, berichtet das IAB. Allerdings habe die abgeflaute Konjunktur schon vor der Corona-Krise zu einer sinkenden Personalnachfrage geführt, hieß es weiter. Die so genannte Vakanzrate, der Anteil offener Stellen an allen besetzten und unbesetzten Stellen eines Betriebs, war im ersten Quartal 2020 gegenüber dem vierten Quartal 2019 von 3,2 auf 2,6 Prozent gesunken. Deutlich stärker fällt der Rückgang jedoch aus, wenn man die letzten zwei Märzwochen betrachtet, als der Corona-bedingte Shutdown wirksam wurde. In diesen zwei Wochen lag die Vakanzrate bei knapp 2 Prozent. In den ersten elf Wochen des ersten Quartals 2020 betrug die Vakanzrate 2,7 Prozent. In den letzten zwei Märzwochen zeigte sich in den Befragungsergebnissen der IAB-Stellenerhebung noch kein größerer Personalabbau. „Kündigungsfristen, Kurzarbeitergeld und die Ankündigung vielfältiger Stützungsmaßnahmen bremsen zunächst drohende Beschäftigungsverluste. Sie können sie aber natürlich weder vollständig noch dauerhaft aufhalten“, erklären die IAB-Forscher. Die in den letzten zwei Märzwochen befragten Arbeitgeber erwarteten für die kommenden zwölf Monate einen Beschäftigungsrückgang von 2,4 Prozent. Da die im Januar und Februar befragten Betriebe noch von einem Beschäftigungswachstum von 2,2 Prozent ausgingen, bedeutet dies einen Einbruch der Beschäftigungserwartungen um 4,6 Prozentpunkte. Zudem zeigte sich in der Betriebsbefragung bereits zu Beginn des Shutdowns ein erhöhter Anteil von Arbeitgebern, der eine Betriebsschließung erwartet. (Quelle: IAB, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
CDU-Spitze gegen Mindestlohn-Senkung
Die CDU-Spitze hat sich gegen Gedankenspiele aus der eigenen Partei gestellt, den Mindestlohn in der Corona-Krise abzusenken. Die Krise dürfe nicht zulasten von Arbeitnehmern gehen, erklärte Parteichefin Kramp-Karrenbauer. Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Ziemiak in Berlin: Es gebe in der Partei nur einzelne Stimmen, die eine Absenkung diskutierten, dies sei aber keine Position der gesamten Partei oder der Führungsgremien. Bezieher des Mindestlohns hätten es in der Krise besonders schwer. Nach den bisherigen rechtlichen Vorgaben müsste die gesetzliche Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2021 auf rund 9,80 Euro steigen. Derzeit liegt sie bei 9,35 Euro. In einem Papier der CDU-Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie hieß es zuletzt, die Mindestlohnkommission solle „den wirtschaftlichen Einbruch und die sinkenden Einkommen bei der Festlegung des Mindestlohnes berücksichtigen und den Mindestlohn entsprechend absenken, mindestens aber eine Erhöhung für 2021 aussetzen“. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Digitales Lernen gefragt wie nie
Digitales Lernen ist in der Corona-Krise auch nach der schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen und Hochschulen gefragter denn je. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Anteil der Schüler und Studierenden ab 16 Jahren, die digitales Lernmaterial nutzen, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Im 1. Quartal 2019 nutzten demnach mehr als die Hälfte (54 Prozent) digitale Lernmedien. Im Jahr 2015 hatte der Anteil noch bei 41 Prozent gelegen. Ein gutes Drittel (35 Prozent) der Lernenden kommunizierte im 1. Quartal 2019 mit Lehrkräften oder anderen Lernenden über Lernplattformen oder -portale (2015: 27 Prozent). Von den jüngeren Schülern im Alter von 10 bis 15 Jahren nutzten 32 Prozent digitales Lernmaterial und 8 Prozent tauschten sich mit Lehrkräften und untereinander über entsprechende Plattformen oder Portale aus. (Quelle: destatis, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Konjunktur
 
BDI erwartet wirtschaftliche Erholung erst 2022
