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VSU-Schlagzeilen 16.08.2022

Saarland pocht auf Bundeshilfe für 9-Euro-Ticket-Nachfolger / IG Metall weist Arbeitgeber-Forderung nach Nullrunde zurück /

Saarland/Region 
Saarland pocht auf Bundeshilfe für 9-Euro-Ticket-Nachfolger 

Tarifpolitik 
IG Metall weist Arbeitgeber-Forderung nach Nullrunde zurück 

Arbeitswelt  
Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe steigt mit Ausnahme der Automobilindustrie  
  
Wirtschaftspolitik  
Gasumlage wird 2,4 Cent betragen 
BDI: Gasumlage trifft alle Unternehmen hart 
IW zur Gasumlage: Mehrkosten in Milliardenhöhe für Industrie und private Haushalte  
DIHK: Gaspreise erreichen ein vielfach existenzgefährdendes Niveau  
  
Konjunktur und Märkte 
Brexit hat Personalmangel häufig verstärkt 
Deutschland verfehlt Zwei-Prozent-Ziel bei Verteidigungsausgaben 

Verkehr 
Niedrigwasser am Rhein macht Probleme  

Interview 
Wolf: „Man friert bei 18 Grad nicht“

Saarland/Region 

Saarland pocht auf Bundeshilfe für 9-Euro-Ticket-Nachfolger 
Nach Ansicht des saarländischen Verkehrsministeriums sollte es eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets geben. Das Land sei prinzipiell auch bereit, das mitzufinanzieren. Ohne Bundesmittel reiche das Geld aber nicht. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte eine weitere Förderung aus Bundesmitteln bereits ausgeschlossen. Das saarländische Verkehrsministerium kritisiert diese Einstellung deutlich: "Es reicht nicht aus, dass die Bundesregierung verbindliche Klimaschutzziele festlegt, ihr Finanzminister aber nicht gewillt ist, dabei mitzuwirken, die entsprechenden Instrumente zu entwickeln", sagt Ministeriumssprecherin Sabine Schorr auf SR-Anfrage. Dabei läge das Instrument mit günstigeren und einheitlichen ÖPNV-Tickets eigentlich auf dem Tisch. "Glaubhafte Klimaschutzpolitik" funktioniere anders, heißt es daher aus dem Ministerium. Nach dessen Ansicht hat Mobilität sowohl mit Klimaschutz als auch mit Teilhabe zu tun. Die gestiegene Nachfrage im ÖPNV der vergangenen Monate habe deutlich gezeigt, dass das Angebot eines günstigen und bundesweit gültigen Tickets gefragt ist. Den positiven Klima-Aspekt bezweifeln allerdings erste Studien. Von vielen sei das Ticket eher für Zusatzfahrten anstatt als Alternative zum Auto genutzt worden. Die Datenlage sei aber noch recht dünn. (Quelle: SR) 


Tarifpolitik 
  
IG Metall weist Arbeitgeber-Forderung nach Nullrunde zurück 
Vor den im September anstehenden Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektro-Industrie weist die IG Metall die Forderung des Arbeitgeberverbands nach einer Nullrunde zurück. Auf den Beschäftigten lasten die gesamten Preissteigerungen – im Gegensatz zu Unternehmen können sie diese nämlich nicht weitergeben“, sagte IG-Metall-Chef Hofmann der „Welt am Sonntag“. Es sei deshalb nicht die Zeit der Zurückhaltung in der Tarifpolitik. Gesamtmetall-Präsident Wolf hatte der Zeitung gesagt, trotz der hohen Inflation gebe es in diesem Jahr keinen Spielraum für Lohnerhöhungen. „Wenn wir im Herbst in eine Gasmangellage kommen, fällt das genau in unsere Tarifrunde“, sagte Wolf. „Dann wird es nicht möglich sein, die Firmen der Metall- und Elektro-Industrie mit Lohnerhöhungen weiter zu belasten.“ Ungewohnte Unterstützung erhalten die Arbeitnehmer von der Union: Weder die Unternehmen noch der Staat könnten verhindern, dass die enormen Preissteigerungen auch die Arbeitnehmer belasten, sagte Biadacz, CDU-Obmann im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Seine Forderung lautet indes: „Die Last muss auf alle Schultern verteilt werden.“ Neben staatlichen Entlastungen für die Bürger müssten sich auch die Arbeitgeber beteiligen und faire Kompromisse mit den Gewerkschaften finden. „Bei der derzeitigen Inflationsrate sind Nullrunden keine Lösung“, sagte Biadacz. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Tatti, kritisiert die Forderung nach einer Nullrunde als „absolute Frechheit“. Die steigenden Lebenshaltungskosten müssten auch durch höhere Löhne ausgeglichen werden. „Anstatt Beschäftigte bluten zu lassen, sollten sich die Arbeitgeber lieber bei Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck dafür einsetzen, dass endlich die Krisengewinnler zur Kasse gebeten werden“, forderte Tatti. (Quellen: Reuters, welt.de, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 


