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„Wir wünschen uns einen zukunftsfähigen und attraktiven Standort“

In einem Neun-Punkte-Programm formuliert die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) ihre Erwartungen an die künftige saarländische Landesregierung. VSU-Präsident Oswald Bubel erläutert im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung, was sich die Wirtschaft im Saarland von der Politik in den nächsten Jahren erhofft.

Herr Bubel, in fünf Wochen wird im Saarland gewählt. Die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) sieht Handlungsbedarf, um unsere Region zukunftsfähig zu machen. Was fordern Sie von der neuen Landesregierung?

Wir brauchen vor allem einen zukunftsfähigen, handlungsfähigen und gleichzeitig attraktiven Standort. Aus diesem Grund haben wir einen Katalog mit Erwartungen an die neue Landesregierung formuliert, der unterschiedliche Aspekte umfasst. Das fängt bei den Standortbedingungen für bestehende Unternehmen und die Ansiedlung neuer Betriebe an, umfasst außerdem die Energiesicherheit, die Digitalisierung, das Bildungssystem, den Klimaschutz, die Entwicklung neuer Zukunftsfelder und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung. Dazu fordern wir eine höhere Effizienz in der Regierung und nicht zuletzt auch Maßnahmen zur Standortattraktivität. Alles in allem geht es darum, mit den Mitteln, die unserem Land zur Verfügung stehen, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen so zu meistern, dass das Saarland ein attraktiver Standort zum Leben und Arbeiten bleibt.

Wie schätzen Sie denn die aktuelle Lage im Land ein?

Die aktuelle Lage macht uns etwas Sorgen. Die Unternehmen sind durch die Corona-Pandemie stark gebeutelt und wegen der Schwierigkeiten in der Lieferketten läuft es nicht rund. Deshalb ist es vornehmlich wichtig, die Wirtschaft jetzt zu stärken und nicht weiter zu belasten. Das schließt auch die Bürokratie ein, die entgegen anderslautenden Versprechungen zugenommen hat. Ein weiterer Punkt, der wesentlich für die Entwicklung ist, ist der anstehende Strukturwandel. Wir hoffen, dass er gut gemeistert wird, damit das Land auch morgen noch attraktiv ist. Die im Saarland sehr starke Autoindustrie ist stark vom Verbrennungsmotor abhängig. Viele Unternehmen müssen sich auf die Veränderung in der Mobilität einrichten und neue Geschäftsfelder entwickeln. Die Aufgabe der Landesregierung sehen wir darin, dies zu unterstützen. Zusätzlich benötigt das Land neue Ansiedlungen. Wir brauchen einen Mix aus Unternehmen, so dass wir eine größere Branchenstreuung bekommen.

Sie haben neue Ansiedlungen genannt. Aktuell gibt es ja Diskussionen und große Widerstände in der Bevölkerung wegen der geplanten SVolt-Ansiedlung.

Aus unserer Sicht ist die geplante Ansiedlung von SVolt ein sehr wichtiger Schritt. Sie markiert ein Signal, dass das Saarland sich in den wichtigen Zukunftsfeldern der Mobilität engagiert, das sind Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung. Wir gehen auch davon aus, dass weitere Investitionen folgen werden, weil Unternehmen sich in Netzwerken organisieren. Das betrifft nicht nur die Industrie, sondern auch industrielle Dienstleistungen und das Handwerk. Was die Proteste angeht, es sind die Proteste Einzelner. Die Mehrheit im Saarland steht dieser Ansiedlung positiv gegenüber. Die Menschen wissen, dass ihnen die Industrie Arbeitsplätze bietet und damit die Möglichkeit zu persönlicher Entwicklung, zu Einkommen und zu Wohlstand. Es gibt auch einige Menschen, die die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht erkennen. Das darf aber nicht die Basis für solch eine Ansiedlungsentscheidung sein. Jedenfalls wäre es eine Blamage, wenn die Ansiedlung von SVolt durch Bürgerproteste verhindert würde.

Sie gehen also von vielen neuen Arbeitsplätzen aus, die in der saarländischen Industrie entstehen können.