Nach BDI-Einschätzung wird sich die Wirtschaft von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erst 2022 wieder erholen. Erst dann werde wieder das Niveau vor der Krise erreicht, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Lang und fügte hinzu: „Die Krise stellt definitiv die Industrie vor die größte Herausforderung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.“ Sie bringe die Unternehmen nahe an die Schmerzgrenze und teilweise auch an die Existenzgrenze, so Lang: „Der Shutdown kostet die Volkswirtschaft derzeit einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag an Wertschöpfung pro Woche.“ Lang betonte, nach der jetzigen Phase der Eindämmung mit den Corona-Milliardenhilfen brauche es eine Konjunkturbelebung. Hier hatte der BDI bereits ein 6-Punkte-Programm sowie am Montag 66 Vorschläge zum Bürokratieabbau vorgelegt. In der dritten Phase werde sich zwar die Mobilität von Arbeitskräften stabilisieren, aber es gebe noch immer eine weltweite Nachfrageschwäche. Dann bedürfe es einer nationalen wirtschaftspolitischen Flankierung sowie langfristiger Maßnahmen für Wachstumsprogramme, so Lang. Erst in der vierten Phase komme die Erholung. Dann fordert der BDI deutlich mehr öffentliche Investitionen und die Umsetzung der Industriestrategie 2030. Zugleich bremste Lang bei den Klimabemühungen der EU. Mit Blick auf den Green Deal brauche es „eine Neubewertung der Vorhaben“. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)

Frankreich: 8 Milliarden Euro für die Autohersteller
Frankreich hat einen umfangreichen Plan zur Rettung seiner Autoindustrie vorgelegt. Nicht weniger als 8 Milliarden Euro plant die französische Regierung an Hilfen ein, wie Präsident Emmanuel Macron bekanntgab. Das Ziel laute, Frankreich zum führenden Produktionsstandort für schadstoffarme Fahrzeuge zu machen. 2025 sollen in Frankreich 1 Million schadstoffarme Autos gebaut werden. Der Plan sieht hohe Subventionen sowohl für die Autokäufer als auch für die Hersteller vor. Die Verkäufe gingen allein im April um 89 Prozent zurück, berichten Verbandsvertreter. Daher will die französische Regierung jetzt umfangreich die Nachfrage stützen – vor allem die nach schadstoffarmen Fahrzeugen. Mit einer Milliarde Euro sollen die Käufe insgesamt gestützt werden. Die Subventionen für jeden Käufer eines Elektroautos sollen von maximal 6000 auf 7000 Euro steigen. Erstmals sollen auch Hybridfahrzeuge mit einem Zuschuss von 2000 Euro unterstützt werden. Abwrackprämien für Privatkäufer sowie Beihilfen für Firmenflotten kommen hinzu. Eine temporäre Abwrackprämie von jeweils 3000 Euro werde für unverkaufte Autos zur Verfügung stehen. Drei Viertel der Franzosen sollen darauf Anspruch haben. Auch neue Diesel- und Benzin-Fahrzeuge werden von der Abwrackprämie profitieren (beim Kauf von Elektroautos sind es 5000 Euro). Allerdings gelte die Prämie nur, bis 200.0000 Autos verkauft sind, sagte Macron. (Quelle: FAZ)
 
 
Wirtschaftspolitik
 
BDI fordert von EU-Kommission ehrgeizigen Erholungsplan
Der BDI hat von der EU-Kommission vor der Vorstellung ihres europäischen Wiederaufbauplans ein Paket mindestens in der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Größenordnung verlangt. "Die deutsche Industrie fordert von der EU-Kommission einen ehrgeizigen Erholungsplan für die europäische Wirtschaft", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Lang. Der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagene Fonds im Umfang von 500 Milliarden Euro sei ein wichtiges Signal der Solidarität, erklärte Lang: "Hinter diesen Vorschlag sollten die europäischen Institutionen nicht mehr zurückfallen." Die Politik müsse die Mittel in den kommenden zwei Jahren mobilisieren, um die erforderliche Erholung schnellstmöglich zu unterstützen. Langfristige Anleihen der EU und der Schuldendienst aus dem EU-Haushalt nach dem üblichen Verteilungsschlüssel seien der richtige Ansatz, denn dieses Vorgehen vermeide die Vergemeinschaftung bestehender Schulden. Lang forderte zudem, die EU müsse den Industriestandort Europa nachhaltig mit weiteren Impulsen stärken: "Sie muss die europäische Wettbewerbspolitik durch eine Anpassung der Regeln für staatliche Beihilfen, Kooperationen und Fusionskontrollen modernisieren." Die Wirtschaft brauche ein verändertes EU-Beihilferecht, das ambitionierten Klimaschutz mit Wettbewerbsfähigkeit und zusätzlichen Investitionen "auch in Krisenzeiten vereint". Der "Green Deal" der EU zum Klimaschutz müsse zum Wachstum beitragen, sein Schwerpunkt solle die Förderung von Wachstum sein. Dazu gehörten Gebäudemodernisierung, Investitionen in smarte und nachhaltige Mobilität sowie kostengünstige erneuerbare Energien, betonte der BDI. Die Bundesregierung warb unterdessen noch einmal für europäische Solidarität. „Wir alle hängen voneinander ab, und wir alle brauchen einander“, sagte Europastaatsminister Roth am Rande von Gesprächen mit EU-Amtskollegen. Gerade ein exportorientiertes Land wie Deutschland sei zwingend darauf angewiesen, dass sich die Nachbarn in der EU möglichst rasch erholten. (Quelle: Dow Jones, dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Unternehmen