Arbeitswelt  
  
Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe steigt mit Ausnahme der Automobilindustrie  
Ende Juni 2022 waren knapp 5,5 Millionen Personen in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten tätig. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, stieg die Zahl der Beschäftigten gegenüber Juni 2021 um 42 500 oder 0,8 Prozent. Damit stieg die Beschäftigtenzahl zum sechsten Mal in Folge gegenüber dem jeweiligen Vorjahresmonat. Im Vergleich zum Mai 2022 erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten um knapp 8 900 oder 0,2 Prozent. Deutlich überdurchschnittlich stieg die Beschäftigtenzahl im Juni 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat in der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (+3,7 Prozent) sowie in der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (+3,5 Prozent). Ebenfalls überdurchschnittlich, aber im Vergleich dazu deutlich niedriger waren die Zuwächse in der Metallerzeugung und -bearbeitung (+1,2 Prozent) sowie in der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln (+1,1 Prozent). In der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen ging die Beschäftigtenzahl dagegen um 1,5 Prozent zurück. Die im Juni 2022 im Verarbeitenden Gewerbe geleisteten Arbeitsstunden sanken im Vergleich zum Juni 2021 um 3,6 Prozent auf 663 Millionen Stunden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Juni 2022 einen Arbeitstag weniger hatte als der Vorjahresmonat. Die Entgelte für die Beschäftigten lagen im Juni 2022 bei rund 26,7 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahresmonat war das ein Rückgang um nominal (nicht preisbereinigt) 0,5 Prozent. (Quelle: destatis.de, M+E-Newsletter Gesamtmetall)  
  
  
Wirtschaftspolitik 
  
Gasumlage wird 2,4 Cent betragen 
Die genaue Höhe der Gasumlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure ist nun bekannt: Sie wird 2,419 Cent je Kilowattstunde betragen. Dies teilte die für die Veröffentlichung zuständige Trading Hub Europe GmbH am Montag mit. Das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber mit Sitz im nordrhein-westfälischen Ratingen ist für die Ausgleichszahlungen an die Importeure zuständig. Die THE legt die Zahlungen anschließend auf die Gasversorger um, die sie wiederum an alle Gaskunden weiterreichen werden. Die Umlage soll Importeuren helfen, die unter der Reduzierung der Gasliefermengen aus Russland leiden. Um ihre Lieferverpflichtungen etwa gegenüber Stadtwerken zu erfüllen, müssen sie an der Börse zu hohen Preisen Ersatz kaufen. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus, das würde erhebliche Mehrkosten für die Kunden bedeuten. Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) hatte gesagt, er rechne pro Jahr mit „einigen Hundert Euro pro Haushalt“. Der Wirtschaftsminister will sich ab 13.15 Uhr weitergehend zum Thema äußern. (Quellen: faz.net, dlf.de, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

