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VSU-Schlagzeilen 15.01.2021

Ford stoppt die Produktion in Saarlouis /Rehlinger setzt auf Homeoffice-Gipfel / Hans schließt Verschärfung der Maßnahmen nicht aus / Wolf: Forderung der IG Metall fällt aus der Zeit / Dank aufgestockter Förderprämie Rekordzahlen bei E-Autos

Saarland
Ford stoppt die Produktion in Saarlouis
Rehlinger setzt auf Homeoffice-Gipfel
Hans schließt Verschärfung der Maßnahmen nicht aus

Tarifpolitik
Wolf: Forderung der IG Metall fällt aus der Zeit
 
Arbeitswelt
Vorstoß aus Union zu mehr Homeoffice mit Vorgaben für Firmen
 
Konjunktur
Branche: Automarkt verliert in Russland weniger stark als in Westeuropa
 
Wirtschaftspolitik
Berichte: Politik drängt auf weitere Lockdown-Verschärfung
Dank aufgestockter Förderprämie Rekordzahlen bei E-Autos
USA lockern gewisse Sicherheitsstandards für autonome Frachtfahrzeuge
 
Energiepolitik
Bund ermöglicht europaweite Wasserstoff-Förderung
 
Interview
Wolf: Bis zu sieben Prozent Wachstum, aber nichts zu verteilen (Neue Osnabrücker Zeitung)
 


Saarland

Ford stoppt die Produktion in Saarlouis
Das Ford-Werk in Saarlouis stoppt die Produktion. Ab Montag sollen die Bänder stillstehen, Darüber hat die Unternehmensleitung die Belegschaft informiert. „Aufgrund von Lieferengpässen bei der Versorgung der Automobilindustrie mit Halbleiterbauteilen und aufgrund der gesunkenen Kundennachfrage in Folge der COVID-Krise bestätigen wir, dass die Produktion in unserem Werk in Saarlouis vom 18. Januar bis 19. Februar vorübergehend pausieren wird“, teilte das Unternehmen mit. „Dies betrifft die Produktion des Ford Focus, den unser Team in Saarlouis für alle europäischen Märkte produziert. Für den Wiederanlauf der Produktion werden wir kundenbestellte Fahrzeuge priorisieren. Wir beobachten die Situation sehr genau, passen die Produktionsplanungen entsprechend an und arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen auf unsere Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und Händler in ganz Europa zu minimieren. Derzeit rechnen wir nicht mit weiteren vorübergehenden Produktionsstillständen in anderen europäischen Werken.“ (Quelle: Ford)  

Rehlinger setzt auf Homeoffice-Gipfel
Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) drängt auf mehr Möglichkeiten zur Heimarbeit. Deshalb plant das Ministerium kommende Woche Mittwoch einen sogenannten Homeoffice-Gipfel mit Verbänden, Kammern, Unternehmen und Gewerkschaften. Das saarländische Wirtschaftsministerium hat zu einem Gipfel rund um das Thema Homeoffice aufgerufen. Während in vielen Lebensbereichen harte Regeln gelten, sehe es in manchen Großraumbüros so wie immer aus, so Wirtschaftsministerin Rehlinger (SPD). Deshalb, aber auch sicher angesichts der Debatten der vergangenen Tage, soll es bei dem Gipfel in der nächsten Woche auch um eine Bestandsaufnahme gehen. Niemand solle an den Pranger gestellt werden, aber es gebe noch deutlich Luft nach oben beim mobilen Arbeiten. Deshalb müsse man klären, warum das noch nicht überall möglich ist. (Quelle: SR)