Ja, und das sind hochwertige Arbeitsplätze und nicht nur in der Industrie, sondern in vielen Branchen drumherum. Industrie und Dienstleister machen nach wie vor den höchsten Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Saarland aus. Das Saarland braucht das Bekenntnis, dass es ein Industrieland bleibt. Dazu gehört auch, dass wir weitere Industrieflächen für Neuansiedlungen ausweisen. Wenn ein Unternehmen anklopft, das eine größere Fläche belegen will, ist es wichtig, dass wir diese auch bieten können. Als Land sind wir für Ansiedlungen durchaus attraktiv: Vor allem können wir mit einer Vielzahl hoch qualifizierter Fachkräfte punkten, die gewohnt sind, in Industriestrukturen zu arbeiten.

Welche Zukunftsfelder sehen Sie, in die das Saarland trotz knapper Finanzmittel besonders stark investieren muss?

Wir haben im Saarland mehrere Bereiche mit großem Entwicklungspotenzial auch jenseits der klassischen Industrie. Die IT an unserer Universität ist ein Leuchtturm, gerade in der Cyber-Security stehen wir weltweit an der Spitze. Und die Thematik Cyber-Security wird für alle in unserem Land noch an Dringlichkeit gewinnen. Wir sehen auch, dass alles, was mit Künstlicher Intelligenz zusammenhängt, große Zukunftschancen bietet. Auch hier haben wir große Kompetenzen. Und viel Potenzial sehen wir rund um die Felder der Wasserstoffwirtschaft. Außerdem regen wir an, dass die Regierung einen Expertenrat aus Forschern, Wissenschaftlern, Unternehmern und Politikern bildet, der ergebnisoffen international Zukunftsbereiche und technische Entwicklungen im Auge behält und prüft, ob sich in ganz neuen Feldern nicht auch Chancen für das Saarland bieten.

Wasserstofftechnik als Zukunftsfeld wird ja schon länger diskutiert. Welche Schritte sind hier nötig?

Wichtig ist jetzt vor allem, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Politik zu vernetzen, um in diesem Zukunftsfeld schnell Investitionen zu ermöglichen und unternehmerische Anwendungen zu schaffen. Wasserstofftechnik ist ein Feld der künftigen Energieversorgung, in dem sich viele Länder engagieren. Gerade deshalb müssen wir hier schnell aktiv werden. Wichtige Faktoren sind unter anderem, dass das Saarland im Nationalen Wasserstoffrat aktiv wird und auf diese Weise weitere Förderprojekte für das Saarland anregt und dass das Saarland an das europäische Wasserstoff-Netz angebunden wird, um die Versorgung mit großen Mengen zu gewährleisten. Das gilt vor allem für die Stahlindustrie, die durch die Umstellung auf grünen Stahl Treiber einer regionalen Wasserstoffwirtschaft sein kann.

Die Klimapolitik dürfte mit am stärksten die Arbeit der neuen Landesregierung prägen. Was erwarten Sie hier?

Wir unterstützen als Unternehmensverband Projekte rund um den Klimawandel und versuchen aktiv, den Energieverbrauch in den Betrieben zu senken. Hier wünschen wir uns die Unterstützung der Landesregierung beispielsweise durch die Förderung von Energieeffizienznetzwerken. Das allein reicht aber nicht. Auch beim stockenden Ausbau Erneuerbarer Energien muss die neue Landesregierung eine Trendwende einleiten. Am Ende ist es wichtig, eine zuverlässige Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen zu gewährleisten. Das betrifft auch den Ausbau des Stromnetzes. Denn durch die zunehmende Belastung drohen Unterbrechungen der Stromversorgung und den Unternehmen durch Produktionsausfälle erhebliche Schäden.

Was muss getan werden, um mehr Fachkräfte an das Saarland zu binden?

Eine große Herausforderung der neuen Landesregierung wird es sein, die Abwanderung junger Menschen und ganzer Familien zu stoppen. Mit jedem dieser Menschen fehlen in unserem Land ein Stück Kreativität, Wertschöpfung, Steuereinnahmen und Mittelzuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich. Aus unserer Sicht kann das Land an mehreren Hebeln ansetzen. Der wichtigste Schritt ist es, durch Ansiedlungen Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem sollten die Ingenieurwissenschaften und die Informationstechnologie an den Hochschulen im Saarland und die MINT-Fächer in den Schulen gestärkt werden, weil in diesen Bereichen ein großer Fachkräftemangel entsteht. Zudem ist sinnvoll, dass sich die Hochschulen noch stärker mit den Unternehmen im Saarland vernetzen. Die Absolventen bekommen dadurch noch mehr Perspektiven, im Saarland zu bleiben, weil sie frühzeitig bei den Unternehmen eingebunden werden. Neben der Abwanderung steht aber auch eine gezielte Zuwanderung im Fokus, für die das Saarland sich über die Grenzen hinweg als attraktiver Standort positionieren muss.