Corona-Krise belastet Zulieferer Eberspächer
Auch der Autozulieferer Eberspächer in Neunkirchen wurde von der Corona-Krise mit Wucht getroffen, wie die Saarbrücker Zeitung berichtet. Insgesamt rechnet der geschäftsführende Gesellschafter, Martin Peters, im laufenden Jahr mit „einschneidenden Umsatzeinbrüchen und mit einer nur langsamen Erholung“. Er hofft, dass sich der Autoverkauf und in der Folge die Nachfrage nach Abgastechnik von Eberspächer vor allem im dritten Quartal allmählich erholen wird. In China laufe das Unternehmen schon nahezu wieder voll im Plan, in Europa und Amerika liege die Produktion noch weit zurück. Das Unternehmen reagiert darauf, wie es alle tun, die von der Corona-Krise stark belastet sind: Kosten senken, wo es geht, Zurückhaltung bei Investitionen und Kurzarbeit.
Eberspächer zieht aber schon jetzt Konsequenzen am schwäbischen Firmensitz: In Esslingen soll die seit Jahren verlustreiche Fertigung von Standheizungen bis 2022 dichtgemacht werden. Die Schließung werde 300 der insgesamt 1350 Arbeitsplätze am Standort kosten, hieß es. Die Produktion soll zum Teil nach Polen verlagert werden, zum Teil sollen Komponenten von Lieferanten zugekauft werden. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die auch das Neunkircher Werk betroffen hatte. Eberspächer baut die Fertigung im Ausland aus und fährt sie im Inland herunter. So hatten im vergangenen Jahr laut Peters die neuen Werke in Portugal und Rumänien stark zum Umsatzwachstum beigetragen, in Mexiko soll im Laufe des Jahres eine neue Fabrik in Betrieb gehen. Fast 80 Prozent der Umsätze wurden 2019 im Ausland erwirtschaftet.
Auch Heinrich Baumann, wie Peters auch geschäftsführender Gesellschafter Baumann bleibt optimistisch, dass die Abgastechnik, wie sie in Neunkirchen gebaut wird, auch künftig gefragt bleibt. Er geht davon aus, dass mittelfristig 80 bis 95 Prozent der Fahrzeuge weiterhin Verbrennungsmotoren haben und daher Abgasanlagen brauchen. Auch Peters ist zuversichtlich: „Abgassysteme haben ein ordentliches Wachstumspotenzial in den nächsten Jahren.“ (Quelle: Saarbrücker Zeitung)


Interview
 
Dulger: Wir rutschen tiefer in die Krise
Gesamtmetall-Präsident Dulger ist überzeugt, dass Firmen der M+E-Industrie solange wie möglich an Mitarbeitern festhalten.
AA:
Herr Dulger, wie tief steckt die Metall- und Elektroindustrie, also damit auch die Autobranche samt dem Maschinenbau in der Rezession?
Dulger:
Die Folgen der Corona-Pandemie treffen alle Unternehmen unserer Branche. Und die Corona-Krise trifft uns immer härter. Das zeigt eine aktuelle Blitzumfrage von Gesamtmetall unter 1400 Mitgliedsfirmen. Demnach sehen sich 40 Prozent der Betriebe stark oder sehr stark in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit eingeschränkt. Bei einer ähnlichen Umfrage vor einem Monat war noch ein Drittel der Firmen derart von der Corona-Krise gebeutelt. Es ist also ganz klar: Wir rutschen immer tiefer in eine Krise, die sich dramatischer entwickelt als die Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009.
AA:
Wie lange können besonders von der Krise betroffene Betriebe noch an den Beschäftigten festhalten? Folgt auf die Kurzarbeit eine Entlassungswelle?
Dulger:
Die deutsche Metall- und Elektroindustrie hat sich schon 2019 in einer Rezession befunden. So ist die Zahl der Beschäftigten seit Mai 2019 in unserem Wirtschaftszweig zurückgegangen, wenn auch nur in einem geringen Ausmaß. Nun sind viele unserer Betriebe massiv unterausgelastet. Bis jetzt mussten nur vier Prozent unserer mehr als 25.000 Unternehmen, die rund 3,9 Millionen Menschen beschäftigen, zum Mittel der Entlassung greifen.
