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VSU-Schlagzeilen 29.12.2021

Saarland bereitet sich auf Omikron-Welle vor / IG BAU will Mindestlohn am Bau zementieren / Dulger: Wirtschaft nicht durch höhere Sozialbeiträge überfordern / Bund gibt den Ländern 2021 rund 57 Milliarden Euro

Saarland/Region 
Keine 2G-Regel mehr bei Woolworth 
Saarland bereitet sich auf Omikron-Welle vor 

VSU im Gespräch 
Virologe Jürgen Rissland beantwortet Fragen zur Corona-Pandemie 

Tarifpolitik 
IG BAU will Mindestlohn am Bau zementieren
  
Arbeitswelt 
BA: Geld für Kurzarbeit über den Winter ist da
  
Wirtschaftspolitik 
Dulger: Wirtschaft nicht durch höhere Sozialbeiträge überfordern 
DIHK fordert von EU mehr Tempo bei Handelsabkommen 
  
Digitalisierung
Förderprogramm zur Digitalisierung des Mittelstands verlängert 
  
Nachhaltigkeit 
IW-Studie: CO2-Grenzausgleich belastet metallverarbeitende Industrie massiv 
  
Steuern / Haushalt 
Bund gibt den Ländern 2021 rund 57 Milliarden Euro 
  
Interview 
VhU-Präsident Mang zur Lage der Wirtschaft zum Jahreswechsel  

Saarland/Region 

Keine 2G-Regel mehr bei Woolworth 
Für das Unternehmen Woolworth gilt im Saarland ab sofort keine 2G-Regel mehr. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat die entsprechende Regel der Coronaverordnung außer Vollzug gesetzt. Sie sei eine voraussichtliche Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Das saarländische Oberverwaltungsgericht OVG sieht in der 2G-Regelung speziell für das Unternehmen Woolworth eine "nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung". Ladenlokale wie Gärtnereien, Baumschulen oder auch Gartenmärkte seien in der derzeitigen Rechtsverordnung bereits von der 2G-Regelung ausgenommen. Auch aus der Begründung der Rechtsverordnung konnte das Gericht keinen Grund lesen, warum Woolworth, das insbesondere Textilien und Haushaltsbedarf anbiete, nicht auch ausgenommen werden könne. Das OVG wertete als nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, dass Supermärkte und Einkaufszentren bereits ähnliche Mischsortimente an alle verkaufen und sogar bewerben dürften - das müsse dann auch für Woolworth gelten. Die Kaufhaus-Kette Woolworth hatte Mitte Dezember gegen die 2G-Regelung im Saarland geklagt und beim Oberverwaltungsgericht einen Normenkontroll-Antrag gestellt. Laut Oberverwaltungsgericht ist es möglich, dass nun weitere Händler nachziehen und einen entsprechenden Antrag beim Gericht einreichen. Ob die 2G-Regel dann auch für diese Händler außer Kraft gesetzt werde, hänge vom Einzelfall ab. Derzeit lägen jedoch noch keine weiteren Anträge vor. (Quelle: SR) 

