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VSU-Schlagzeilen 21.03.2022

M+E-Branche fürchtet dauerhafte Belastungen durch Russland-Ukraine-Krieg / Betriebe entscheiden über Corona-Schutz – DGB fordert Nachschärfung / Heil: Viele Flüchtlinge wollen arbeiten / Arbeitgeber und Gewerkschaft gegen Importstopp von Gas und Öl

Saarland/Region 
M+E-Branche fürchtet dauerhafte Belastungen durch Russland-Ukraine-Krieg 
Ukraine-Krieg wirkt sich auf heimische Baubranche aus 
Rund 700 Menschen protestierten gegen SVolt-Fabrik 

Arbeitswelt 
Betriebe entscheiden über Corona-Schutz – DGB fordert Nachschärfung
Heil: Viele Flüchtlinge wollen arbeiten 
  
Konjunktur
Arbeitgeber und Gewerkschaft gegen Importstopp von Gas und Öl 
IW: Krieg bringt erhebliche Kosten für alle 

Tarifpolitik 
Chemie startet Tarifverhandlungen
  
Wirtschaftspolitik 
Lindner fordert neuen Anlauf für Freihandelsabkommen mit USA 
Deutsche-Bank-Chef: Russland-Sanktionen nicht vorschnell verschärfen 
  
Nachhaltigkeit 
Langfristige Energiepartnerschaft mit Katar vereinbart 
Ifo für Umverteilung wegen hoher Energiepreise 
 