Wer ins Saarland kommt, stößt aber auch häufig auf holprige und marode Straßen, sanierungsreife Brücken oder auch völlig veraltete Gebäude an den Hochschulen.

So drastisch wie Sie drücke ich es nicht aus. Aber es ist richtig, dass die Infrastruktur ein sehr wichtiger Zukunftsfaktor ist, den wir deshalb auch als eigenen Punkt bei unseren Erwartungen formulieren. Insgesamt hat das Saarland ein ordentliches Verkehrsnetz, das aber in die Jahre gekommen ist. Gerade bei vielen Brücken erleben wir einen enormen Sanierungsbedarf. Diese Baustellen muss die neue Landesregierung gemeinsam mit dem Bund angehen, denn das Land braucht funktionierende Transportwege. Wie groß die Auswirkungen durch den Ausfall einer einzigen Autobahnbrücke sind, haben wir bei der Sperrung der Fechinger Talbrücke erlebt. Bei der Infrastruktur geht es uns aber um ein Gesamtpaket: Vom Straßennetz über das Stromnetz, die digitale Versorgung mit schnellem Internet bis hin zur Anbindung über Schiene und Flughafen. Bei den Bahnverbindungen wünschen wir uns, dass es mehr Direktverbindungen in den Norden und Süden, also nach Berlin, Hamburg, Stuttgart und München gibt. Nur ein breiteres Angebot zieht auch einen vermehrten Umstieg auf die Schiene nach sich. Insgesamt gilt, dass das Saarland ein attraktives Angebot bietet. Die Schönheit des Landes und der Städte ist dabei natürlich auch ein wichtiger Faktor, denn Menschen kommen ja nicht nur wegen eines Arbeitsplatzes ins Land, sondern weil sie hier gerne leben wollen.

Wie sieht es mit der Bildung im Saarland aus?

Das ist ein ganz wichtiges Thema, Bildung ist eine Investition in die Zukunft. Junge Menschen bekommen durch gute Bildung Chancen für eine bessere Entwicklung im späteren Leben. Deshalb engagiert sich die VSU seit vielen Jahren unter anderem in einer Initiative, die die Qualität der saarländischen Schulen verbessert. In der Corona-Krise haben wir festgestellt, dass es bei der Digitalisierung der Schulen im Saarland erhebliche Defizite gibt. Hier muss die nächste Landesregierung ansetzen und die digitale Schule von der Vision zur Normalität führen. Das kann sich allerdings nicht darin erschöpfen, Schülerinnen und Schüler mit digitalen Geräten auszustatten, es braucht ein Gesamtkonzept, das digitale Materialen wie einen entsprechenden Lehrplan und gut qualifizierte Fachkräfte einschließt. Wir plädieren zudem an Eltern und Lehrer, das Interesse von Mädchen an Fächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und generell Technik zu wecken. Mädchen und junge Frauen werden dringend in technischen Berufen gebraucht, die übrigens auch sehr gut bezahlt werden und zudem gute Karrierechancen bieten.

Sie hatten zu Beginn auch noch Regierungseffizienz genannt. Was schlagen Sie hier vor?

Auch das ist ein wichtiger Punkt, den Sie hier ansprechen. Angesichts der knappen Mittel, über die das Saarland verfügt, ist es umso wichtiger, diese effizient einzusetzen. Allzu oft leisten wir uns noch teure Doppelstrukturen im Land, die Abläufe teuer machen und schnelle Entscheidungen verhindern. Und bei manch einer Maßnahme steht für uns der langfristige Nutzen infrage. Deshalb plädieren wir dafür, die Strukturen zu prüfen und zu verschlanken und Einzelmaßnahmen noch stärker zu koordinieren. Letztlich muss sich alles Regierungshandeln am großen Ziel der Zukunftsfähigkeit ausrichten.