Saarland bereitet sich auf Omikron-Welle vor
Um Ausfälle in der kritischen Infrastruktur zu verhindern, plant das Saarland Corona-Sonderimpfaktionen für das dort arbeitende Personal. Einer zu starken Ausbreitung der Omikron-Variante soll auch in den Impfzentren entgegengearbeitet werden und deren Kapazität noch weiter erhöht werden. Das Saarland bereitet sich auf einen Anstieg der Corona-Fallzahlen durch die Omikron-Variante vor. Bislang seien im Saarland 14 Omikron-Fälle bekannt, es gebe aber weitere Verdachtsfälle, sagte Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). Um zu verhindern, dass es durch eine Vielzahl von Krankmeldungen zu Ausfällen in der kritischen Infrastruktur kommt, würden für das dort arbeitende Personal Sonderimpfaktionen angeboten. Zuerst soll das bei Polizei und Rettungskräften geschehen, dann etwa bei Energieversorgern oder für Supermarkt-Kassierer. Zudem sollen die Kapazitäten in den Impfzentren erweitert werden. Sie sollen auf Zwei-Schicht-Betrieb umgestellt werden, sofern das noch nicht geschehen ist. Der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr, der mit seinem Team den Covid-Simulator betreibt, rechnet spätestens mit Wiederbeginn der Schule mit einem relativ starken Ansteigen der Infektionen. Es sehe so aus, dass die Ausbreitung der Omikron-Variante durch die 2G-Maßnahmen etwas verlangsamt werden konnte, dennoch werde es wohl eine große Omikron-Welle geben. Deshalb sei es gut, die kritische Infrastruktur besonders zu schützen. Nur durch Impfungen werde eine Ausbreitung der Omikron-Variante nicht verhindert werden können, ergänzte der Homburger Virologe Jürgen Rissland. Dazu seien auch Kontaktbeschränkungen, Abstandhalten und Maskentragen nötig. (Quelle: SR) 


VSU im Gespräch  

Virologe Jürgen Rissland beantwortet Fragen zur Corona-Pandemie
Bei VSU im Gespräch ist am 4. Januar, 12 – 13 Uhr, Dr. Jürgen Rissland zu Gast. Der Virologe der Universitätsklinik in Homburg beantwortet Fragen rund um die Corona-Pandemie. Angesichts der neu aufgetauchten Omikron-Variante hat die Pandemie neuen Schub bekommen. Im VSU-Talk fragen wir Dr. Rissland, welche Auswirkungen das für uns hat, ob die von der Politik diskutierte Impfpflicht ein Weg aus der Krise ist und inwiefern weitere Varianten immer neue Bedrohungen bringen. 
Die Veranstaltung findet interaktiv per Videokonferenz statt. 
Interessenten melden sich bis zum 02. Januar unter http://www.anmeldung-saar.de/talk-rissland an. 
(Quelle: VSU) 

  
Tarifpolitik 
  
IG BAU will Mindestlohn am Bau zementieren 
Die IG BAU will den tariflich vereinbarten Mindestlohn im Bauhauptgewerbe erhalten, der mit 12,85 Euro deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro liegt. Der entsprechende Tarifvertrag läuft zum Jahresende aus. Den Arbeitgebern wirft die Gewerkschaft vor, den für Bau-Facharbeiter gedachten Mindestlohn II von 15,70 Euro bei den laufenden Verhandlungen komplett abschaffen zu wollen. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Arbeitswelt 
  
BA: Geld für Kurzarbeit über den Winter ist da 
Die BA ist nach Angaben ihres Vorstands Scheele auf eine mögliche neue Kurzarbeitswelle vorbereitet, sollte sich die Corona-Pandemie problematisch entwickeln. Bis zum 31. März bestehe im neuen Haushalt für das Jahr 2022 ein ausreichendes Polster, sagte Scheele und fügte hinzu, die Kurzarbeit sei bereits seit Mitte November wieder spürbar gestiegen: "Von einem niedrigem Niveau, aber das relativ sprunghaft. Wir müssen deshalb wieder Personal umschichten, um das Aufkommen zu bewältigen. Aber wir hoffen, dass das Ende März wieder vorbei ist." Es gebe keinen Anlass zu der Annahme, dass Leistungen nicht gezahlt würden – auch die neue Bundesregierung plane hier nach seiner Sicht keinen Kurswechsel, betonte Scheele. Es sei jedoch denkbar, dass die Frühjahrsprognose der Bundesregierung anders aussehen werde als die Herbstprognose, auf deren Basis der neue Haushalt kalkuliert worden sei. "Wenn nach dem März noch was kommt, kann es sein, dass wir wieder nachjustieren müssen", sagte Scheele. Dann müsse aber der Bund einspringen. "Kurzarbeitergeld ist ein Rechtsanspruch", sagte Scheele. Er gehe aber davon aus, dass der Ansatz ausreiche. Von 2023 an werde die BA nach jetzigem Stand wieder eine Rücklage bilden können, nachdem der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung wie bisher vorgesehen wieder um 0,2 Prozentpunkte gestiegen sei und damit 2,6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stünden. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Wirtschaftspolitik 
  
