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VSU-Schlagzeilen 19.05.2021

Tarifauftakt im saarländischen Einzelhandel / Saar-Uni eröffnet Zentrum für Recht und Digitalisierung / Magna Exterior in Neuweiler wird verkauft / Saarpfalzkreis kehrt zu Saarland-Modell zurück, Frankreich lockert / Dulger: Deutschland muss dringend schneller und einfacher werden

Saarland/Region 
Tarifauftakt im saarländischen Einzelhandel 
Saar-Uni eröffnet Zentrum für Recht und Digitalisierung 
Magna Exterior in Neuweiler wird verkauft  
Saarpfalzkreis kehrt zu Saarland-Modell zurück, Frankreich lockert 

Arbeitswelt 
Streit um Arbeitsratsvorschläge 
Trotz Pandemie 2020 fast 1,7 Milliarden Überstunden geleistet 
VDMA: Betriebsärzte zeitnah in Impfkampagne einbinden 
  
Konjunktur 
ISM: US-Einkaufsmanager erwarten Fortsetzung der Erholung 
  
Wirtschaftspolitik 
Koalition streicht Lieferkettengesetz von Tagesordnung 
Dulger: Deutschland muss dringend schneller und einfacher werden 
Bardt: Deutschland steht vor einem Modernisierungsjahrzehnt 
  
Sozialpolitik 
Prognos-Gutachten: Pandemie macht Sozialbeiträge teurer 
  
Interview 
Zander: Arbeitgeber lassen im Streit um Lieferketten nicht locker (Neue Osnabrücker Zeitung) 
  
  

Saarland/Region 

Tarifauftakt im saarländischen Einzelhandel 
Die erste Runde der Tarifverhandlung 2021 für die Beschäftigten des saarländischen Einzelhandels fand gestern als Videomeeting statt. Nach Angaben des Saarländischen Einzelhandelsverbandes fand sie in konstruktiver Atmosphäre statt. Nach intensiven Gesprächen wurde die Verhandlung ergebnislos auf den 21. Juni 2021 vertagt. (Quelle: Handelsverband Saarland)   

Saar-Uni eröffnet Zentrum für Recht und Digitalisierung 
Ein neues Zentrum an der Universität des Saarlandes will Wissenschaft und Praxis an der Schnittstelle von Recht und Informatik vernetzen. Ziel des „Saarbrücker Zentrums für Recht und Digitalisierung“, kurz ZRD Saar, ist es, aktuelle Fragen, die sich beim digitalen Wandel in der Praxis stellen, zu erforschen, bestehende Forschung sichtbar zu machen und neue Projekte anzustoßen. Vor allem auch junge Menschen will das Zentrum für solche Rechtsfragen sensibilisieren. Hierzu bringt es Expertinnen und Experten mit Studierenden ins Gespräch. Zudem soll das ZRD Saar die Aus- und Fortbildung auf diesem Gebiet vorantreiben.„Wollen wir die Vorteile der digitalen Welt nutzen, ist es unerlässlich, dass das Recht mit der technischen Entwicklung Schritt hält. Gerade auch in der digitalen Gesellschaft benötigen wir einen rechtlichen Rahmen, der technische Neuentwicklungen mit unserer Gesellschaft in Einklang bringt“, sagt Jura-Professor Stephan Weth, er ist Vorstandsvorsitzender des neuen Saarbrücker Zentrums für Recht und Digitalisierung. Das Zentrum will dazu beitragen, dass das Recht die technische Entwicklung begleitet und nicht von ihr abgehängt wird. Über eigene Projekte hinaus will das Zentrum die bestehende Forschung auf diesen Gebieten sichtbar machen, sie vernetzen und auch neue Projekte anstoßen. (Quelle: Universität des Saarlandes) 