Interview
Kirchhoff: „Ohne Gas gibt es massive Arbeitsplatzverluste“ 

Saarland/Region

M+E-Branche fürchtet dauerhafte Belastungen durch Russland-Ukraine-Krieg 
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges sind für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie) im Saarland ebenso wie in den übrigen Bundesländern sehr deutlich zu spüren. Obwohl der direkte Geschäftskontakt mit Russland, Belarus und der Ukraine gering ist – nur zehn Prozent der Unternehmen im Saarland geben an, Kontakt in substanziellen Umfang zu haben – werden vor allem indirekte Folgen wie Kostensteigerungen erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen.  
Bereits jetzt ist abzusehen, dass aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise die Kosten in der gesamten Wertschöpfungskette ansteigen werden: 69 Prozent der M+E-Unternehmen in Deutschland erwarten Kostensteigerungen im Einkauf. Bereits jetzt erwarten rund ein Drittel der Unternehmen im Saarland und knapp die Hälfte der Unternehmen in Deutschland Umsatz- und Gewinnrückgänge. Allerdings ist gerade in diesem Bereich die Unsicherheit sehr groß. Mehr als die Hälfte der saarländischen M+E-Unternehmen gibt an, dass aktuell noch gar nicht absehbar ist, wie Umsatz und Gewinn sich vor dem Hintergrund des Krieges entwickeln werden.  
Während ein Großteil der Unternehmen mit russischen Kunden bereits die Exporte gestoppt hat, ist die Suche nach neuen Lieferanten deutlich schwieriger. Aus Russland, der Ukraine und Belarus kommen viele Rohstoffe und Vorleistungen, die in der deutschen M+E-Industrie weiterverarbeitet werden. Wenn diese nicht geliefert werden können, ist die gesamte Wertschöpfungskette gestört. Besonders kritisch ist die Situation bei Eisen und Stahl sowie Metallen. Zwei Drittel der Unternehmen im Saarland, die Lieferbeziehungen zu den Regionen unterhalten, sind bei Eisenerz, Roheisen und Stahl von Lieferungen aus den drei Ländern betroffen (bundesweit 63 Prozent), bei Aluminium sind es sechs von zehn (bundesweit 45 Prozent). Auch Erdöl und Erdgas werden als wichtige Zulieferprodukte genannt.  
Zwei Drittel der Unternehmen, die Lieferungen aus der betroffenen Region erhalten, berichten über Engpässe. 18 Prozent deutschlandweit müssen bereits die Produktion einschränken. Kurzfristig ist auch nicht mit alternativen Lösungen zu rechnen: Knapp ein Drittel der betroffenen saarländischen Unternehmen (deutschlandweit 38 Prozent) erwartet, ausbleibende Lieferungen schwer bis überhaupt nicht ersetzen zu können. Viele Rohstoffe und Vorleistungen waren bereits vor dem Krieg auf den Weltmärkten knapp und haben sich infolgedessen nochmals massiv verteuert.  
Die Probleme wirken sich auf die gesamte Branche aus: Bundesweit erwarten bereits 20 Prozent aller M+E-Firmen Beeinträchtigungen im globalen Wettbewerb, jedes dritte Unternehmen davon sogar dauerhaft. 23 Prozent sehen sich – überwiegend bei einem intensivierten Konflikt – als wirtschaftlich gefährdet an. Trotz der hohen Betroffenheit wollen die M+E-Unternehmen ihre Belegschaften weit überwiegend halten, wobei derzeit 20 Prozent mit Kurzarbeit planen müssen. 
Der Außenhandel zwischen dem Saarland und Russland sowie der Ukraine bewegt sich im niedrigen, einstelligen Prozentbereich. Der Anteil russischer Importe betrug 2021 nach Angaben des Statistischen Amts des Saarlandes 2,7 Prozent, die Exporte lagen bei 1,4 Prozent des Gesamtexports. Der Außenhandel mit der Ukraine beläuft sich bei Import und Export bei jeweils 0,2 Prozent. Die Handelsbeziehungen zwischen dem Saarland und Belarus haben mit 0,09 Prozent (Export) und 0,01 Prozent (Import) minimale Bedeutung. Wegen der starken weltweiten Vernetzungen haben aber vor allem indirekte Effekte Wirkung, wenn einzelne Produkte innerhalb der Lieferketten ausfallen und nicht ersetzt werden können. 
„Für die saarländischen Unternehmen ist der Russland-Ukraine-Krieg eine weitere starke Belastung“, sagt ME-Saar-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter. „Viele der Unternehmen sind noch von den Auswirkungen der Corona-Pandemie gefordert, nun kommen weitere Lieferprobleme hinzu, die die Produktion erneut gefährden. Trotz hoher Nachfrage und vollen Auftragsbüchern können die Unternehmen deshalb nur mit begrenzter Kapazität produzieren.“ Zusätzlichen Druck erwartet Schlechter durch die zu erwartenden Zweitrundeneffekte, wenn sich durch die hohen Energiepreise Vorprodukte erheblich verteuern und die Inflation steigt. Vor allem ein Stopp der Energielieferungen durch Russland hätte dramatische Auswirkungen auf die Industrie. Die Politik müsse vor diesem Hintergrund einen Fokus auf die Versorgungssicherheit im Energiebereich in Deutschland legen.  
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen betont Schlechter, dass der Verband der Metall- und Elektroindustrie als wichtiger Arbeitgeberverband der saarländischen Wirtschaft die Sanktionen gegen Russland voll und ganz unterstützt. „Der Angriffskrieg Russlands auf ein demokratisches Nachbarland ist nicht zu rechtfertigen. Wirtschaftlicher Druck ist ein wichtiges Mittel in der aktuellen Auseinandersetzung mit Russland. Neben allen wirtschaftlichen Verwerfungen steht vor allem das Leid der von diesem Krieg betroffenen Menschen im Vordergrund.“ 
An der Umfrage haben im Zeitraum von 4. bis 10. März 2022 1.376 Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie mit 767.460 Beschäftigten teilgenommen. Das sind rund 20 Prozent aller in den Mitgliedsverbänden von Gesamtmetall organisierten Unternehmen mit 31 Prozent aller Beschäftigten in den Mitgliedsunternehmen bzw. 19 Prozent aller Beschäftigten in der M+E-Industrie insgesamt. Im Saarland haben sich 30 Unternehmen an der Umfrage beteiligt. (Quelle: ME Saar) 

Ukraine-Krieg wirkt sich auf heimische Baubranche aus 
Die saarländische Baubranche schlägt Alarm: Viele Baustoffe seien derzeit gar nicht mehr erhältlich oder hätten sich enorm verteuert. Betroffen sind vor allem Produkte, die aus Erdöl hergestellt werden oder solche, deren Rohstoffe aus der Ukraine oder Russland kommen. „Die saarländische Baubranche ist in heller Aufregung“, sagt Christian Ullrich vom Arbeitgeberverband der Bauwirtschaft des Saarlandes (AGV Bau Saar). „Unsere Betriebe aus allen Gewerken berichten, dass viele Baustoffe, insbesondere aus erdölbasierten Kunststoffen, überhaupt nicht mehr lieferbar sind und wenn doch, nur zu extrem hohen Preisen.“ Auch der Transport von Baumaterial und andere Dienstleistungen seien um bis zu einem Viertel teurer als bisher, sagen Bauunternehmer. Dabei hatten sich die Materialpreise für Kunststoffe, Beton, Baustahl und Holz während der Corona-Pandemie sowieso schon deutlich verteuert. Auch Baustahl kommt offenbar kaum nach. Es geht dabei um Stahlmatten, Stahlträger, Stabstahl und Bleche, berichtet das Fachmagazin für die Baubranche B_I Baumagazin. Der Grund: Rund 30 Prozent des Baustahls und 40 Prozent des Roheisens kommen aus Russland, der Ukraine und Weißrussland, so die Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes. (Quelle: SR) 