Dulger: Wirtschaft nicht durch höhere Sozialbeiträge überfordern 
BDA-Präsident Dulger hat von der neuen Bundesregierung erneut einen Belastungsstopp für Unternehmen gefordert. „Was die Wirtschaft jetzt braucht, ist die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung für die Zukunft“, sagte Dulger. Es sei bedauerlich, dass sich SPD, Grüne und FDP nicht dazu verpflichtet hätten, den Gesamtbeitrag aus Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung auf maximal 40 Prozent des Bruttolohns zu begrenzen. „Unsere Erwartung bleibt deshalb umso mehr, dass die Regierung dafür eintritt, dass Arbeitgeber und Beschäftigte nicht durch immer höhere Sozialbeiträge überfordert werden“, sagte Dulger. Angesichts der Demografie seien Reformen die Voraussetzung für den Fortbestand eines stabilen Sozialsystems. „Eine ausgabenwillige Sozialpolitik ist nicht zukunftsfähig“, sagte der BDA-Präsident: „Deshalb werben wir für eine flexiblere Altersgrenze in der Rente und die Konzentration der Arbeitslosenversicherung auf die Kernbereiche.“ Diese Instrumente seien jetzt nötig. Gleichzeitig stehe Deutschland vor einem riesigen Strukturwandel, getrieben von Digitalisierung, Dekarbonisierung und dem demografischen Wandel. „Wegducken hilft hier nicht weiter – wir müssen diesen Strukturwandel mutig gestalten und die verschiedenen Dimensionen zusammendenken“, sagte Dulger. Alle Akteure – Politik, Unternehmen und Sozialpartner – müssten an einem Strang ziehen: „Wir haben die klare Erwartung an diese Bundesregierung, dass sie die Unternehmen wie Beschäftigte bei der Gestaltung des Strukturwandels unterstützt.“ Alles, was die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen einschränke, gehöre auf den Prüfstand und müsse einer Modernisierungskur unterzogen werden. „Wir brauchen zwingend eine Reform des Arbeitszeitgesetzes und des Planungsrechts - letzteres um Investitionen zu beschleunigen und nicht zu verhindern“, sagte Dulger: „Eine schnellere Digitalisierung der Verwaltung ist zudem dringend geboten, wenn wir endlich den Staub in den Amtsstuben abschütteln wollen und im 21. Jahrhundert ankommen wollen.“ (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
DIHK fordert von EU mehr Tempo bei Handelsabkommen 
Der DIHK wirft der EU eine zögerliche Haltung in der internationalen Handelspolitik vor. Während die EU noch über neue Freihandelsabkommen nachdenke, seien in Asien mit dem neuen großen Handelspakt "Regional Comprehensive Economic Partnership" (RCEP) rund um China längst Fakten geschaffen worden, sagte DIHK-Außenhandelschef Treier und betonte, das RCEP-Abkommen sei ein "klares Signal für mehr wirtschaftliche Integration in Asien. In der Wachstumsregion werden für die Unternehmen Nägel mit Köpfen gemacht, während die EU mit Handelsabkommen hadert". RCEP stehe für 28 Prozent des Welthandels, 30 Prozent der weltweiten Wertschöpfung und für eine Bevölkerung von über 2,2 Milliarden Menschen, machte Treier deutlich: "Aus europäischer Sicht ist es jetzt umso wichtiger, den Anschluss nicht zu verlieren. Entscheidend ist dabei auch, dass die neue Bundesregierung rasch zum positiven Impulsgeber in der EU-Handelspolitik wird. Handelsabkommen im Indopazifik – insbesondere mit den G20-Staaten Indonesien und Indien – können die Diversifizierung unserer Lieferketten sowie die Wettbewerbsfähigkeit gerade der kleinen und mittelständischen Unternehmen stärken. Schließlich hängt jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland am Export, in der Industrie sogar jeder zweite." (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Digitalisierung
  