Hans schließt Verschärfung der Maßnahmen nicht aus
Angesichts hoher Infektionszahlen und der Ausbreitung gefährlicher Virus-Mutationen schließt Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) eine Verschärfung der bisherigen Corona-Maßnahmen nicht aus. Der Regierungschef will allerdings noch einige Tage abwarten, bis auch die Auswirkungen der Feiertage auf die Infektionszahlen deutlich würden. Dann jedoch sollten rasche Bund-Länder-Gespräche stattfinden, bei denen es „keine Denk- oder Diskussionsverbote“ geben dürfe. Derweil kündigte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend an, schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten zu wollen. Hans sagte der SZ, schärfere Maßnahmen ergäben nur Sinn, „wenn sich diese auch auf andere Bereiche beziehen“. Hier nannte er die Wirtschaft, wo es „Nachholbedarf“ in Sachen Homeoffice gebe. „Nach wie vor entstehen an den Arbeitsplätzen noch zu viele ungeschützte Kontakte“, sagte Hans. (Quelle: Saarbrücker Zeitung)


Tarifpolitik
 
Wolf: Forderung der IG Metall fällt aus der Zeit
Die M+E-Industrie geht nach den Worten von Gesamtmetall-Präsident Wolf nach derzeitiger Prognose von einem Wachstum um 5 bis 7 Prozent im neuen Jahr aus. Dennoch gebe es in der Branche nichts zu verteilen, betonte Wolf mit Blick auf die M+E-Tarifverhandlungen, die in der kommenden Woche in die zweite Runde gehen. Er betonte: "Wenn wir 5, 6, 7 Prozent wachsen würden in 2021, dann haben wir die 16 Prozent, die wir 2020 verloren haben, und die 5 Prozent, die wir schon 2019 verloren haben, natürlich noch lange nicht wieder wettgemacht." Bis diese Umsatzrückgänge ausgeglichen seien, "sind wir wahrscheinlich im Jahr 2023, vielleicht sogar im Jahr 2024". Die IG-Metall-Forderung nach tariflichen Verbesserungen im Volumen von 4 Prozent falle völlig aus der Zeit, sagte Wolf und betonte: "Unternehmen, die im Durchschnitt 16 Prozent und in der Spitze sogar 30 Prozent Umsatz verloren haben, können bei den Personalkosten nichts drauflegen im laufenden und wahrscheinlich auch nicht im kommenden Jahr. Das liegt auf der Hand." Wolf forderte stattdessen "Kostenneutralität" und sehr viel mehr individuelle Möglichkeiten, um vom Flächentarifvertrag abweichen zu können, da die Betriebe so unterschiedlich strukturiert seien. "Wenn wir uns da verständigen, dann haben wir einen Zukunftstarifvertrag." Streiks befürchtet Wolf angesichts der Corona-Pandemie nicht: "Dafür ist die Lage zu ernst. Die Beschäftigten wollen, dass ihre Jobs erhalten werden, sie wollen auch wieder in den Betrieb kommen. Streiks helfen da nicht. Wenn die Corona-Infektions- und die -Todeszahlen weiter so hoch bleiben wie aktuell, haben die Menschen wirklich andere Sorgen." Im Übrigen dürfe man nicht vergessen, dass in der M+E-Industrie Spitzenlöhne und -gehälter gezahlt würden, so Wolf weiter: "In Baden-Württemberg verdienen die Beschäftigten in der Metall- und Elektro-Industrie im Durchschnitt 65.000 Euro im Jahr. In der obersten tariflichen Entgeltgruppe gibt es 110.000 Euro. Da glaube ich nicht, dass die Menschen in der aktuellen Situation für 4 Prozent auf die Straße gehen wollen." (Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – siehe auch Interview, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 