Magna Exterior in Neuweiler wird verkauft  
Der Standort des Automobilzulieferers Magna Exteriors in Sulzbach Neuweiler wird verkauft. Darüber hat das Unternehmen am Dienstag die 480 Beschäftigten informiert. Übernehmer ist der Finanzinvestor Mutares mit Sitz in München. Der Finanzinvestor Mutares will das Werk in Sulzbach Neuweiler, sowie die Standorte in Idar-Oberstein und Obertshausen weiterführen. Mutares-Vorstand Johannes Laumann bezeichnete die Übernahme in einer Pressemitteilung als großen Gewinn. Er sieht die Chance auf Wachstum durch den Verkauf von leichten Kunststoffteilen. Magna Exteriors stellt Stoßfänger oder Kühlergrills für die Autoindustrie her. Damit sei der Standort nicht vom Verbrenner abhängig, so Patrick Selzer von der IG Metall Saarbrücken. Allerdings seien die Standorte in den letzten Jahren durch harten Wettbewerb und Preisdruck defizitär gewesen. Die Verträge für den Verkauf von Magna Exteriors sind bereits unterschrieben, vollzogen wird das Geschäft voraussichtlich im dritten Quartal. Von dem Verkauf sind insgesamt 1700 Beschäftigte betroffen. Magna Exteriors macht einen Jahresumsatz von 360 Millionen Euro. Das Unternehmen gehört zur kanadisch-österreichischen Magna Gruppe. Der Konzern hat 168.000 Beschäftigte in 28 Ländern. (Quelle: SR) 

Saarpfalzkreis kehrt zu Saarland-Modell zurück, Frankreich lockert 
Angesichts weiter sinkender Inzidenzzahlen kann ab Freitag auch der Saarpfalzkreis wieder zum Saarland-Modell zurückkehren. Auch im Regionalverband ist abzusehen, dass am Wochenende wieder Öffnungen in Kraft treten. Einzig der Landkreis Saarlouis liegt weiterhin über einer Inzidenz von 100. Auch Frankreich hat seine Beschränkungen seit heute wieder gelockert. Die Gastronomie darf nun die Außenbereiche wieder öffnen, die Ausgangssperre wird gelockert. (Quelle: SR)

  
Arbeitswelt 
  
Streit um Arbeitsratsvorschläge 
Begleitet von verärgerten Arbeitgeber-Reaktionen schlägt der neue Expertenrat der Bundesregierung weitgehende Reformen für den Arbeitsmarkt vor, darunter neue Regeln für mehr Homeoffice, Abschaffen der Minijobs, Aufwerten der Pflege und mehr Weiterbildung. Arbeitsminister Heil sprach sich dafür aus, Deutschland zur "Weiterbildungsrepublik" zu machen. Nach der Corona-Pandemie bestehe die Gefahr eines "tief gespaltenen Arbeitsmarkts", viele Unternehmen suchten dann „händeringend“ Fachkräfte, während viele Menschen den Anschluss zu verlieren drohten, sagte Heil. BDA-Präsident Dulger reagierte verärgert auf die Ergebnisse der Beratungen in dem Rat: "Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich sie A nicht kommentieren möchte, sondern B auch für relativ wertlos halte." Der Rat sehe im Gegensatz zum Arbeitgeberverband großen Regulierungsbedarf in Deutschland. Die Arbeitgebervertreter seien zu Recht aus dem Rat ausgetreten. BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter meinte, Unternehmen und Beschäftigte forderten Freiheiten und Flexibilität ein. Den Gesetzgeber brauche es da nicht. FDP-Arbeitsmarktexperte Vogel sagte, Heil sei die Einbindung der Sozialpartner misslungen. (Quelle: dpa, Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Trotz Pandemie 2020 fast 1,7 Milliarden Überstunden geleistet 
Trotz Pandemie haben die Beschäftigten in Deutschland im vergangenen Jahr 1,67 Milliarden Überstunden geleistet, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Überstunden jedoch gesunken, wie aus IAB-Daten hervorgeht: Damals hatte sie sich auf 1,86 Milliarden summiert. Doch beim Anteil der Überstunden am Arbeitsvolumen hat sich wenig getan. Es betrug 3,2 Prozent. Das waren nur 0,3 Prozentpunkte weniger als im Jahr zuvor. Mehr als die Hälfte der Überstunden (892 Millionen) waren unbezahlt. Während die bezahlten Überstunden im Vergleich zum Vorjahr um 15,4 Prozent abnahmen, waren es bei den unbezahlten Überstunden nur 5,8 Prozent. Den Zahlen zufolge ist der Anteil der Überstunden am Arbeitsvolumen bei Teilzeitbeschäftigten mit 3,6 Prozent höher als bei Vollzeitbeschäftigten mit 3,1 Prozent. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
VDMA: Betriebsärzte zeitnah in Impfkampagne einbinden 
VDMA-Hauptgeschäftsführer Brodtmann begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, Anfang Juni Betriebsärzte in die Impfstrategie einzubinden. „Damit die Kampagne gegen das Corona-Virus weiter Fahrt aufnimmt, muss das Versprechen umgesetzt werden. Dazu ist erforderlich, die Betriebsärzte rechtzeitig mit ausreichend Impfstoff zu versorgen“, betonte Brodtmann: „Besonders wichtig im Sinne einer wirksamen Pandemiebekämpfung ist, dass es den Betriebsärzten selbst überlassen wird, wen sie wann impfen. Sie können am besten beurteilen, wer das größte Risiko einer Ansteckung hat – etwa durch notwendige Geschäftsreisen oder häufige Kundenkontakte. Eine Priorisierung von außen darf es beim Impfen in den Unternehmen nicht geben." (Quelle: VDMA, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
 