Förderprogramm zur Digitalisierung des Mittelstands verlängert 
Handwerksbetriebe sowie kleine und mittlere Unternehmen bekommen bis Ende 2024 weiterhin Unterstützung für Digitalisierungsprojekte. Zur Verfügung stehen im Programm "go-digital" Mittel in Höhe von 72 Millionen Euro, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt. Anträge könnten ab dem 1. Januar gestellt werden, würden aber erst nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr bewilligt. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Nachhaltigkeit 
  
IW-Studie: CO2-Grenzausgleich belastet metallverarbeitende Industrie massiv 
Ein CO2-Grenzausgleich für Stahl würde die metallverarbeitende Industrie belasten und die Gefahr von Unternehmensverlagerungen ins außereuropäische Ausland erhöhen, wie aus einer neuen IW-Studie für den Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung hervorgeht. Hintergrund ist das Ziel der EU-Kommission, die CO2-Emissionen der EU bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken. Um dies zu erreichen, muss insbesondere die Grundstoffindustrie massive Investitionen in neue Anlagen tätigen und zugleich höhere Kosten für den laufenden Betrieb der neuen Anlagen tragen. In der Summe führt das dazu, dass beispielsweise in Europa gefertigter Stahl künftig deutlich teurer sein wird als Stahl aus anderen Weltregionen. Damit Stahl aus Europa dennoch wettbewerbsfähig bleibt, sollen Stahlimporte aus anderen Weltregionen nach den Vorstellungen der Kommission ab 2023 mit einem CO2-Grenzausgleich belegt werden. Doch während der Grenzausgleich die Kostennachteile der direkt betroffenen Branchen in Europa ausgleichen kann, würden die weiterverarbeitenden Branchen in Europa vor gravierende Probleme gestellt. Stahl, der in Europa verarbeitet wird, wäre teurer als Stahl in anderen Weltregionen. „Höhere Stahlpreise betreffen zahlreiche Kundenbranchen, allen voran die Metallverarbeitung, die Hersteller elektrischer Ausrüstungen sowie Maschinen- und Fahrzeugbau“, heißt es in der IW-Studie. Die zehn am stärksten betroffenen Branchen stehen laut IW für ein Fünftel der Wirtschaftsleistung und ein Sechstel der Beschäftigung in Deutschland. Auf europäischer Ebene erwirtschaften die zehn Branchen den Angaben zufolge mit mehr als 30 Millionen Beschäftigten fast zwei Billionen Euro Wertschöpfung und damit rund ein Sechstel der gesamten Wirtschaftsleistung der EU. 
Für die Kunden der Stahlindustrie, der Aluminiumindustrie und weiterer Grundstoffproduzenten bedeute der CO2-Grenzausgleich „vor allem höhere Preise“, schreibt das IW. Wenn der CO2-Preis auf Stahl voll durchschlage, würden sich die Kosten der metallverarbeitenden Unternehmen in Deutschland laut IW um zwei Milliarden Euro erhöhen, was 3,5 Prozent der Wertschöpfung entspräche. Das IW verweist auf die Einführung von Zöllen in den USA, die ähnliche Effekte gehabt hätten: „Durch die Einführung der US-Zölle konnten zwar Arbeitsplätze in der US-Stahlindustrie erhalten werden, in den nachgelagerten stahlverarbeitenden Branchen gingen jedoch 2002 bis zu 200.000 und 2018 nach ersten Schätzungen etwa 75.000 Arbeitsplätze verloren.“ Das Resümee des IW fällt entsprechend ernüchternd aus: „Der Grenzausgleichsmechanismus ist in der von der EU-Kommission geplanten Ausgestaltung nicht dazu geeignet, den bisher geltenden Schutz vor Carbon-Leakage-Risiken aufrechtzuerhalten.“ Carbon Leakage bezeichnet die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland aufgrund von CO2-Kosten. Auf Unternehmen, die in Europa Stahl und andere Grundstoffe verarbeiteten, kämen höhere Kosten zu, die ihre außereuropäischen Konkurrenten nicht in gleichem Maße schultern müssten. Daher erhöhe sich für nachgelagerte Industrien die Wahrscheinlichkeit für Verlagerungen ins nicht-europäische Ausland, warnt das IW. (Quelle: Handelsblatt, IW, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Steuern / Haushalt 
 