AA:
Das sind wenige Entlassungen angesichts der Wucht der Krise.
Dulger:
Ja, das zeigt, dass die meisten Betriebe mit aller Macht an ihren Beschäftigten festhalten, solange es irgendwie geht. Allerdings schließen jetzt schon fast 35 Prozent der von uns befragten Unternehmen nicht aus, dass sie doch zum Instrument der Kündigung greifen müssen, wenn die Krise noch länger anhält. Aber dennoch sind rund 65 Prozent der Firmenverantwortlichen optimistisch, dass sie nach heutigem Stand ohne Kündigungen auskommen. Mitarbeiter sind in der Metall- und Elektroindustrie ein hohes Gut. Wir achten sehr auf sie.
AA:
Wie lange währt der Treueschwur?
Dulger:
Die Treue währt nicht dauerhaft, wenn die Lage so schlecht bleibt. Irgendwann muss man die Kapazitäten anpassen, weil sonst das Unternehmen kaputt geht. Deshalb ist es unseriös zu glauben, dass wir so einfach durch die Krise durchschippern und keine Arbeitsplätze verloren gehen. Wir werden Beschädigungen hinnehmen müssen und wir werden Entlassungen erleben. Dennoch bleiben wir grundsätzlich optimistisch und versuchen mit aller Macht, also bis zum Eintreten massiver Schäden, unsere Mitarbeiter zu halten.
AA:
Ist die Kurzarbeit ein gutes Instrument, um an Mitarbeitern in dieser schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg festzuhalten?
Dulger:
Im Moment nutzen knapp 60 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen Kurzarbeit. Damit befinden sich rund 1,5 Millionen unserer Mitarbeiter in Kurzarbeit. Wenn es noch schlechter kommt, könnte diese Zahl auf bis zu zwei Millionen ansteigen. Damit wäre in etwa jeder zweite Beschäftigte unserer Industrie von Kurzarbeit betroffen. Zum Vergleich: Während der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 waren von rund 3,6 Millionen Beschäftigten knapp eine Million in Kurzarbeit. Ich will jetzt aber noch nicht an die Zeit nach der Kurzarbeit denken und spekulieren, was dann greifen muss. Ich will weiter ein Optimist bleiben.
AA:
Viele Unternehmer verhalten sich anders als nach der Rezession im Jahr 1993 vorausschauend und scheuen wie bereits 2008 und 2009 Entlassungen.
Dulger:
Das ist typisch für eine überwiegend mittelständisch geprägte Industrie wie unsere.
AA:
Dennoch: Droht 2021 nach dem Auslaufen der Kurzarbeit in vielen Betrieben nicht doch eine Entlassungswelle?
Dulger:
Ich bleibe Optimist und fange nicht an schwarzzumalen. Denn Schwarzmalerei liegt mir nicht. Aber Fakt ist: Ohne Einnahmen kann kein Unternehmen auf der Welt durchhalten. Wenn Kunden nicht mehr unsere Güter nachfragen, sind Pleiten unvermeidbar. Eine echte Normalität kehrt erst wieder ein, wenn es einen Impfstoff oder deutlich verbesserte Therapiemaßnahmen gibt. Danach werden wir uns als deutsche Industrie weltweit wieder behaupten können. Dafür brauchen wir aber ein konsequentes Belastungsmoratorium.
AA:
Das klingt ja sehr medizinisch. Was verstehen sie darunter?
Dulger:
Selbst wenn die Wirtschaft wieder anläuft, es einen Impfstoff gibt und die Menschen kräftiger konsumieren, also etwa Autos kaufen oder Kreuzfahrten buchen, brauchen wir ein solches Moratorium, um das Tal der Tränen verlassen zu können. Hier ist der Staat gefordert: Wir brauchen eine Obergrenze für Sozialabgaben, keine Steuer- erhöhungen und keine zusätzliche Bürokratie. Auch wenn die Kassen nach der Krise leer sind, müssen wir solche zusätzlichen Belastungen ausschließen. Wir sollten auf den Standort Deutschland achten.
AA:
Achten Merkel und Co. derzeit ausreichend auf den Standort Deutschland?
Dulger:
Ja, das tun sie. Alle Maßnahmen der Regierung zur Stabilisierung der Wirtschaft sind sinnvoll, auch wenn sie viel Geld kosten. In einer solchen Sondersituation ist es gerechtfertigt, Schulden zu machen.