Arbeitswelt
 
Vorstoß aus Union zu mehr Homeoffice mit Vorgaben für Firmen
Aus der Unions-Bundestagsfraktion kommt ein Vorstoß, bei einer Verschärfung der Corona-Pandemie strengere Vorgaben für Unternehmen zu mehr Homeoffice zu machen. Einem Stufenplan des in der Unionsfraktion zuständigen Berichterstatters Heilmann zufolge sollte etwa bei einer Verschärfung der Corona-Lage je Unternehmen nur noch ein Viertel der Beschäftigten in Büros gehen dürfen. Zunächst aber solle an Firmen appelliert werden, mehr Homeoffice zu ermöglichen, betone Heilmann. Außerdem sei die öffentliche Verwaltung gefordert, wo es bisher zu wenig Homeoffice gebe. In Betrieben wie Industriefabriken, in denen Homeoffice nicht möglich sei, solle es einen gestaffelten Schichtbeginn geben. "Wir wollen mehr Schichtdienste, mehr Teststrategien und mehr Homeoffice", sagte Heilmann. "Aber mit und nicht gegen die Wirtschaft. Wenn wir die gesamte Wirtschaft über Zwangsmaßnahmen abwürgen würden, dann wären die Folgen um ein Vielfaches gravierender als die Nachteile der jetzigen Maßnahmen." (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Konjunktur
 
Branche: Automarkt verliert in Russland weniger stark als in Westeuropa
Der Automarkt in Russland hat sich im Corona-Krisenjahr 2020 mit einem Verkaufsrückgang um 9,1 Prozent im Vergleich zu 2019 besser behauptet als in vielen anderen Ländern. Nach Angaben des europäischen Unternehmerverbands Association of European Businesses (AEB) wurden dort von Januar bis Dezember 1,599 Millionen Neuwagen verkauft. Der Russland-Chef von Porsche, Stärtzel, sagte, dass für dieses Jahr mit einer leichten Besserung der Lage gerechnet werde. Der Markt könne um 2,1 Prozent auf 1,632 Millionen Fahrzeuge wachsen. Damit sind die Hersteller weit von ihrem Ziel entfernt, Russland zum größten Absatzmarkt Europas zu machen. In Westeuropa verkauften die Autohersteller allerdings fast ein Viertel weniger Neuwagen als ein Jahr zuvor. In Deutschland gingen die Verkaufszahlen um 19 Prozent zurück. Voraussetzung für neues Wachstum in Russland sei, dass es keinen neuen Lockdown wegen der Corona-Krise und auch keine neuen Sanktionen des Westens gegen Russland gebe, sagte Stärtzel. Zudem müsse die Förderung seitens der russischen Regierung fortgesetzt werden. Der Chef der BMW Group Russia, Teuchert, meinte, dass Russland dank Digitalisierung vergleichsweise gut durch die Krise komme. Beim Online-Verkauf sei das Land erfolgreicher als andere in Europa: Von der Bestellung bis zur Auslieferung sei "komplett alles online" möglich. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Wirtschaftspolitik
 