Bund gibt den Ländern 2021 rund 57 Milliarden Euro 
Der Bund hat den Ländern 2021 laut einem Magazinbericht finanziell stark unter die Arme gegriffen. Im auslaufenden Jahr dürften es gut 57 Milliarden Euro gewesen sein, die aus dem Bundeshaushalt an die Länder geflossen sind, wie aus einer interne Auflistung des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. Auf der Empfängerliste stehen demnach NRW und Bayern absolut gesehen vorne mit gut 11 beziehungsweise 7 Milliarden Euro, gefolgt von Baden-Württemberg mit schätzungsweise 5 Milliarden. 
Bayern profitiere dabei besonders von Bundesmitteln für Bundesbauaufgaben, den Unterhalt von Bundesstraßen und für den öffentlichen Personennahverkehr mit rund 1,6 Milliarden Euro. NRW mit deutlich mehr Einwohnern komme hier auf 1,7 Milliarden und damit nur geringfügig mehr, Baden-Württemberg dagegen lediglich auf gut 1 Milliarde. Die 16 Bundesländer haben in der Corona-Krise damit weniger Schulden angehäuft als in der ersten Phase der Pandemie befürchtet. Die von den Länderparlamenten abgesegneten Kreditermächtigungen wurden bislang von kaum einer Landesregierung ausgeschöpft, wie aus einer Umfrage unter den Finanzministerien der Länder hervorgeht. Nach dem Beginn der Krise hatten die Landtage, die Bürgerschaften der zwei Hansestädte und das Berliner Abgeordnetenhaus allein 2020 über 100 Milliarden Euro neue Schulden genehmigt. Dabei trafen mehrere Länder quasi Vorratsbeschlüsse, weil sie die Aufnahme der Kredite über mehrere Jahre strecken. Ursprünglich hatte wegen der Schuldenbremse keine Landesregierung 2020 neue Schulden geplant. (Quelle: Dow Jones, Wirtschaftswoche, dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Interview 
  