Konjunktur
  
ISM: US-Einkaufsmanager erwarten Fortsetzung der Erholung 
Die Einkaufsmanager sowohl des Dienstleistungssektors als auch des verarbeitenden Gewerbes in den USA erwarten, dass die wirtschaftliche Erholung für den Rest des Jahres 2021 anhält. "Die Erwartungen für den Rest des Jahres 2021 haben sich im Vergleich zum Dezember 2020 etwas verstärkt, da die Hoffnung besteht, dass die Pandemie überwunden ist", schreibt das Institute for Supply Management (ISM) in seinem halbjährlichen Wirtschaftsausblick. Sowohl das verarbeitende Gewerbe als auch der Dienstleistungssektor signalisierten Expansion. Für das verarbeitende Gewerbe wird dieses Jahr ein Umsatzwachstum von 7,2 (Dezember: 6,9) Prozent vorausgesagt. Für das Dienstleistungsgewerbe wird ein Umsatzzuwachs von 5,4 (1,6) Prozent in Aussicht gestellt. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Wirtschaftspolitik
  
Koalition streicht Lieferkettengesetz von Tagesordnung 
Die Koalition hat das Lieferkettengesetz von der Tagesordnung des Bundestags gestrichen. In der Anhörung zu dem Gesetzentwurf seien noch Fragen der Unternehmenshaftung aufgeworfen worden, sagte CSU-Landesgruppenchef Dobrindt. Diese würden „jetzt noch inhaltlich bewertet und diskutiert“. Aus Unionskreisen verlautete, dass eine zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen werden müsse. BDA-Präsident Dulger sprach angesichts der geplanten Verpflichtung der Unternehmen, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen, von einer "objektiven Unmöglichkeit". BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter erläuterte, den Unternehmen werde mehr zugetraut als staatlichen Stellen und warnte, es drohe ein Rückgang von Investitionen im Ausland. 
Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Zander drängte auf einen Neustart: "So wie das Lieferkettengesetz jetzt vorliegt, darf es den Bundestag auf keinen Fall verlassen. Das Gesetz schadet mehr, als es nutzt, es überfordert die Unternehmen, gerade im Mittelstand, es ist extrem bürokratisch und auch rechtsstaatlich bedenklich." Zander betonte, er glaube nicht, dass man die Mängel und Konstruktionsfehler in kurzer Zeit korrigieren könne. Sein Appell an den Bundestag und hier besonders an die Union laute deshalb, "diesen Irrsinn zu stoppen". Die Union könne ein solches Gesetz nicht im Bundestag beschließen und gleichzeitig im Wahlkampf Wirtschaftskompetenz behaupten. Firmen könnten gar nicht nachvollziehen, was nun eigentlich verlangt werde, kritisierte Zander. Der Gesetzentwurf nenne Dutzende von völkerrechtlichen Abkommen, Konventionen und andere Rechtsvorschriften. Deren konkrete Auslegung solle aber den Unternehmen überlassen werden, "denn ein genaues Tun oder Unterlassen wird nicht verlangt." Das mache das Gesetz höchst fragwürdig: "Es droht eine völlig uferlose Kriminalisierung von Unternehmen, nur auf Hinweis aus dem Ausland, da sei etwas nicht in Ordnung." Zander