Berichte: Politik drängt auf weitere Lockdown-Verschärfung
Deutschland steht Berichten zufolge vor einer womöglich massiven Verschärfung und wochenlangen Verlängerung des Corona-Lockdowns. Nach Informationen aus Regierungskreisen erwägen das Kanzleramt und mehrere Bundesländer, den Öffentlichen Verkehr runterzufahren, um die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. „Das würde nicht nur Busse, U- und S-Bahnen betreffen, sondern auch die Deutsche Bahn“, hieß es. Auch über härtere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit werde diskutiert. Das Bundespresseamt wollte sich hierzu nicht äußern. Bundeskanzlerin Merkel wies allerdings einen Bericht zurück, wonach im Kanzleramt über die komplette Einstellung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs nachgedacht werde. Sie will aber schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Montag oder Dienstag kommender Woche sind im Gespräch. Eine Festlegung gebe es aber noch nicht. Bisher laufen die Lockdown-Maßnahmen bis 31. Januar, sie können gemäß des Infektionsschutzgesetzes immer um maximal vier Wochen verlängert werden. Die in Großbritannien aufgetauchte Variante des Virus verbreite sich viel schneller als die ursprüngliche Form, Wissenschaftler seien in großer Sorge, sagte Merkel den Kreisen zufolge.
Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer rechnet mit Beratungen in der kommenden Woche. „Kindergärten komplett runterfahren, Schulen abschließen, wirklich Betretungsverbote in den Pflegeheimen, wenn kein negativer Schnelltest vorliegt – solche Dinge müssen wir besprechen“, sagte Kretschmer.
Nach den Worten des SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach droht bei anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen die Schließung von Betrieben. "Der Lockdown ist nicht so erfolgreich, wie er sein muss", sagte Lauterbach. Die Unternehmen müssten stärker in den Lockdown einbezogen werden: "Wir sollten das Homeoffice verpflichtend machen – dort, wo es geht." Die Firmen selbst seien gut beraten, ihren Beitrag zu leisten, um den Lockdown erfolgreich zu Ende zu bringen. "Andernfalls können wir irgendwann gezwungen sein, auch Betriebe zu schließen", sagte Lauterbach. "Möglicherweise müssten wir sogar an die Industrieproduktion heran." Das könne niemand wollen.
Der CDU-Wirtschaftsrat warnte vor einer tiefen Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit, sollte der Corona-Lockdown verschärft werden. "Wenn wie im vergangenen Frühjahr die globalen Lieferketten durch einen Lockdown erneut unterbrochen werden, droht eine tiefe Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit", sagte die Präsidentin des Wirtschaftsrats, Hamker: "Vor allem darf Deutschland nicht der Dominostein sein, der zuerst durch irrationale Aktionen kippt. Unsere wertvollen, verbliebenen Industriearbeitsplätze, die einmal verloren sind, kehren nicht mehr zurück." (Quelle: Tagesspiegel, dpa, Reuters, Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Dank aufgestockter Förderprämie Rekordzahlen bei E-Autos
Die zur Jahresmitte aufgestockte staatliche Förderung hat den Verkauf von Elektroautos in Deutschland stark angetrieben. Beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gingen im abgelaufenen Jahr Anträge für 255.039 Fahrzeuge ein, wie die Behörde berichtet. Davon entfielen gut 140.000 auf Batterie-Fahrzeuge und knapp 115.000 auf Plug-In-Hybride mit kombiniertem Elektro/Verbrenner-Antrieb. Kfz mit Wasserstoff-Brennstoffzelle spielten mit 74 Exemplaren so gut wie keine Rolle. In Summe ergeben sich damit für 2020 mehr als drei Mal so viele Elektro-Fahrzeuge wie im Jahr zuvor mit gut 73.000 Stück. Die im vergangenen Jahr ausgezahlte Fördersumme stieg auf mehr als 652 Millionen Euro, fast das Siebenfache der Summe aus 2019. Der aktuelle Gesamtbestand von Elektro-Autos in Deutschland wird vom Kraftfahrtbundesamt auf rund 608.000 Wagen geschätzt. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
USA lockern gewisse Sicherheitsstandards für autonome Frachtfahrzeuge
Die USA lockern gewisse Sicherheitsstandards für autonome Fahrzeuge, die nur Fracht und keine Personen transportieren. So würden die Vorgaben für das Verhalten bei Zusammenstößen geändert, erklärte der Chef der Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit (NHTSA), Owens. Zudem sollen Autobauer bei Passagierfahrzeugen eher auf traditionelle Steuerelemente wie Lenkräder und Bremspedale verzichten können. "Wir wollen nicht, dass Vorschriften, die lange vor der Entwicklung automatisierter Technologien erlassen wurden, ein unbeabsichtigtes und unnötiges Hindernis für Innovation und bessere Fahrzeugsicherheit werden", erklärte Owens. Der Entscheidung waren monatelange Diskussionen vorausgegangen. Auto- und Technologiekonzerne fordern eine Anpassung der Vorschriften, auch um ihre Fahrzeuge billiger herstellen zu können. Einer Schätzung der NHTSA zufolge dürften die Unternehmen durch die neuen Regeln etwa 995 Dollar je Auto einsparen. Dies ergäbe im Jahr 2050 eine Gesamtsumme von 5,8 Milliarden Dollar. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Energiepolitik
 