VhU-Präsident Mang zur Lage der Wirtschaft zum Jahreswechsel 
Wie geht es der deutschen Wirtschaft nach zwei Jahren Pandemie? Fragen an VhU-Präsident Mang. 
Sat1: 
Wir haben gerade eben diese wichtige Frage gehört auf einer Skala von 1 bis 10, 1 ist schlecht, 10 ist gut: Wie geht es denn der deutschen Wirtschaft im zweiten Corona-Winter? 
Mang: 
Ich glaube, wir sind zwischen sechs und sieben. Also erstens hätte, glaube ich, niemand gedacht, dass sich die deutsche Wirtschaft tatsächlich so schnell wieder erholen kann. Wir sind in Hessen, wenn man sich das anschaut, ein Bruttoinlandsprodukt, also die Messgröße, woran man die Wirtschaftskraft misst, sind wir deutlich über dem Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland. Wir, muss ich sagen, wir haben wirklich viele, viele Dinge geschafft und geleistet mit innovativen Unternehmen, innovativen Belegschaften, die für mich vor eineinhalb Jahren gar nicht denkbar waren. 
Sat1: 
Also, wir könnten es zusammenbringen: Die Wirtschaft hat gelernt, mit Corona zu leben. Was unsere Zuschauer immer mehr bemerken, ist, dass Produkte nicht rechtzeitig kommen, dass Autos längere Lieferzeiten haben, und, und, und… Das liegt oft an den stockenden weltweiten Lieferketten. Jetzt mal ganz selbstkritisch: Hat die deutsche Wirtschaft zu oft auf günstige Bauteile zum Beispiel gesetzt? Und rächt sich das jetzt? 
Mang: 
Na ja, wir sind ja, sagen wir mal, wir selber profitieren ja in den vergangenen Jahren, wir werden auch in Zukunft davon profitieren, dass wir eine starke Exportnation sind. Aber natürlich ziehen wir das in der weltweiten Arbeitsteilung. Wir benötigen Teile aus Asien, die wir hier mit unseren Maschinen, Motoren, Anlagen kombinieren, um sie dann wieder weltweit exportieren zu können. Also wir können, glaube ich, nicht darauf setzen, dass wir versuchen, alles in Deutschland zu produzieren und dann aus Deutschland heraus in die Welt zu exportieren. Das wird nicht funktionieren. Wir brauchen die weltweite Arbeitsteilung, die ist auch sinnvoll und ist klug. Also ja, wir haben sicherlich das eine oder andere, was wir überdenken müssen, wo wir sagen, das sind kritische Teile, die wir bisher gar nicht als bezugskritisch vielleicht so gesehen haben, die werden wir neu definieren müssen und da wird es sicherlich vielleicht auch durch sinnvolle Lagerhaltung und vor allem Bevorratung uns gelingen, in der nächsten Krisensituation hier besser zu sein als wir das heute waren. Das haben wir vielleicht als zu selbstverständlich gesehen, wir bestellen heute etwas in Vietnam, in Malaysia oder in China… 
Sat1: 
… dann kommt es auch noch schnell. 
Mang: 
… und morgen ist es da. 
Sat1: 
Wir sind in diesem weltweiten Wettbewerb, das muss man ganz ehrlich sagen und Made in Germany war immer das Verkaufsargument. Ist es das immer noch oder wo stehen wir in Deutschland derzeit?“ 
Mang: 
Ich habe ja gerade schon gesagt, wir haben starke Unternehmen, wir haben eine hohe Innovationskraft. In Hessen gibt es den Hessischen Unternehmertag, der zeigt, ich glaube, seit 20 Jahren zeichnen wir die innovativsten Unternehmen Hessens aus. Und unglaublich, wir hatten auch in dem Jahr mehr Bewerber denn je. Es gibt tolle Unternehmen, die mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit auch heute noch den Namen „Made in Germany“ weltweit gut begründen. Auf der anderen Seite muss man auch zugeben, erleben wir immer mehr, dass natürlich auch andere Nationen in bestimmten Geschäftsbereichen sehr, sehr stark sind. Die deutsche Automobilindustrie ist ja sicher weltweit sehr wertgeschätzt, aber dennoch wird immer wieder Tesla als Maßstab aller Dinge gesehen. Was es für mich nicht ist, sondern, aber da sehen wir, dass plötzlich andere Nationen, andere Länder, andere Unternehmen auch zeigen, welche Innovationskraft dort steckt. Und da müssen wir, da müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Da müssen wir dranbleiben, da müssen wir sicherlich innovativ bleiben. 