warnte zugleich davor, dass sich viele deutsche Firmen aus dem Ausland zurückziehen, weil sie die Haftungsrisiken nicht überblicken könnten. "Sie würden dann Unternehmern aus anderen Ländern – zum Beispiel China – das Feld überlassen. Und ich bezweifele, dass sich dann an der Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern etwas ändert." Die Metall-Arbeitgeber befürchten außerdem eine Abwanderung von Firmen aus der Bundesrepublik. Zander: "Stand heute soll das Gesetz nur gelten für Unternehmen mit einem Hauptsitz in Deutschland. Das heißt: Man kann sich dem Gesetz entziehen, indem man den Firmensitz ins Ausland verlagert. Ich meine, solche Gesetze sollte Deutschland aus eigenem Interesse nicht verabschieden. Es wäre quasi eine Aufforderung, der Bundesrepublik den Rücken zu kehren." (Quelle: dpa, Neue Osnabrücker Zeitung – Zander siehe auch Interview, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
Dulger: Deutschland muss dringend schneller und einfacher werden 
Deutschland muss aus Sicht der Arbeitgeber schneller und einfacher werden und kann sich dabei an den USA und China ein Beispiel nehmen. "Dort geht die Post ab", sagte BDA-Präsident Dulger: "In diesen Ländern verkennt keiner die Bedeutung von Technologie, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum." Die USA und China seien so schneller aus der Corona-Krise gekommen. China nutze deutlich mehr digitale Möglichkeiten, die USA hätten 100 Millionen Menschen in nur drei Monaten geimpft, so Dulger: "Bei uns geht dagegen Datenschutz vor Gesundheitsschutz." Deutschland müsse moderner und dynamischer werden. Es werde im Herbst noch kein glanzvolles Comeback der deutschen Wirtschaft nach der Krise geben. "Das ist absurd", sagte Dulger. Weite Teile der Wirtschaft kämpften mit existenziellen Problemen, in der Staatskasse klafften große Löcher. Gelobt wurde in der Krise die Möglichkeit, Kurzarbeit zu nutzen: "Das hat gut funktioniert." Es gebe aber auch zusätzliche Belastungen, was in einer Krise nicht helfe. Als Beispiele nannte Dulger das Lieferkettengesetz, das Unternehmen in puncto Menschenrechte und Umweltschutz stärker für Zulieferer in die Pflicht nehmen soll, und trotz freiwilliger Initiativen auch die Pflicht, Corona-Tests anbieten zu müssen. "Das belastet uns alles." Die BDA legte mit Blick auf die Ende September anstehende Bundestagswahl einen Forderungskatalog vor. Dulger sagte, es bestehe die Sorge, dass es zu höheren Steuern und Sozialabgaben komme und grundsätzlich mehr Regulierung statt Freiheiten für Unternehmer. Ein Beispiel sei die Flexibilisierung der Arbeitszeit, bei der seit acht Jahren nichts passiere: "Das ist ein Armutszeugnis. Die Arbeitszeitverordnung stammt noch aus der Zeit von Telex und Wählscheibe." Es gehe dabei nicht um die Ausweitung der Arbeitszeit, aber eine flexiblere Verteilung innerhalb der Arbeitswoche. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
  