BDI: Gasumlage trifft alle Unternehmen hart  
Zur Ankündigung der Gasumlage sagt Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI: „Die Gasumlage trifft alle Unternehmen, aber auch die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher hart. In Zeiten von exorbitant steigenden Energiekosten stellt die Umlage eine hohe zusätzliche Belastung dar, die nicht nur die energieintensiven Branchen, sondern die Industrie in ihrer ganzen Breite trifft. Die Politik sollte sich überlegen, die Umlage über 2024 hinaus zeitlich zu strecken, denn die Kosten werden viele Unternehmen überfordern. Jetzt gilt es, die besonders schutzbedürftigen Unternehmen zu unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie generell zu erhalten. Dazu muss die Politik noch einmal über die Reduktion staatlicher Lasten auf den Energiebezug nachdenken. Die Gasumlage ist eine solidarische Maßnahme, um die Gasversorgung aller Verbraucherinnen und Verbraucher zu sichern. Die Bundesregierung muss nun schleunigst dafür sorgen, dass so viel Energie aus nicht-russischen Quellen bereitgestellt wird wie möglich. Die Unternehmen brauchen zusätzlich ein planbares Auktionsmodell, um ihnen vertraglich zustehende Gasmengen für die Speicherung freizumachen.“ (Quelle: BDI, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
IW zur Gasumlage: Mehrkosten in Milliardenhöhe für Industrie und private Haushalte  
Die Gasumlage bedeute für Haushalte und Wirtschaft, dass die Kosten für Energie weiter in die Höhe klettern, kommentiert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Nach IW-Berechnungen belaufen sich die Mehrkosten für die Industrie insgesamt auf 5,7 Mrd. Euro pro Jahr. Eine Familie mit einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter) muss demnach jährlich 542 Euro zusätzlich für Gas aufbringen. Am stärksten betroffen seien energieintensive Grundstoffindustrien. Weil hier besonders viel Gas benötigt wird, auch als Rohstoff, werde die Gasumlage dort am härtesten zu spüren sein. Dazu zählen etwa die Chemie- und Metallindustrie und die Hersteller und Verarbeiter von Glas, Keramik, Steinen und Erden. Allein diese drei Branchen tragen mehr als die Hälfte der Mehrkosten. Doch auch für private Haushalte wird es teuer. Die IW-Berechnungen zeigen, dass eine Familie mit einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter) nun 542 Euro mehr im Jahr zahlen muss – die Mehrwertsteuer noch nicht mit eingerechnet. Wer in einer Singlewohnung (60 qm) lebt, muss sich auf rund 203 Euro an Mehrkosten einstellen. Schon im Juli warnten Experten des IW, dass rund jeder vierte Haushalt in Deutschland mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Energie ausgeben muss und demnach als energiearm gilt. Das Problem dürfte sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen. Dennoch seien Preissignale wichtig, um Verbraucher zum Sparen zu bewegen. Die aktuellen Szenarien der Bundesnetzagentur zur Gefahr einer Gasmangellage im Winter zeigten dies mehr als deutlich. „Alle müssen mit anpacken”, sagt IW-Ökonom Schaefer. „Doch die Politik sollte dabei nicht vergessen, gerade die sozial Schwächeren zu unterstützen und sie nicht mit den immensen Mehrkosten allein zu lassen.” (Quelle: IW, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
DIHK: Gaspreise erreichen ein vielfach existenzgefährdendes Niveau  
DIHK-Präsident Adrian nimmt zur Höhe der Gas-Umlage wie folgt Stellung: „Der 15. August 2022 wird vielen Unternehmen in schmerzhafter Erinnerung bleiben. Die Gas-Umlage verteuert die Erdgasbeschaffung ab Oktober für die Betriebe nochmals deutlich. Obendrauf kommt dann in Kürze wohl die Umlage für die Gasspeicher-Befüllung.“ Weitere Preisanpassungen der Versorger könnten hinzukommen, gibt der DIHK-Präsident zu bedenken. „Das Gaspreisniveau hat damit nicht nur ein kritisches, sondern in vielen Fällen ein existenzgefährdendes Niveau erreicht.“ Bereits kurz vor der Bekanntgabe der Umlage hatten in einer DIHK-Umfrage 16 Prozent der Industriebetriebe darauf hingewiesen, dass sie wegen gestiegener Energiepreise ihren Geschäftsbetrieb einschränken oder teilweise ihre Produktion in Deutschland aufgeben müssen. In der energieintensiven Wirtschaft waren diese Werte durchweg doppelt so hoch. „Die Wirtschaft braucht jetzt schnell Klarheit über die angekündigten Entlastungsmaßnahmen“, mahnt Adrian, „sonst droht eine Kaskade an Betriebsschließungen und Produktionsstopps.“ (Quelle: dihk.de, M+E-Newsletter Gesamtmetall)  
  