Rund 700 Menschen protestierten gegen SVolt-Fabrik 
In Überherrn haben am Samstag rund 700 Menschen gegen die geplante Ansiedlung der SVolt-Batteriefabrik auf dem Linslerfeld protestiert. Zu der Demo hatten die Bürgerinitiativen aus Friedrichweiler und Überherrn aufgerufen. Der Demonstrationszug gegen die geplante Fabrik des chinesischen Batterieherstellers SVolt führte entlang des Linslerfeldes in Überherrn. Neben den beiden Bürgerinitiativen beteiligten sich auch Umwelt- und Naturschutzverbände wie der Nabu, Greenpeace und der BUND. Nach Polizeiangaben nahmen etwa 700 Menschen daran teil. Die Bürgerinitiativen wollen den Bau auf dem Linslerfeld, das in einer Wasserschutzzone 3 liegt, verhindern. Peter Lorson, der Vorsitzende der Bürgerinitiative Friedrichweiler, sagte dem SR, das Linslerfeld sei unter Umwelt- und Naturschutzaspekten sowie auf Grund der wasserintensiven Batterieproduktion nicht der richtige Standort. Bis zum Frühsommer wird der Überherrner Gemeinderat über die Ansiedlung entscheiden. Aktuell werten die Gemeinderatsmitglieder über 1000 Seiten Gutachten aus. Ab Mitte April sollen die Gutachten dann der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. (Quelle: SR) 

   
Arbeitswelt 
  
Betriebe entscheiden über Corona-Schutz – DGB fordert Nachschärfung 
Seit dieser Woche entscheiden Arbeitgeber, welche Corona-Schutzmaßnahmen in ihren Betrieben gelten. Die Homeoffice-Pflicht läuft aus und sie müssen dann die Gefahr durch das Virus selbst einschätzen und ihr Hygienekonzept daran angepasst gestalten. In einem entsprechenden Kabinettsbeschluss werden Maßnahmen wie wöchentliche Tests und das Vermeiden von Kontakten mittels Homeoffice genannt - die Arbeitgeber müssen „im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung" prüfen, was davon aus ihrer Sicht sinnvoll ist. Die neue Arbeitsschutzverordnung bedeutet also weniger festgelegte Regeln und mehr Eigenverantwortung. Dabei haben Betriebsräte, sofern im Unternehmen vorhanden, ein Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung und dem Hygienekonzept. Denn gemäß Betriebsverfassungsgesetz habe der Betriebsrat bei Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn die gesetzlichen Vorschriften einen ausgestaltungsbedürftigen Rahmen vorgeben, teilte das Bundesarbeitsministerium mit. Das sei hier der Fall. Laut dpa-Umfrage wollen viele große Unternehmen an kostenlosen Tests und Masken für ihre Beschäftigten festhalten. Mobiles Arbeiten sei bei den meisten auch angesichts der aktuellen Corona-Lage bei vielen Unternehmen weiterhin möglich, sofern es mit der Tätigkeit vereinbar sei. Bei Siemens bleibe die Empfehlung, im Homeoffice zu arbeiten, sagte ein Sprecher. Eine hundertprozentige Rückkehr in die Büros sei nicht das Ziel. Nach der Pandemie hätten die Beschäftigten grundsätzlich die Möglichkeit, zwei bis drei Tage die Woche mobil zu arbeiten. Kritik an der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht äußerte der DGB-Vorsitzende Hoffmann. Er fordert aufgrund der aktuell hohen Inzidenzen eine rasche Rücknahme von Coronalockerungen. Das Infektionsschutzgesetz und die Covid-Arbeitsschutzverordnung müssten rasch nachgeschärft werden. (Quelle: dpa, Spiegel, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