Bardt: Deutschland steht vor einem Modernisierungsjahrzehnt
Der IW-Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft, Bardt, mahnt im NRW-Wirtschaftsblog zu verstärkten Modernisierungsanstrengungen in Deutschland. Mit der Digitalisierung und den immer strenger werdenden politischen Vorgaben zum Abbau von Treibhausgasemissionen stünden zwei Herausforderungen auf der Tagesordnung, die „schon für sich genommen alle Aufmerksamkeit verlangen“, so Bardt: „Wie gut Digitalisierung und Dekarbonisierung gemeistert werden können, wird zu zeigen sein. Bei der Digitalisierung geht es um den Wettbewerb etablierter Unternehmen mit neuen, digitalen Anbietern; bei der Dekarbonisierung um den Wettbewerb mit immer schärferen Reduktionszielen für die Produktion in Deutschland und der EU.“ Deutschland stehe vor einem Modernisierungsjahrzehnt, so Bardt: „Nur so können eine strukturelle Anpassungskrise vermieden und die Grundlage für zukünftigen industriellen Wohlstand gelegt werden. Modernisierung ist dabei umfassend zu verstehen: Neue Technologien, neue Produktionsprozesse, neue Produkte, neue Qualifikationen, neue Partnerschaften, neue Infrastrukturen, neue Geschäftsmodelle, neue öffentlich-private Kooperation, neue politische Rahmenbedingungen. Sowohl die Industrie als auch der Staat müssen sich grundlegend modernisieren. Entscheidend sind Innovationskraft, Investitionsfähigkeit und Investitionsbereitschaft auf allen Ebenen. Klassische Standortpolitik mit wettbewerbsfähigen Steuersätzen, Energiepreisen und innovationsfreundlichen Regulierungen muss wieder auf die politische Agenda.“ (Quelle: NRW-Wirtschaftsblog, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

  
Sozialpolitik 
  
Prognos-Gutachten: Pandemie macht Sozialbeiträge teurer 
Die Alterung der Gesellschaft wird die Sozialbeiträge bis 2040 von heute unter 40 auf 46 Prozent der Bruttolöhne steigen lassen, geht aus einem neuen Prognos-Gutachten hervor. Dabei führen politische Eingriffe in der Corona-Pandemie zu dauerhaften Zusatzkosten für jene, die die Sozialversicherung finanzieren. Laut Statistischem Bundesamt dürften im Jahr 2040 ein Drittel mehr Bürger über 66 Jahren gut 10 Prozent weniger 20- bis 66-Jährigen gegenüberstehen als heute. Prognos hat für die INSM berechnet, wie gerade wegen der demografischen Entwicklung die Sozialbeiträge steigen: In der Rentenversicherung von heute 18,6 bis 2040 auf 23,5 Prozent. Bei der Krankenkasse von 15,7 (inklusive durchschnittlichem Zusatzbeitrag) auf 17,4 Prozent. Und bei der Pflege von drei auf 3,7 Prozent. Nur die Arbeitslosenbeiträge sinken. Prognos geht dabei von einem realen Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent pro Jahr aus. Der Rückgang an Arbeitnehmern werde teils dadurch kompensiert, dass gerade Teilzeitbeschäftigte künftig mehr arbeiteten. Die Corona-Pandemie hat laut Berechnungen mehrere Folgen. So wird die Wirtschaftsleistung von vor der Krise erst Mitte 2022 wieder erreicht. Dass die Pandemie Umsätze und Jobs vernichtet, erhöht die Sozialbeiträge, die Arbeitnehmer und Firmen zahlen müssen. So steigt der Beitrag zur Arbeitslosenkasse bis 2040 um 0,2 Prozent, weil die Corona-Krise kurz- und mittelfristig zu etwas mehr Arbeitslosigkeit führt. Aktuell sind etwa eine halbe Million Bürger mehr auf Stellensuche. Den größten Effekt haben politische Eingriffe in die Renten wie die Aussetzung des Nachholfaktors bis 2026 ausgesetzt. Die Renten sinken daher dieses Jahr nicht, obwohl die Löhne 2020 um 2 Prozent geschrumpft sind, und diese Schrumpfung wird auch später nicht ausgeglichen. Dass durch die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise die Löhne dieses Jahr besonders stark zunehmen, wirkt sich aber voll auf die Rentenerhöhung aus, die 2022 wohl um etwa 5 Prozent wachsen werden. Dieser Effekt erhöht dauerhaft den Rentenbeitrag, rechnen die Prognos-Forscher vor: Arbeitnehmer und Firmen müssen 2040 deswegen 0,6 Prozent mehr zahlen als ohne Pandemie. Insgesamt treiben Corona-Folgen die Sozialbeiträge um 1,2 Prozent nach oben. Mit 46 Prozent des Bruttolohns lägen die Beiträge zur Sozialversicherung laut Gutachten 2040 deutlich über den 40 Prozent, die Wirtschaftsverbände seit Jahren als Maximum fordern. (Quelle: Süddeutsche Zeitung, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  