Konjunktur und Märkte 
  
Brexit hat Personalmangel häufig verstärkt 
Der Brexit hat einer Untersuchung zufolge in Großbritannien den Personalmangel in vielen Branchen verschärft. „Es gibt einige Belege dafür, dass das Ende der Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Mangel in verschiedenen Bereichen des britischen Arbeitsmarktes beigetragen hat“, sagte Arbeitsmarktforscher Forde von der Universität Leeds, der gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Universität Oxford die Brexit-Auswirkungen untersucht hat. „Das ist aber nicht der einzige Faktor.“ Auch in anderen Ländern gebe es in bestimmten Branchen Lücken. Andere Gründe für den Mangel sind der am Montag veröffentlichten Studie zufolge die Pandemie, die Tatsache, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich entschieden haben, früher als üblich in den Ruhestand zu gehen, und branchenspezifische Engpässe. Im vergangenen Jahr hat etwa ein akuter Mangel an Lastwagenfahrern dafür gesorgt, dass Supermarktregale teilweise leer blieben und Tankstellen nicht mit Sprit versorgt werden konnten. Besonders in Bereichen wie der Gastronomie oder Logistik hätten sich britische Arbeitgeber früher stark auf Arbeitskräfte aus der EU verlassen, heißt es in der Untersuchung. Diese hätten nun starke Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
Deutschland verfehlt Zwei-Prozent-Ziel bei Verteidigungsausgaben
Deutschland wird einer IW-Studie zufolge das Ziel der Bundesregierung, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, nicht erreichen. Bundeskanzler Scholz sprach in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 von einer Zeitenwende durch diesen Krieg und kündigte ein 100 Milliarden Euro umfassendes Sondervermögen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit an. Diese umfangreichen Mittel können jedoch nur nachhaltig sicherheitspolitisch wirksam werden, wenn die Möglichkeiten der Industrie zur Lieferung neuer Waffensysteme und die Möglichkeiten der Bundeswehr zur Nutzung und Instandhaltung dieser Waffen in Einklang gebracht werden. Im Jahr 2020 stellten die etwa 55.500 Beschäftigten im verteidigungsindustriellen Bereich in Deutschland Waffen, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und Militärfahrzeuge für circa 11,3 Milliarden Euro her; beide Werte lagen trotz der bereits erfolgten Besetzung der Krim durch Russland niedriger als 2015. Ein Policy Paper des IW stellt deshalb den Stand der Pläne zur Stärkung der Bundeswehr vor und ordnet sie sicherheitspolitisch ein. Zudem wird die deutsche Verteidigungsindustrie mit ihren Sektoren Luft- und Raumfahrzeuge, Marineschiffbau, Kampffahrzeuge sowie Waffen und Munition portraitiert und anschließend auf den immer bedeutenderen Bereich der Cyberabwehr eingegangen. Das Policy Paper schließt mit einem Fazit und verteidigungspolitischen und verteidigungsindustriellen Empfehlungen. Zu den Empfehlungen zählt eine Verstetigung der erhöhten Verteidigungsausgaben bei zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, um Planungssicherheit für Rüstungsprojekte über 2025 hinaus zu erreichen und die Fähigkeiten der deutschen Verteidigungsindustrie nachhaltig zu sichern, eine verstärkte Kooperation mit europäischen Partnern in der Verteidigungspolitik und in Rüstungsprojekten sowie eine Berücksichtigung des Verteidigungssektors in den Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie für den europäischen Finanzsektor. (Quellen: dlf.de, IW, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Verkehr 
 
Niedrigwasser am Rhein macht Probleme 
Vergleichsweise hohe Preise an den Tankstellen in Süddeutschland, Engpässe bei Kohletransporten zu den Kraftwerken und Riesenumwege für Pendler, weil Fähren am Ufer bleiben: Das Niedrigwasser am Rhein sorgt für immer mehr Probleme in vielen Lebensbereichen, denn Deutschlands größter Fluss ist ein unersetzlicher Transportweg. Durch die Trockenheit ist der Wasserstand des Rheins in den vergangenen Wochen immer weiter zurückgegangen. In Emmerich kurz vor der niederländischen Grenze erreichte der Pegel am Morgen nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mit vier Zentimetern einen historischen Tiefstand. In Kaub zwischen Mainz und Koblenz - einem für die Schifffahrt besonders wichtigen Nadelöhr - lag der Pegel bei 31 Zentimetern. Die Fahrrinnentiefe betrug damit 1,43 Meter. Das Niedrigwasser hat starke Auswirkungen auf die Schifffahrt. „Für die Binnenschifffahrt bedeuten niedrige Pegelstände, dass die Schiffe, um eine Grundberührung zu verhindern, weniger Ladung mitnehmen können“, betont der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Der Duisburger Logistik-Dienstleister HGK Shipping teilte mit, größere Schiffe könnten aufgrund ihres gewöhnlichen Tiefgangs an bestimmten Stellen am Oberrhein nicht mehr fahren. Die Ladung, die sonst ein Frachter transportiere, müsse wasserstandabhängig auf immer mehr Binnenschiffe verteilt werden. „Hierzu fehlen allerdings aktuell die Kapazitäten“, berichtete Firmenchef Bauer. Vor allem Autofahrer in Süddeutschland bekommen die Folgen des Niedrigwassers beim Tanken im Portemonnaie zu spüren. Nach einer Marktuntersuchung des Bundeskartellamts mussten sie nicht zuletzt wegen der durch das Niedrigwasser gestiegenen Transportkosten schon Anfang August deutlich tiefer für Benzin und Diesel in die Tasche greifen als Autofahrer im Bundesdurchschnitt. Für Probleme sorgt das Niedrigwasser aber auch bei der Versorgung von Kraftwerken mit Kohle – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Meiler wegen des Ukrainekrieges Gaskraftwerke ersetzen sollen. Schon in der ersten Augustwoche kündigte der Energieversorger Uniper an, die Stromproduktion in seinem Kraftwerk Staudinger 5 im hessischen Großkrotzenburg möglicherweise wegen mangelnden Nachschubs drosseln zu müssen. Eine Rechtsverordnung soll nun im Schienenverkehr Transporten von Öl, Gas, Kohle und Transformatoren vorübergehend Vorrang geben. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)  