Heil: Viele Flüchtlinge wollen arbeiten
Bundesarbeitsminister Heil will ukrainische Flüchtlinge schnell in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren. Es gebe in vielen Bereichen einen Arbeitskräftemangel, sagte Heil am Freitag im Fernsehsender „Welt“. „Es muss Spracherwerb möglich sein. Es muss klar sein, dass Qualifikationen, die in der Ukraine erworben sind, hier auch anerkannt werden.“ Das müsse zügig geklärt werden. „Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viele Menschen, die kommen, hier auch wissen, dass aufgrund der dramatischen Lage sie länger in Deutschland bleiben werden“, so Heil. Viele wollten auch arbeiten. Deutsche Unternehmen seien auch zur Beschäftigung der Betroffenen bereit, „weil sie sie brauchen können“. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  

Konjunktur 

Arbeitgeber und Gewerkschaft gegen Importstopp von Gas und Öl 
Die Arbeitgeber der M+E-Industrie haben vor einem möglichen Energie- und Rohstoffembargo für russisches Öl und Gas gewarnt. Ein solcher Schritt werde „kurzfristig dazu führen, dass Prozesswärme für die Industrie und das produzierende Gewerbe nicht mehr zur Verfügung steht", sagte der Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Zander. „Wir hätten innerhalb kürzester Zeit in vielen Bereichen Produktionsstopps", betonte er. Dazu gehörten etwa die Lebensmittel- und Fleisch- sowie die chemische Industrie. Zander geht davon aus, dass der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland die Erholung der Industrie deutlich verlangsamen werden. „Der Krieg und seine Folgen werden den erhofften Aufschwung weit nach hinten schieben, das ist jetzt schon absehbar." Gesamtmetall hatte bislang erwartet, dass die M+E-Industrie im Laufe dieses und des kommenden Jahres wieder an das Vor-Krisen-Niveau aus dem Jahr 2018 anknüpfen werde. Auch die IG Metall äußerte sich am Freitag ablehnend zu einem möglichen Energie- und Rohstoffembargo. „Ein sofortiges Embargo für Gas, Steinkohle und Öl wäre kontraproduktiv und würde Wirtschaft und Verbrauchern in Deutschland viel mehr schaden als Russland", sagte Gewerkschaftschef Hofmann dem „Handelsblatt". (Quelle: dpa, Handelsblatt, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
IW: Krieg bringt erhebliche Kosten für alle 
Russlands Krieg in der Ukraine wird für die Bundesbürger nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft teuer werden. Es sei „mit erheblichen Kosten zu rechnen, die wir alle zu tragen haben“, sagte IW-Ökonomin Kolev auf einem Wirtschaftsforum in Berlin. „Wenn der Gaspreis auf heutigem Niveau bleibt, dann haben wir eine zusätzliche Inflationsrate von etwa zweieinhalb Prozentpunkten“, sagte Kolev. Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise stiegen, in der Industrie komme es wegen fehlender Vorprodukte zu Produktionsstillständen, das Wirtschaftswachstum werde erheblich beeinträchtigt. Hinzu kämen die Kosten für die rasche Anpassung der Energieversorgung, um die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu senken: „All das wird sich dauerhaft auswirken.“ (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Tarifpolitik 
  
Chemie startet Tarifverhandlungen 
In Hannover beginnen heute die bundesweiten Tarifgespräche für die rund 580.000 Beschäftigten der Chemie- und Pharmabranche. Es sind die ersten Verhandlungen über einen großen Flächentarifabschluss in Deutschland in diesem Jahr. Seit Anfang März gab es Sondierungstreffen in einzelnen Regionen - diese blieben allerdings noch ohne nennenswerte Annäherung. Die IG BCE fordert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Entgeltplus oberhalb der schon hohen Inflationsrate. Einbußen beim Reallohn seien nicht hinnehmbar, stattdessen müsse die Kaufkraft gesichert und gestärkt werden. Vertreter der Unternehmen sehen wegen der ebenfalls steigenden Investitions- und Rohstoffkosten aber keinen Spielraum dafür. Sie verweisen außerdem darauf, dass die Lage der Betriebe derzeit regional sehr unterschiedlich sei. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Wirtschaftspolitik 