Interview 
  
Zander: Arbeitgeber lassen im Streit um Lieferketten nicht locker 
Neue Runde im Streit um das Lieferkettengesetz: Die Koalition hat die Verabschiedung im Bundestag zunächst verschoben. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Zander fordert: "Stoppt diesen Irrsinn." 
NOZ: 
Herr Zander, die Koalition hat im Bundestag das so genannte Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Das Ziel lautet unter anderem: Weniger Kinderarbeit und mehr Umweltschatz in den Ländern der Zulieferer. Da kann man doch nur zustimmen, oder? 
Zander:  
Grundsätzlich ja, Menschenrechte und Umweltschutz sind wichtige Ziele. Aber so, wie das Gesetz jetzt vorliegt, darf es den Bundestag auf keinen Fall verlassen. Das Gesetz schadet mehr als es nutzt, es überfordert die Unternehmen, gerade im Mittelstand, es ist extrem bürokratisch und auch rechtsstaatlich bedenklich. Der Bundestag soll über ein Gesetz mit Straftatbeständen beschließen, ohne im Detail zu wissen, worin genau diese Straftaten bestehen. Ich glaube auch nicht, dass man die Mängel und Konstruktionsfehler in kurzer Zeit korrigiert bekommt. 
NOZ:  
Und daraus folgt? 
Zander:  
Mein Appell an den Bundestag und hier besonders an die CDU/CSU lautet, das Gesetz unverzüglich zu stoppen. Für mich entscheidet sich exemplarisch am Lieferkettengesetz die Frage der Wirtschaftskompetenz der Union. Sie kann ein solches Gesetz nicht im Bundestag beschließen und gleichzeitig im Wahlkampf Wirtschaftskompetenz behaupten. Gerade der Mittelstand wird äußerst skeptisch reagieren. 
NOZ:  
Was genau ist das Problem? 
Zander: 
Zunächst zählt das Gesetz zahlreiche Menschenrechte und Umweltschutzstandards auf,  erklärt dann deren weltweite Durchsetzung in der gesamten Lieferkette für deutsche Unternehmen zur Pflicht und schafft schließlich mit sogenannten Sorgfaltspflichten Dutzende neuer Bürokratielasten. Dazu gehören Risikomanagement, neue Beauftragte, Risikoanalysen, Grundsatzerklärungen, Präventionsmaßnahmen und maßlose Dokumentations- und Berichtspflichten. Ob ein Mittelständler das leisten kann, interessiert die Bürokraten nicht, und manche Berater wittern schon lukrative Geschäfte. Diese Berater haben denn auch das Gesetz in der Anhörung sehr gelobt.   
NOZ:  
Was muss sich denn ändern? 
Zander:  
Geplant war, dass das Gesetz keine zivilrechtliche Haftung im Fall von Regelverstößen vorsieht. Der Rechtsausschuss des Bundesrates geht davon aus, dass Unternehmen sowie Vorstände und Geschäftsführer, letztere auch mit ihrem privaten Vermögen, haften. 
NOZ:  
Und inwiefern überfordert das Gesetz die Unternehmen? 
Zander:  
Wir beklagen, dass Firmen gar nicht nachvollziehen können, was nun eigentlich verlangt wird. Der Gesetzentwurf nennt Dutzende von völkerrechtlichen Abkommen, Konventionen, Charten und anderen Rechtsvorschriften, deren konkrete Auslegung den Unternehmen überlassen werden soll, denn ein genaues Tun oder Unterlassen wird nicht verlangt. Diese Unbestimmtheit macht das Gesetz höchst fragwürdig. 
NOZ:  
Bitte ein Beispiel… 
Zander: 
Der Entwurf nennt das Verbot von Ungleichbehandlung in Beschäftigung in Bezug auf die Bezahlung. Was heißt das konkret? Wenn man das vorschreibt, muss man auch sagen, welche Anforderungen genau zu erfüllen sind. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber Verstöße mit Bußgeldern belegen will. Es droht eine völlig uferlose Kriminalisierung von Unternehmen, nur auf Hinweis aus dem Ausland, da sei etwas nicht in Ordnung. 