Interview 
  
Wolf: „Man friert bei 18 Grad nicht“ 
Gesamtmetall-Präsident Wolf fürchtet einen harten Winter für Deutschland. Im Interview mit der Welt am Sonntag fordert er kältere Büros, eine Nullrunde für Arbeitnehmer und bereitet die Deutschen auf Wohlstandverluste vor. Auch der Bau neuer Atomkraftwerke steht auf seiner Wunschliste. Wolf erlebt die Folgen der Energiekrise in seinem Unternehmen jeden Tag: Auf 600 Grad heizen sie die Öfen bei ElringKlinger. Der Autozulieferer behandelt bei diesen Temperaturen einige seiner Metallteile und braucht dafür vor allem eines: viel Gas. Und das wird immer teurer. Für Wolf, der nicht nur Chef von ElringKlinger ist, sondern als Präsident von Gesamtmetall für alle Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie spricht, steht fest, dass harte Zeiten auf Deutschland zukommen. Um sich dafür zu wappnen, fordert er von der Politik Veränderungen, die vor allem den Arbeitnehmern mehr zumuten: Rente mit 70, eine geänderte Gasverteilung im Notfall zugunsten der Industrie und deutlich weniger geheizte Büros. Lohnerhöhungen soll es trotz der hohen Inflation nicht geben. 
  
WELT: Herr Wolf, Deutschland befindet sich in einer Energiekrise, wie groß ist Ihre Angst, dass wir im Winter zu wenig Gas haben werden? 
Wolf: Die Sorge ist sehr groß. Die Gaslieferungen aus Russland wurden ja schon reduziert. Putin ist ein Stratege, der wird das Gas weiter drosseln, wenn es uns im Herbst und Winter härter trifft. 
  
WELT: Wie sparen Sie in der Metall- und Elektroindustrie jetzt schon Energie?
Wolf: Wir sparen, wo es geht und überlegen, wie wir im Herbst noch mehr sparen können. Wenn wir es geschickt machen, können wir etwa zehn Prozent unseres Verbrauchs einsparen. Es gibt aber Bereiche, in denen kann man nicht von heute auf morgen auf andere Energieträger umstellen. Wir sind in unserer Industrie schon sehr abhängig vom Gas. 
  
WELT: Wo können Sie konkret sparen? 
Wolf: Wir versuchen, die Temperatur in den Büros abzusenken, aber da gibt es die Arbeitsstättenverordnung, die uns vorschreibt, dass wir nicht unter 20 Grad gehen dürfen. Man könnte auch bei 18 Grad mit einem Pullover mehr arbeiten. Dafür muss die Politik jetzt aber schnell die Arbeitsstättenverordnung ändern. 
  
WELT: Im Notfall soll die Bundesnetzagentur entscheiden, wer noch Gas bekommt und wer nicht. Halten Sie das für richtig? 
Wolf: Sie hat nun mal diese Aufgabe, und für die Verteilung gibt es auch Regeln: Es gibt Gaskunden erster und zweiter Klasse. Wir als Industrie sind Kunden zweiter Klasse, wir kommen ganz am Ende der Nahrungskette. Der Gesetzgeber muss der Bundesnetzagentur Richtlinien geben, damit sie das Gas anders verteilen und die Industrie am Laufen halten kann. Daran hängen sehr, sehr viele Arbeitsplätze. 
  