Lindner fordert neuen Anlauf für Freihandelsabkommen mit USA 
Mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen fordert Bundesfinanzminister Lindner einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA. „Wir sollten die Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen wieder aufnehmen. Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, wie wichtig der freie Handel mit Partnern in der Welt ist, die unsere Werte teilen“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“. „Aus den Erfahrungen mit den TTIP-Gesprächen sollten wir dabei lernen.“ Das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP („Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“) wurde 2016 auf Eis gelegt. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Deutsche-Bank-Chef: Russland-Sanktionen nicht vorschnell verschärfen 
Der Vorstandschef der Deutschen Bank, Sewing, warnt davor, zu früh neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. „Wir sollten die verkündeten Sanktionen zunächst einmal wirken lassen“, sagte Sewing der „Welt am Sonntag“. Ob es schärfere Sanktionen brauche, müsse immer wieder neu überprüft werden. Denn: „Diese Sanktionen haben aber eben auch einen negativen Effekt auf uns, und das müssen wir durchhalten.“ Sewing machte aber gleichzeitig deutlich: „Wenn es die Bundesregierung für nötig halten sollte, werden wir das mittragen.“ (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Nachhaltigkeit
  
Langfristige Energiepartnerschaft mit Katar vereinbart  
Deutschland und Katar haben nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Habeck eine langfristige Energiepartnerschaft "fest vereinbart". Dies sei ein Schritt auf dem Weg, angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine weniger abhängig von russischem Gas zu werden. Habeck wollte keine Angaben zu vereinbarten Mengen machen. Katar ist einer der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas (LNG). Der Minister sagte, die vereinbarte Partnerschaft mit Katar umfasse nicht nur LNG-Lieferungen, sondern auch den Ausbau von erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz. In diesen Bereichen könnten deutsche Firmen viel anbieten. Laut Habeck kann Deutschland zur Deckung des Energiebedarfs auch künftig nicht nur mit Demokratien zusammenarbeiten. „Viele Opec-Staaten sind problematisch", sagte Habeck der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vor seinem Besuch in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
(Quelle: dpa, FAS, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Ifo für Umverteilung wegen hoher Energiepreise 
Ifo-Präsident Fuest spricht sich angesichts der hohen Energiepreise für eine Umverteilung zugunsten ärmerer Haushalte aus. „Höhere Energiepreise kann der Staat nicht aus der Welt schaffen, wir können das nur umverteilen“, sagte Fuest in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Bayerischen Rundfunks. „Umverteilen bedeutet, dass besonders betroffene Gruppen zwar in der Tat geschützt werden, die anderen aber nicht nur die höheren Energiepreise tragen, sondern noch was obendrauf bezahlen müssen.“ Die wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine nochmals stark gestiegenen Energiepreise machten sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern zu schaffen, sagte Fuest. Er rechne für dieses Jahr mit einer Inflationsrate von mehr als fünf Prozent. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
 
Interview  

Kirchhoff: „Ohne Gas gibt es massive Arbeitsplatzverluste“ 
  
Herr Kirchhoff, bedeutet die Zeitenwende das Ende der Globalisierung? 
Das will ich nicht hoffen. Vieles ist im Umbruch, das beobachten wir ja schon länger, und manches ist ins Stocken geraten. Das hing mit Trump zusammen, mit der chinesischen Handelspolitik und mit zunehmenden Spannungen in verschiedenen Regionen. Mit dem Kriegsausbruch stellt sich nun mehr denn je die Frage, wie die westliche Welt auf autoritäre und aggressive Regime reagieren sollte. 
  
Die Politik hat sich für Sanktionen und Aufrüstung entschieden.
Vor zehn Jahren haben wir gedacht, dass wir uns mit unseren Werten überall durchsetzen würden: Demokratie, soziale Marktwirtschaft, Freiheit für die Menschen – besser geht es doch nicht. Aber manche gehen andere Wege, und unsere moralische Stärke allein reicht offensichtlich nicht aus. Wir müssen wirtschaftlich stärker sein als autoritäre Staaten, damit die Menschen merken, in welchem System es ihnen bessergeht. Ich bin überzeugt: Unser Modell ist attraktiver für die Menschen, weil es soziale Standards erlaubt, vielfältige Bildung und Teilhabe, ein gutes Leben. Die deutsche Wirtschaft basiert auf Export und Freihandel, und der stößt immer häufiger an Grenzen. Sicher sind wir eine Exportnation, aber wir sind auch sonst internationaler geworden. In den letzten Jahren haben wir zunehmend Produktionen in den jeweiligen Ländern oder Regionen aufgebaut. Wir stellen die Güter dort her, wo sie nachgefragt werden. Das ist am besten zu sehen in China, wo wir in den vergangenen 30 Jahren beigetragen haben, 700 oder 800 Millionen Menschen aus der Armut zu holen. Wir sind nach China gegangen, haben Technologie transferiert und den Leuten Arbeit gegeben. Das ist auch ein Teil des Modells Deutschland.
  