Sat1: 
Rahmenbedingungen ist gleich ein Stichwort, das wir vertiefen wollen. Wir haben eine neue Bundesregierung seit Anfang des Monats, eine Ampel im Bund – also SPD, Grüne und FDP. Klar ist, der Mindestlohn wird auf 12 Euro angehoben werden. Klar ist, die Energiepreise werden noch teurer. Viele Preise werden sich natürlich nach oben verteuern. Haben Sie den Koalitionsvertrag schon gelesen? Und wenn ja, mit welchen Gefühlen denkt da ein Firmenlenker drüber? 
Mang: 
Also das muss ich zugeben, dass ich tatsächlich nicht alle 177 Seiten, weil manche dachte ich, das kann ich ein bisschen schleifen lassen, aber ich habe schon viele, viele Passagen sehr intensiv gelesen. Weil ich habe auch in diesem Koalitionsvertrag gesucht, ob da der Gedanke der Eigenverantwortung drinsteckt. Und den habe ich nicht gefunden. Und das finde ich eigentlich auch sehr, sehr schade, dass wir inzwischen in einem Land leben, wo vielleicht der Staat glaubt, dass er alles regeln kann für jeden Bürger, in jeden Belangen. Das ist aber nicht so, wir brauchen die Eigenverantwortung des Menschen und darauf setzen wir zu wenig in dem Koalitionsvertrag. Das das ist so generell, was mich da etwas irritiert hat, dass ich das nicht gefunden habe. Aber lassen Sie mich, na ja klar, denken Sie natürlich, als Wirtschaftsvertreter fange ich an mit Steuern. Klar, ich hätte mir mehr Mut gewünscht, die Unternehmenssteuern zu senken. Aber das Geld wäre gut angelegt in Investitionen und Innovationen. Das haben wir nicht. 
Sat1: 
Das ist ein Thema. Das andere Thema, das Sie sicherlich interessieren wird, ist Klimaschutz. Wir haben einen neuen Klimaschutz- und Wirtschaftsminister, Vizekanzler von den Grünen, Robert Habeck und er sagt: „Es geht mir darum, in der größten Industrienation Europas und viertgrößten Volkswirtschaft der Welt Klimaneutralität und Wohlstand zusammenzubringen.“ Wie passt das Ihrer Meinung nach zusammen? Und Herr Habeck hat ja schon klar gesagt, das wird Zumutungen geben in alle Richtungen.
Mang: 
Also zunächst muss ich sagen, ich finde es auch gut, den Zuschnitt dieses neuen Ministeriums. Ich glaube auch, Ökonomie und Ökologie gehören zusammen und da bedarf es auch einer grundlegenden Aussöhnung. Das sind keine konträren Gedanken oder konträren Ziele, die Ökonomie und die Ökologie. Wir kommen da sicherlich gleich noch ein bisschen vertiefend darauf: Ich fand auch den Aspekt, den unser Wirtschaftsminister Habeck gesagt hat, dass es Zumutungen für alle bedeutet, fand ich ausgesprochen ehrlich und fand ich gut. Das müssen wir auch sagen. Wir müssen den Menschen sagen, wir werden diesen Klimawandel nicht bekommen ohne Zumutung für den Einzelnen. Zumutungen in höheren Energiekosten, in höheren Benzinpreisen. Das wird auf uns zukommen und aber natürlich auch Zumutungen für Unternehmen, ganz klar, aber eben auch für jeden Einzelnen. Deswegen fand ich das jetzt sehr, sehr gut. 
Sat1: 
Aber was da natürlich auch drinsteckt, ist, dass Deutschland Klassenbester in Sachen Klimaschutz werden möchte. Beunruhigt Sie das nicht? Dieser Gedanke, dass Deutschland da vielleicht voran rennt und keiner so richtig nachfolgt? 
Mang: 