WELT: Das hieße: frieren für Arbeitsplätze. Halten Sie das für vermittelbar? 
Wolf: Man friert bei 18 Grad nicht. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die haben ganz andere Temperaturen auszuhalten im Winter. Unser Wohlstandsniveau halten wir nur mit einer guten und ausgelasteten Industrieproduktion. Die Metall- und Elektroindustrie ist das Rückgrat des Wohlstands in diesem Land. Wenn wir hart getroffen werden, trifft das auch die Menschen. 
  
WELT: Wie viel Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, wenn Ihre Industrie nicht mehr genug Gas bekommt? 
Wolf: Das ist schwer zu sagen. Wenn es zu massiven Einschränkungen käme, würden mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze zur Disposition stehen. 
  
WELT: Könnte man diese Arbeitsplätze mit Kurzarbeit retten? 
Wolf: In unserer Industrie gibt es viele Betriebe, denen es nicht gut geht. Wir haben extrem gestiegene Materialkosten, Strom und Gas haben sich massiv verteuert, wir haben Störungen in der Lieferkette, den Halbleitermangel, die Rahmenbedingungen sind jetzt schon so schwierig, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass diese Unternehmen einen Gasmangel überleben können. Ich rechne in diesem Fall mit einer massiven Insolvenzwelle. Dann bringt die Kurzarbeit auch nichts, dann sind die Arbeitsplätze weg. 
  
WELT: Muss der Staat einspringen und die Unternehmen retten? 
Wolf: An der einen oder anderen Stelle wird er das tun müssen, weil es in der Lieferkette um systemrelevante Unternehmen geht. Auch Kunden dieser Unternehmen müssen sich überlegen, ob sie einspringen und helfen. Die Lage in der Automobilindustrie ist schon durch den Halbleitermangel und den Ukraine-Krieg schwierig, wenn jetzt noch Zulieferer ausfallen, haben wir ein richtig großes Problem. 
  
WELT: Politisch werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, um den Gasmangel noch abzuwenden oder zumindest abzudämpfen. Müssen die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert werden? 
Wolf: Hundertprozentig! 15 Prozent unseres Gases wird zur Stromerzeugung genutzt, das macht doch überhaupt keinen Sinn. Wenn wir die Atomkraft nutzen, um Strom zu produzieren, können wir Gas einsparen. Darüber hinaus brauchen wir neue, kompakte Atomkraftwerke, weil der Strombedarf in Zukunft steigen wird. Wenn wir alle elektrisch fahren wollen, haben wir einen massiven zusätzlichen Strombedarf, der nicht nur aus regenerativen Energien gedeckt werden kann. Die EU hat Atomkraft als grüne Energie eingestuft, und wir sollten uns nicht wieder abhängig machen von anderen Staaten, indem wir den Atomstrom teuer aus Frankreich oder anderen Ländern einkaufen.
  
WELT: Bislang spüren wir die Energiekrise vor allem durch höhere Preise. Wie hart trifft das die Unternehmen Ihrer Branche?
Wolf: Wir haben enorme Kostensteigerungen von 15 bis 20 Prozent. Das können viele Unternehmen nicht einfach eins zu eins an ihre Kunden weitergeben. Wir sehen da auch keine Entspannung – im Gegenteil. Durch die Gasumlage werden die Preise weiter steigen. In der Energiebranche sollte man prüfen, ob man nicht effizienter werden kann, sodass die Preissteigerungen nicht einfach per Umlage an die Kunden weitergegeben werden müssen. 
  
WELT: Die gestiegenen Energiekosten treffen auch die Arbeitnehmer, die Inflation wird in diesem Jahr inzwischen auf bis zu 7,9 Prozent geschätzt. Die IG Metall fordert acht Prozent mehr Lohn, ist das dann nicht sogar eine moderate Forderung? 
Wolf: Die Forderung fällt völlig aus der Zeit und zeugt von einer gewissen Weltfremdheit. Das Lohnniveau ist in der Metall- und Elektroindustrie schon extrem hoch, wir haben hier in Baden-Württemberg ein Durchschnittseinkommen über alle Tarifgruppen hinweg von 72.000 Euro. Das kann halt nicht immer noch weiterwachsen – schon gar nicht in dieser Lage. 
  