Bund ermöglicht europaweite Wasserstoff-Förderung
Deutsche Unternehmen können ab sofort Förderanträge für grenzüberschreitende Wasserstoff-Projekte einreichen. Bis zum 19. Februar werden entsprechende Vorhaben-Skizzen angenommen, teilte das Bundesverkehrsministerium mit. Dabei geht es um Förderungen von Technologien zur Herstellung von grünem Wasserstoff, des Infrastruktur-Ausbaus bis hin zur Nutzung von Wasserstoff. Ziel ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Konsortiums, eines sogenannten IPCEI ("Important Projects of Common European Interest"). Projekte können sowohl in den Bereichen Industrie als auch Mobilität beantragt werden, zum Beispiel im Bereich Brennstoffzellen. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Interview
 
Wolf: Bis zu sieben Prozent Wachstum, aber nichts zu verteilen
Die Arbeitgeber gehen für das laufende Jahr von fünf bis sieben Prozent Wachstum in der Metall- und Elektroindustrie aus. Dennoch gibt es in der Branche nichts zu verteilen, so Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf mit Blick auf die Metalltarifverhandlungen, die in der kommenden Woche in die zweite Runde gehen.
NOZ:
Herr Wolf, Sie sehen die Bundesrepublik wieder an dem Punkt wie zu Beginn der 2000er Jahre, als Deutschland als kranker Mann Europas galt. Woran machen Sie das fest?
Wolf:
Das mache ich hauptsächlich an den Arbeitskosten fest. Die Arbeitslosten sind in Deutschland massiv gestiegen. Wir liegen bei fast 45 Euro pro Stunde. Im Vergleich dazu sind Industrieländer wie Frankreich, die USA und Japan deutlich günstiger, China ist es sowieso. Damit sind wir einfach nicht mehr wettbewerbsfähig. Das muss sich dringend wieder ändern. Vieles, was in den vergangenen zehn Jahren Arbeits- und Lohnstückkosten erhöht hat, müssen wir wieder zurückdrehen. Man sollte nicht vergessen: Eine Produktion zum Beispiel nach Frankreich zu verlagern, kostet nicht die Welt. Und dann hat man dort günstigere Bedingungen in Bezug auf die Arbeitskosten, und übrigens auch bei den Energiekosten.
NOZ:
Die Metall- und Elektro-Industrie klagte schon vor der Corona-Krise über eine Wachstumsdelle. Wie steht die Branche aktuell da?
Wolf:
Die Metall- und Elektro-Industrie leidet seit 2019 unter einer Rezession. Schon von 2018 auf 2019 gab es Produktionsrückgänge, im Schnitt um fünf Prozent. 2020 waren es sogar 16 Prozent. Ein Beispiel: Es sind 2018 weltweit 95 Millionen Fahrzeuge gebaut worden, 2019 waren es fünf Millionen weniger. In 2020 ging es – bedingt durch die Corona-Krise - auf ca. 71 Millionen Fahrzeuge zurück. Dementsprechend fehlt es an Umsätzen im Kernbereich unserer Branche.
NOZ:
Wie hat sich das auf die Zahl der Jobs ausgewirkt?
Wolf:
Es sind viele Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Beschäftigung lag im Oktober 2020 mit 3.899.600 Mitarbeitern um 3,4 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Trotzdem ist sehr viel getan worden, um Beschäftigung zu sichern. Denn man darf ja nicht vergessen: Die Umsatzverluste waren mit 16 Prozent deutlich höher.
NOZ:
Wie lautet ihre Wachstumsprognose für 2021?
Wolf:
Ich gehe davon aus, dass die Branche 2021 wieder wachsen wird. Aber wir kommen natürlich von einem niedrigen Niveau. Und wenn wir fünf, sechs, sieben Prozent wachsen würden in 2021 – das ist meine derzeitige Prognose –, dann haben wir die 16 Prozent, die wir 2020 verloren haben, und die fünf Prozent, die wir schon 2019 verloren haben, natürlich noch lange nicht wieder wettgemacht. Bis diese Rückgänge ausgeglichen sein werden, sind wir wahrscheinlich im Jahr 2023, vielleicht sogar im Jahr 2024. Das zeigt sehr deutlich, dass es nichts zu verteilen gibt in unserer Industrie.