In China haben deutsche Unternehmen erheblich mehr investiert als in Russland. Was passiert, wenn sich der Konflikt der Chinesen mit den USA zuspitzt? 
Auch da müssen wir moralisch und wirtschaftlich Stärke zeigen. Da die Welthandelsorganisation WTO derzeit nicht mehr richtig funktioniert, brauchen wir neue Handelsabkommen, um gemeinsame Regeln etwa auch im indopazifischen Raum zu definieren. So zeigen wir den Chinesen auch, dass wir stark sind. 
 
Und wenn Xi Jinping Taiwan attackiert? 
Die Chinesen haben in den letzten Jahrhunderten keine Kriege geführt. Sie nutzen ihre wirtschaftliche Stärke strategisch aus, etwa mit der Neuen Seidenstraße oder den Infrastrukturprojekten in Afrika. Da besetzen sie übrigens Lücken, die der Westen gelassen hat. Auch hier gilt: Wenn wir Abkommen mit afrikanischen Staaten schließen, dann können wir womöglich auch dort unsere Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten zur Geltung bringen.
  
In Russland hat das nicht funktioniert. Knapp 25 Milliarden Euro haben deutsche Firmen dort investiert – zumindest ein Teil davon muss wohl abgeschrieben werden.
Das ist möglich. Fakt ist: Im Moment muss die Welt zusammenstehen und die Sanktionen mittragen. Das passiert gerade und wird von der deutschen Wirtschaft selbstverständlich mitgetragen. 
 
Der russische Markt ist tot für Unternehmen aus dem Westen. Wie geht es weiter mit Ihren Werken vor Ort? 
Wir bauen in Moskau und St. Petersburg Müllfahrzeuge. Im Moment passiert da nichts, unsere Konten sind eingefroren. Wir wissen nicht, ob wir alle enteignet werden oder ob wir irgendwann weitermachen können. Wichtig ist erstmal, dass das Blutvergießen aufhört. Dann können wir uns irgendwann auch wieder um unser Geschäft und die Menschen kümmern. Russland ist ja mehr als Putin. 
  
Wie betroffen ist Kirchhoff insgesamt? 
Wir haben 50 Produktionsstandorte in 20 Ländern auf fünf Kontinenten. In der Nähe von Posen steht aktuell die Produktion in einem unserer Werke in Polen, weil unser Kunde Volkswagen vor Ort nicht mehr produziert. Es fehlen Teile, auch aus der Ukraine. Unsere anderen polnischen Werke arbeiten noch, weil die an verschiedene Autohersteller liefern. 
  
Ohne Einschränkungen? 
Von Montag bis Donnerstag wird normal gearbeitet, Freitag ist Kurzarbeit. Das gilt auch für unsere Standorte in Ungarn und Rumänien, weil die Autohersteller derzeit alle eingeschränkt produzieren, da es Probleme mit Vorprodukten gibt. 
  
Erst Corona, dann der Krieg: Kann die globalisierte Wirtschaft noch mit diesen wackeligen Lieferketten leben? 
Wir haben gemerkt, wie verletzlich die Ketten sind und justieren uns neu, indem wir zum Beispiel die Zahl der Lieferanten erhöhen. Grundsätzlich müssen die Lieferketten robuster werden. Ferner sollten wir gewisse Güter zumindest in Europa produzieren. Dazu gehören Schlüsseltechnologien und Medikamente, übrigens auch einfache, aber für unsere Versorgung wichtige Produkte wie etwa Schutzmasken. 
  
Das befreit uns nicht aus der Rohstoffabhängigkeit. 
Jetzt ist die große Frage, wo wir die wichtigsten Stoffe besorgen können auf der Welt. Und wie schnell wir sie bekommen. In der Industrie gibt es verschiedene Taskforces, die sich damit beschäftigen. 
  