WELT: Wie viel Prozent wollen Sie denn anbieten? 
Wolf: Wenn wir im Herbst in eine Gasmangellage kommen, fällt das genau in unsere Tarifrunde. Dann wird es nicht möglich sein, die Firmen der Metall- und Elektroindustrie mit Lohnerhöhungen weiter zu belasten. Die IG Metall verletzt auch ihre eigene Logik: Bei null Prozent Inflation hat sie auch zwei Prozent als Inflationsausgleich gefordert, angeblich um die Zielinflation von zwei Prozent zu erreichen. Wenn die tatsächliche Inflation nun höher liegt, dann müsste sie logischerweise weniger fordern. 
  
WELT: Sie wollen wirklich eine Nullrunde durchsetzen, und Ihre Mitarbeiter müssen ihre höheren Kosten allein tragen? 
Wolf: In einer Gasmangellage hätten wir kein Wachstum, das man verteilen könnte. Die große Mehrheit der Menschen, mit denen ich spreche, sagt: Der Arbeitsplatz ist das Wichtigste. Für uns alle wird alles teurer – für Mitarbeiter und Unternehmen. Einen Teil davon müssen die Mitarbeiter selbst tragen. Jetzt geht es erst mal darum, den Großteil der Unternehmen durch diese Krise zu führen, so dass wir auch langfristig eine erfolgreiche Industrienation sind. 
  
WELT: In anderen Branchen gibt es hohe Abschlüsse. Das Lufthansa-Bodenpersonal etwa bekommt bis zu 19 Prozent mehr. Ökonomen warnen vor einer Lohn-Preis-Spirale. 
Wolf: Ich teile die Angst. Drohende Preisexplosionen sind ein zweites Argument gegen höhere Löhne. 
  
WELT: Was ist eigentlich mit der Konzertierten Aktion der Bundesregierung, die genau das verhindern soll? Ist sie gescheitert? 
Wolf: Sie ist ja noch im Gange und wird im September fortgesetzt. Jedenfalls werden viele Menschen aus allen Wolken fallen, wenn bald die Nebenkostenabrechnung kommt. Deshalb ist die Konzertierte Aktion wichtig. Ich teile die Ansicht von Bundeskanzler Scholz, dass steuer- und sozialabgabenfreie Einmalzahlungen der richtige Weg sind, um Arbeitnehmer zu entlasten. Denn dann kommt das Brutto direkt an. 
  
WELT: Eine andere Entlastung, die Finanzminister Lindner plant, ist die Abmilderung der kalten Progression. Was halten Sie davon? 
Wolf: Für mich ist schon lange klar, dass sie abgeschafft gehört. Schon in der Vergangenheit haben Menschen von Gehaltserhöhungen kaum profitiert, weil sie in die nächste Progressionsstufe gerutscht sind. 
  
WELT: Auch das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt sollen derzeit die Menschen entlasten und dämpfen zusätzlich die Inflation. Sollten diese Maßnahmen verlängert werden? 
Wolf: Beides schafft nur kurzfristig Entlastungen. Das 9-Euro-Ticket ist schön, aber es löst nicht die großen Probleme des Landes.
  
WELT: Also sollte beides auslaufen?
Wolf: Den Tankrabatt zu verlängern, halte ich für sinnvoll. Auch eine dauerhafte Senkung der Mineralölsteuer würde helfen – der Effekt für Verbraucher wäre der gleiche. Gerade in der Metallindustrie gibt es viele Pendler, sie treffen die hohen Spritpreise dramatisch. Auf die Wochenendfahrt von Bad Urach an den Tegernsee kann man verzichten, aber beim Weg zur Arbeit bleibt keine Wahl. Die Bundesregierung muss beim Sprit weiterhin für Entlastungen sorgen. 
  
WELT: Teile der Ampel fordern eine Übergewinnsteuer, um die Entlastungen zu finanzieren. Halten Sie eine solche Steuer für umsetzbar? 
Wolf: Nein, damit würde man zum Teil nur Einmaleffekte besteuern. Ein Beispiel aus der Metallindustrie: Wegen der Chipkrise werden derzeit mehr große Fahrzeuge produziert, mit denen die Unternehmen mehr Gewinn machen. Das ist aber eine Ausnahmesituation, die sich wieder ändern wird. Bei denen mehr abzuschöpfen, die derzeit noch ganz gut verdienen, ist der falschen Weg. 
  