NOZ:
Die Metall- und Elektro-Industrie war jahrelang ein starker Jobmotor. Wenn sie wieder auf Touren kommt, wird es dann auch wieder mehr Arbeitsstellen geben?
Wolf:
Ich glaube, dass wir eher einen Rückgang der Beschäftigung bekommen in den nächsten Jahren. Wir sind in einer dramatischen Transformationsphase, vor allem in der Automobil- und Zulieferindustrie, die sich umstellen muss auf alternative Antriebe. Dieser tiefgreifende Strukturwandel wird zurzeit überdeckt durch die Corona-Krise, aber trotzdem sind diese Themen natürlich noch da. In dieser Transformation werden wir neue Arbeitsplätze schaffen, etwa in der Entwicklung. Aber in der klassischen Produktion wird es weniger Stellen geben. So ein Verbrennungsmotor hat 3.500 Teile, ein Elektromotor und eine Batterie haben maximal 500 Teile. In der Summe fallen also Stellen weg.
NOZ:
Wie weit ist die Transformation denn fortgeschritten? Ist die Metall- und Elektro-Industrie inzwischen auf einem guten Weg?
Wolf:
Wir waren und sind führend bei den Verbrennungsmotoren. Und wir haben mittlerweile auch bei den alternativen Antriebskonzepten eine führende Position. Es ist entscheidend, dass sich bei der Elektromobilität jetzt auch andere einbringen, die Energieversorger zum Beispiel beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Außerdem muss eine Versorgung mit Wasserstoff aufgebaut werden für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle, denn wir werden in großem Umfang solche Autos bekommen.
NOZ:
Dass die deutschen Autoproduzenten neue Entwicklungen verschlafen, ist also Schnee von gestern…
Wolf:
Natürlich sind in der Automobil- und Zulieferindustrie Fehler gemacht worden. Aber ich schaffe diese Fehler nicht aus der Welt, indem ich nach hinten schaue. Wir müssen stattdessen nach vorne schauen. Und ich glaube, dass wir sehr gute Chancen haben, unsere Industrie weltweit an führender Stelle zu positionieren.
NOZ:
Die Abgasgrenzwerte für Verbrennungsmotoren sollen in der EU mit der Euro-7-Norm nochmals verschärft werden. Kritiker sprechen von einer „Kriegserklärung“ an Benziner und Diesel. Was kommt da auf Betriebe und Beschäftigte zu?
Wolf:
Ich halte es für einen großen Fehler, was da gerade passiert. Wenn man den Verbrennungsmotor verbieten möchte, dann soll man das offen und ehrlich sagen und es nicht intransparent über technische Vorgaben versuchen. Die politische Frage, die sich stellt, ist nun: Will man unsere Industrie noch in Europa? Das betrifft eine Reihe von Ländern wie Spanien, Frankreich. Italien, Polen, die Slowakei, Rumänien und an vorderster Stelle Deutschland. Wenn die Euro-7-Abgasnorm im Jahr 2025 kommt, dann muss sich die EU im Klaren sein, dass sie der Metall- und Elektro-Industrie in Europa das Rückgrat bricht und es dann auch keine entsprechende Wertschöpfung mehr gibt. Denn ich glaube nicht, dass die Verbraucher reine Elektroautos in einem so starken Maß akzeptieren, dass wir den Wegfall des Verbrennungsmotors damit ausgleichen könnten.
NOZ:
Die IG Metall fordert in der laufenden Tarifrunde Verbesserungen im Volumen von vier Prozent. Sie halten dagegen, es sei nichts zu verteilen. Wie soll da ein Kompromiss gelingen?
Wolf:
Die Frage stelle ich mir auch. Ich hoffe, dass die IG Metall angesichts der verschärften Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise vielleicht mal in sich geht. Viele Betriebe in anderen Branchen werden es nicht schaffen. Da sollten wir wenigstens unsere Industrie gut durch diese Krise führen. Die IG Metall muss sich deshalb dringend die Zahlen anschauen. Und dann wird sie sehen: Da gibt es nichts zu verteilen. Unternehmen, die im Durchschnitt 16 Prozent und in der Spitze sogar 30 Prozent Umsatz verloren haben, können bei den Personalkosten nichts drauflegen im laufenden und wahrscheinlich auch nicht im kommenden Jahr. Das liegt auf der Hand. Die Forderung der IG Metall fällt völlig aus der Zeit. Aber auf der anderen Seite ist uns am Ende noch jedes Mal ein Kompromiss gelungen.
NOZ:
Zukunftstarifverträge sollen Investitionen, Standorte, Beschäftigung und Qualifizierung sichern, so die IG Metall. Wie müsste aus Ihrer Sicht solch ein Vertrag aussehen?
Wolf:
Wir brauchen nicht nur Kostenneutralität, wir brauchen auch sehr viel mehr individuelle Möglichkeiten, um vom Flächentarifvertrag abweichen zu können, da die Betriebe so unterschiedlich strukturiert sind. Wenn wir uns da verständigen, dann haben wir einen Zukunftstarifvertrag.
NOZ:
Da haben Sie mit der IG Metall einen harten Verhandlungspartner…
Wolf:
Die Verhandlungen in den Betrieben sollten nicht Gewerkschaften führen, sondern Betriebsräte, die die Lage vor Ort am besten kennen. Warum die IG Metall da immer mit am Tisch sitzen muss, erschließt sich mir nicht. Es braucht außerdem automatische Anpassungen der Tarife, wenn bestimmte Kennzahlen zutreffen. So kommt man schnell zu pragmatischen Lösungen, die Jobs und Unternehmen sichern, objektiv und transparent.
NOZ:
Die Beschäftigten wollen aber keine zweite Nullrunde akzeptieren, so die IG Metall. Und Gesamtmetall fordert eine Minusrunde. Drohen trotz der Corona-Krise am Ende Streiks in der Metall- und Elektro-Industrie?
Wolf:
Dafür ist die Lage zu ernst. Die Beschäftigten wollen, dass ihre Jobs erhalten werden, sie wollen auch wieder in den Betrieb kommen. Streiks helfen da nicht. Wenn die Corona-Infektions- und die Todeszahlen weiter so hoch bleiben wie aktuell, haben die Menschen wirklich andere Sorgen.
NOZ:
Mehr Geld ist aber doch immer willkommen…
Wolf:
Grundsätzlich ja, man darf aber auch nicht vergessen: Wir zahlen Spitzenlöhne und -gehälter. In Baden-Württemberg verdienen die Beschäftigten in der Metall- und Elektro-Industrie im Durchschnitt 65.000 Euro im Jahr. In der obersten tariflichen Entgeltgruppe gibt es 110.000 Euro. Da glaube ich nicht, dass die Menschen in der aktuellen Situation für vier Prozent auf die Straße gehen wollen.
NOZ:
Bleiben wir beim Geld. Wie soll all das Geld, das aktuell als Hilfe in der Corona-Krise ausgegeben wird, wieder reinkommen? Befürchten Sie Steuererhöhungen?
Wolf:
Steuererhöhungen sind der falsche Weg. Sie würden die Konjunktur bremsen. Stattdessen müssen wir auf Wachstum, Wertschöpfung und Beschäftigung setzen. Dazu braucht es die richtigen Standortbedingungen. Der Aufschwung nach der Krise gelingt nur, wenn es keine zusätzlichen Belastungen gibt, seien es Steuern oder noch mehr Bürokratie. Und natürlich müssen auch die Arbeitskosten im Rahmen bleiben. Wir müssen aus der Krise wachsen.
(Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung / Interview: Uwe Westdörp, M+E-Newsletter Gesamtmetall)