AA:
So zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung waren sie 2019 nicht. Damals nannten sie Wirtschaftsminister Altmaier eine „Fehlbesetzung“. Hat er in der Krise an Statur gewonnen?
Dulger:
Ja, Altmaier hat an Statur gewonnen. Er hat wie die Regierung Profil gezeigt. Es wurde seitens des Staates schnell und angemessen gehandelt. Wir können auch stolz auf unsere Kanzlerin sein. Ich fühlte mich in den letzten Wochen gut und vernünftig regiert. Das gilt auch für die Landesregierungen, die noch Zusatzpakete aufgelegt haben. In großen Runden haben sich Politiker die Sorgen und Nöte der Unternehmer und Beschäftigten angehört und haben entsprechend darauf reagiert. Und wir können auf unser Gesundheitssystem stolz sein. Meine vielen internationalen Geschäftspartner beneiden mich um unsere Regierung und unser Gesundheitssystem. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir wieder vernünftig aus der Krise herauskommen.
AA:
Das kann etwa durch ein von Gewerkschaftern wie IG-Metall-Chef Hofmann gefordertes breites Konjunkturprogramm gelingen, das sich nicht nur auf die Autoindustrie konzentriert. Was soll die Bundesregierung hier nächste Woche auf den Weg bringen?
Dulger:
Ich bin nicht oft einer Meinung mit IG-Metall-Chef Hofmann, aber in diesem Fall schon. Wir brauchen ein solches breites Konjunkturprogramm, gerade auch, um die Kaufzurückhaltung vieler Verbraucher zu überwinden. Zu so einem Konjunkturprogramm gehört auch eine Autoprämie. Eine solche Autoprämie wirkt am breitesten in die Wirtschaft hinein. Ansonsten bin ich ein großer Fan von positiven Signalen an Verbraucher und Unternehmer, also Steuervorteilen für Menschen, die konsumieren, oder verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmer, die investieren. Hier befinden wir uns in einem guten Dialog mit der Regierung.
AA:
Wie sollen diese Vorteile für konsumwillige Bürger konkret aussehen?
Dulger:
Wer konsumiert, soll belohnt werden. Ich stelle mir hier etwa Konsumgutscheine über einen bestimmten Betrag vor, bei denen man weniger Steuern zahlen muss, wenn man einkauft. Diesen Betrag sollen Bürger erhalten, egal, ob sie sich Einrichtungsgegenstände, Kleidung oder ein neues Auto kaufen, ja ins Restaurant gehen oder ein Wohlfühlwochenende im Hotel verbringen. Hauptsache, das Geld kommt wieder unter die Leute. Wir brauchen so ein breites und solidarisches Deutschland-Paket. Dabei dürfen wir nicht Busunternehmer und Schausteller vergessen, die massiv unter der Krise leiden. Wir wollen also keine reine Auto-Ego-Nummer.
AA:
Bei allen Notwendigkeiten und allem Patriotismus: Retten wir uns in Deutschland zu Tode? Die Steuerlöcher werden ja zu Steuerkratern.
Dulger:
Alle Unterstützungsmaßnahmen kosten viel Geld. Wir müssen jedoch einer Pandemie so viel Geld entgegensetzen. Wir können deshalb froh sein, dass wir in den vergangenen Jahren auf der Schuldenbremse standen. Nun haben wir den Freiraum, solch hohe Schulden aufzunehmen. Wenn unsere Unternehmen auch dank staatlicher Unterstützungsleistungen wettbewerbsfähig bleiben, können wir die Schulden wieder zurückzahlen.
AA:
Schaffen wir das wirklich?
Dulger:
Wir schaffen das. Da mache ich mir keine Sorgen. Wir verfügen über eine leistungsfähige Industrie. Wir werden nach der Krise aus den Schulden wieder rauswachsen, wenn die Wirtschaft nicht zusätzlich mit Steuern und Kosten belastet wird.
AA:
Wenn wir in fünf Jahren auf das Horror-Jahr 2020 zurückblicken, wie fällt dann die Analyse aus?
Dulger:
Wir werden festhalten, dass wir die Krise im Vergleich zu anderen Nationen wieder einmal gut bewältigt haben. Das liegt an unserem starken Mittelstand und dem hohen Industrieanteil. Und natürlich ist das auch das Resultat eines sehr guten Gesundheitssystems, das zwar teuer, aber leistungsfähig ist. Wir werden diese Krise überwinden und auf einiges stolz sein können. Doch eines lehrt uns die Krise vor allem: Demut.
(Quelle: Augsburger Allgemeine / Interview: Stefan Stahl, M+E-Newsletter Gesamtmetall)