WELT: Die Sorge in der Politik vor Massenprotesten durch die Energiekrise ist groß. Teilen Sie die Befürchtungen?
Wolf: Fest steht, es gibt Menschen, die auf die Straße gehen werden. Die Frage ist, wie man sie anspricht – eben nicht, indem man hier und da etwas verteilt. Den Menschen muss klar werden: Es beginnt eine Zeitenwende – auch im Privaten. Der Wohlstandsverlust wird kommen, und er wird nicht über staatliche Mittel ausgeglichen werden können. 
  
WELT: Ihrer Ansicht nach müssen sich viele Deutsche damit abfinden, künftig nicht mehr in den Urlaub fahren zu können?
Wolf: Wir alle werden den Gürtel enger schnallen müssen.
  
WELT: Gleichzeitig fordern Sie auch noch die Rente mit 70. Kommt diese Diskussion nicht zur Unzeit, wenn ohnehin viele Menschen Wohlstandsverluste zu verkraften haben? 
Wolf: Die Rentenkassen sind massiv belastet – jetzt sind sie ziemlich leer. Der Generationenvertag wird so nicht mehr funktionieren. 
  
WELT: In Ihren Betrieben müssen viele Arbeiter schleppen, mit den Händen über dem Kopf arbeiten und sind Lärm und Giftstoffen ausgesetzt. Und das soll man bis 70 machen?
Wolf: In einigen Bereichen ist das Arbeiten bis 70 problemlos möglich. Anderswo wird es wegen der starken Belastung schwierig: Ein Straßenbauer wird nicht bis 70 arbeiten, sondern andere Tätigkeiten übernehmen. Wir werden eine hohe Zahl an Arbeitskräften verlieren, wenn in den nächsten Jahren die Babyboomer in Rente gehen. Die Politik muss ein solides Finanzierungsmodell entwickeln, das zumindest eine Grundrente garantiert. Den Jungen in meiner Firma sage ich immer: Baut euch etwas auf, sorgt privat fürs Alter vor. 
  
WELT: Wie soll das zusammenpassen? Nullrunde und Wohlstandsverlust, aber die Leute sollen fürs Alter sparen? 
Wolf: Wir erleben gerade eine nie dagewesene Krise. Aber wir werden da auch wieder rauskommen, 2025 oder vielleicht schon 2024, wenn es gut läuft. Dann wird es auch wieder etwas zu verteilen geben.
  
WELT: Ihre Branche klagt wie viele andere über Fachkräftemangel. Wie wollen Sie mit all diesen miesen Aussichten neue Arbeitskräfte gewinnen? 
Wolf: Zunächst müssen wir uns darum kümmern, Menschen besser auszubilden. Das Land hat zu viele junge Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildung. Außerdem brauchen wir mehr Fachkräfte von außen. Menschen, die zu uns kommen wollen und qualifiziert sind, müssen sich darauf verlassen können, bleiben zu dürfen, statt alle zwei Jahre ihre Aufenthaltsgenehmigungen neu zu beantragen. In den nächsten zehn Jahren werden wir allein in der Metall- und Elektroindustrie massiv Zuwanderer brauchen.
  
WELT: Kann das geplante Bürgergeld helfen, neue Arbeitskräfte zu gewinnen? 
Wolf: Das Bürgergeld wird das Problem des Mangels nicht lösen. Ich drücke es mal so aus: Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die ein eher ambivalentes Verhältnis zur Arbeit haben. Wenn sie nun mit einer Grundversorgung ausgestattet werden und keine Sanktionen zu befürchten haben, wenn sie angebotene Stellen nicht annehmen, gibt es keinerlei Motivation mehr, sich in die Arbeitswelt einzugliedern. 
  
WELT: Sie zeichnen ein pessimistisches Bild, überall Krisen und Probleme. Was ist Ihre Perspektive, wann es aufwärts geht? 
Wolf: Auch 2023 wird schwierig werden. Es hängt aber auch davon ab, wie sich China verhält. Die Zero-Covid-Politik hat uns hart getroffen. Wenn Corona durch und der unsägliche Krieg in der Ukraine zu Ende ist, folgt eine Wachstumsphase. Ich erwarte, dass es ab 2024 Wachstumszahlen gibt. 
(Quelle: M+E-Newsletter Gesamtmetall)