NOZ:  
Ist denn aus Ihrer Sicht vernünftig geregelt, bis zu welchem Grad Zulieferungen überprüft werden sollen? 
Zander:  
Es geht um die gesamte Lieferkette. Es ist nicht so, dass deutsche Unternehmen nur für bestimmte Bereiche der eigenen Produktion verantwortlich gemacht werden sollen. Vielmehr geht es um sämtliche erworbenen Maschinen und Anlagen, sämtliche Roh- und Betriebsstoffe, alle Leistungen bis hin zur Lieferkette der EDV-Anlage. Das heißt: Alles das, was in den Unternehmen durch die Fabrikhallen und Büros geht, ist potenziell ein Risiko und muss durchgeprüft werden. Das mag vielleicht noch bei der Lieferung Kakao und Kaffee funktionieren. Aber bei unseren Produkten funktioniert das natürlich nicht. 
NOZ:  
Warum nicht? 
Zander:  
Wir stellen Hochtechnologieprodukte her, an denen Hunderte, zum Teil Tausende von Unternehmen beteiligt sind.  Vor diesem Hintergrund ist das Gesetz uferlos sowohl in Bezug auf die Lieferbeziehungen als auch bei den Anforderungen. Die Unternehmen brauchen aber klare Regeln - je konkreter desto besser. 
NOZ:  
Es sollte aber doch gelten, dass  deutsche Unternehmen vollumfänglich nur bei ihren unmittelbaren Zulieferern auf die Einhaltung der Menschenrechte achten müssen. Das ist jetzt vom Tisch? 
Zander: 
Das war zwar versprochen, aber die Konstruktion beschränkt sich nicht auf die direkten Zulieferer. 
NOZ:  
Wie könnte man es besser machen? 
Zander:  
Wir plädieren dafür, insbesondere auf den Anfang der Lieferkette zu schauen, dort wo Rohmaterialien produziert werden. Dort kann man viel erreichen, zur Not auch mit der Androhung und dem Aussprechen von Sanktionen. Man könnte auch einzelne Unternehmen aus der Lieferkette herausnehmen, auf eine schwarze Liste setzten, wenn man dort schwere Menschenrechtsverletzungen feststellt oder wenn die Umweltstandards des zuständigen Staates eklatant verletzt werden. 
NOZ:  
Wenn das Gesetz unverändert in Kraft treten würde: Was wären die Folgen? 
Zander:  
Es ist zu erwarten, dass sich viele deutsche Firmen zurückziehen müssen, weil sie die Haftungsrisiken nicht überblicken können. Sie würden dann Unternehmern aus anderen Ländern - z.B. China - das Feld überlassen. Und ich bezweifele, dass sich dann an der Menschenrechtsituation in den Herkunftsländern etwas ändert. Kurz: Man gibt vor, etwas Gutes zu tun, letztlich werden aber Handel und wirtschaftliche Entwicklung gehemmt - mit entsprechenden Auswirkungen auf Jobs und Einkommen in Entwicklungs- und Schwellenländern. 
NOZ:  
Und was wären die Folgen für die die Wirtschaft in Deutschland?
Zander:  
Stand heute soll das Gesetz nur gelten für Unternehmen mit einem Hauptsitz in Deutschland. Umgekehrt gilt das Gesetz nicht für ausländische Unternehmen, die in Deutschland produzieren, aber einen Hauptsitz zum Beispiel in Schweden haben. Das heißt: Man kann sich dem Gesetz entziehen, indem man den Firmensitz ins Ausland verlagert. Ich meine, solche Gesetze sollte Deutschland aus eigenem Interesse nicht verabschieden. Es wäre quasi eine Aufforderung, der Bundesrepublik den Rücken zu kehren. Ich appelliere dringend an die Union, diesen Irrsinn zu stoppen. 
(Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung / Interview: Uwe Westdörp, M+E-Newsletter Gesamtmetall)