Naja, wir sind einer der größten und bedeutendsten Industrienationen der Welt. Und jetzt wollen wir ja, den Umbau unseres Landes noch fünf Jahre schneller machen als andere Länder. Sehr, sehr, ja möchte ich mal, ehrgeiziges Ziel, auf alle Fälle. Ich meine in Deutschland, ich glaube, wir haben ein bisschen weniger als 2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, in Hessen ganz konkret zu sagen 0,7. Das ist gut und wichtig und richtig, dass wir den CO2-Ausstoß in Hessen und in Deutschland reduzieren. Ja, das müssen wir tun. Aber wir müssen das auch als beispielgebend machen. Wenn es uns nicht gelingt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und den Wohlstand zu erhalten, dann wird es uns nicht gelingen, andere Länder davon zu überzeugen, uns nachzuahmen und den gleichen Weg zu gehen wie wir. Und da ist uns nicht geholfen. 
Sat1: 
Sie haben gerade ein Beispiel genannt, wo Sie auch gesagt haben, wie viel Energie wir brauchen. Jetzt ist der erneuerbare Strom stark schwankend: Sonne, Wind und wir brauchen mehr Energie. Haben Sie da nicht irgendwie Angst, dass irgendwann der große Blackout kommen kann? Oder konnte irgendein Politiker Ihnen diese Angst bislang nehmen? 
Mang: 
Nein, ich glaube das muss, also bei allem Respekt vor der Politik, glaube ich, ist das eine Frage der Wissenschaft. Und da müssen wir auch, glaube ich, den Wissenschaftlern mal ein bisschen mehr Vertrauen entgegenbringen, die uns einfach sagen: Das wird so nicht so einfach sein. Das ist eben, zwischen Wunsch und Wirklichkeit, ist da auch noch eine Umsetzung gefragt. Und exakt das ist natürlich eine Frage. Wir haben ja schon sogenannte Mikro-Blackouts, also wofür ein Bruchteil einer Sekunde plötzlich die Stromversorgung in gewissen Regionen nicht funktioniert. 
Sat1: 
… Was für die Wirtschaft sehr schwierig ist. 
Mang: 
… Was für die Wirtschaft sehr schwierig ist. Also wir haben das selber im eigenen Unternehmen, wir haben CNC gesteuerte Maschinen. Als das begann mit diesen Blackouts, also Mini-Blackouts, blieben natürlich alle unsere Maschinen stehen und dann können Sie eine Maschine nicht gleich wieder starten, weil die Maschine eventuell nicht genau weiß, wo sie genau positioniert ist. Also das heißt, sie verschiebt sich so ein Stück durch dieses Stehen und sie können alles wegwerfen, was sie bis dahin darauf produziert haben. 
Sat1: 
Zum Ende dieses Gesprächs möchte ich eine persönliche Frage stellen. Man sagt so in diesen Corona-Zeiten immer: Wir müssen auf Sicht fahren. Das bedeutet für die Unternehmenslenker, sie müssen viele Sachen immer neu bewerten. Das kostet Körner, könnte man sagen, so im sportlichen Bilde. Wie ist Ihre persönliche Verfasstheit am Ende dieses ungewöhnlichen Jahres?“ 
Mang: 
Also so manchmal beneide ich ja auch die Politik. Also die Politik macht jetzt so in 60 Tagen, übrigens fand ich das sehr, sehr gut, die Koalitionsvertragsverhandlungen, ich habe jetzt diese Selfies auf dem Balkon nicht vermisst wie vor vier Jahren, ja. Also das fand ich, haben die gut gemacht, ja. Aber sagen wir mal, in 60 Tagen Koalitionsvertrag zu machen, den man dann vier Jahre abarbeitet, das hat ein Unternehmen ja nicht. Also im Unternehmen habe ich dann heute zwar eine Idee, ich habe einen Plan, ich habe ein Ziel. Aber morgen wird das schon wieder in Frage gestellt, weil es irgendeine Regelung, Änderungen oder Lieferkettenproblematik gibt, Materialpreiserhöhung. Also wir werden ja auch… 
Sat1: 
… da müssen Sie reagieren. 
Mang: 
… jeden Tag damit konfrontiert und müssen jeden Tag neue, kluge und zukunftsweisende Ideen haben. Ja, also das unterscheidet uns vielleicht auch zur Politik. Meine persönliche Befindenslage ist eigentlich sehr, sehr positiv. Und ich bin auch was den Ausblick angeht, auch für die Wirtschaft, auch die Lieferkettenproblematik wird im zweiten Halbjahr, wird sie abnehmen. Und ich glaube Ende 2022 die Prognose heute wagen zu können, dass wir wieder vor Krisenniveau sind und dann werden wir wieder prosperieren und wir werden auch wieder wachsen. 
(Quelle und Originalton: Sat1)