Ist das ohne Russland machbar? 
Schwierig. Wir importieren ja nicht nur Öl, Gas und Kohle aus Russland und der Ukraine, sondern auch Titan und Nickel, Aluminium und Technische Gase. Zu möglichen Alternativen gehören Rohstoffe aus Europa, die wir aber häufig nicht aus der Erde holen dürfen. Schon bei Kies und Sand gibt es ökologische Vorbehalte. Wir können uns aber keine Denkverbote leisten, wenn wir uns stärker selbst versorgen wollen. 
  
Ist Fracking-Gas aus Niedersachsen vorstellbar? 
Das sollte man zumindest diskutieren. Womöglich ist das ökologisch sinnvoller, als Fracking-Gas aus Australien und den USA mit LNG-Tankern nach Europa zu verschiffen. Für die Umstellung der Industrie auf Klimaneutralität wird enorm viel Strom respektive Wasserstoff gebraucht.  
  
Wie kann das funktionieren, wenn die Energiepreise durch die Decke gehen? 
So schlimm es klingt, aber der Krieg macht die Notwendigkeiten auf brutale Weise sichtbar: Den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen, auch durch viel schnellere Genehmigungszeiten. Kurzfristig brauchen wir Versorgungssicherheit, zugleich müssen wir mittelfristig mit hohem Tempo eine größere Unabhängigkeit von Energielieferanten erreichen.
  
Das wird viele Jahre dauern. 
Wir müssen schneller werden. Zum Beispiel bei der Infrastruktur. Intelligente Netze ermöglichen Energieeinsparungen. Wenn wir den Stromfluss mithilfe smarter Netze managen, lässt sich viel sparen. Die ewigen Planungs- und Genehmigungszeiten können wir uns nicht mehr leisten. Tesla in Brandenburg ist ein gutes Beispiel für Tempo. So arbeiten übrigens viele Familienunternehmen: Wir fangen bereits an, wenn es vorläufige Genehmigungen gibt, sonst verlieren wir zu viel Zeit. 
  
Haben Sie den Eindruck, dass die Ampel-Regierung mehr Geschwindigkeit bringt? 
Bis Jahresende will Robert Habeck die Gesetze so weit geändert haben, dass wir Geschwindigkeit aufnehmen können auf allen Verwaltungsebenen. Ja, alles in allem habe ich bislang einen guten Eindruck von der Arbeit der Ampel. 
  
Teilen Sie die Einschätzung von Habeck, dass wir ohne russisches Gas nicht wirtschaften können? 
Kurzfristig kommen wir ohne das Gas nicht klar. Der Schaden, den wir bei uns anrichten würden, wäre möglicherweise größer als der Schaden, den wir bei Putin anrichten. Wir brauchen das russische Gas nicht unbedingt für die Heizung, das kriegen wir notfalls auch über andere Bezugsquellen noch hin. Wir brauchen die russischen Gasmengen derzeit aber noch zwingend als Prozessgas in vielen Bereichen unserer Industrie, da gibt es keine ausreichenden Alternativen. Kappen wir hier russische Lieferungen, dann reden wir über massive Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste im ganzen Land. 
  
Ist dieses Jahr mit Blick auf die Konjunktur überhaupt noch zu retten? 
Es hatte ja gut begonnen, die Auftragseingänge waren im Januar so hoch wie lange nicht mehr, die Bücher sind voll. Doch wir konnten vieles nicht abarbeiten, weil gleichzeitig die Lieferzeiten immer länger werden. Das ist durch den Krieg wahrlich nicht besser geworden. Wenn jetzt die Verbraucher auch wegen der hohen Energiepreise weniger konsumieren, dann kriegen wir mindestens eine Delle. 
  
Und die Unternehmen? 
Die überlegen natürlich, welche Investitionen jetzt getätigt werden und welche man schiebt. Vielen energieintensiven Unternehmen schmelzen die Gewinne weg wie die Butter in der Sonne, oder sie rutschen bereits tief in die roten Zahlen. Mithilfe der KfW und Landesbürgschaften wie zum Beispiel in NRW kann zwar kurzfristig Liquidität gesichert werden, die strukturellen Probleme werden dadurch aber nicht gelöst. 
  
Wo bleibt die „Allianz für Transformation“, die die Ampel als ein Modernisierungsbündnis mit Wirtschaft und Gewerkschaften schmieden will? 
Das ist durch den Krieg in den Hintergrund geraten, was jeder versteht. Mit der Allianz wollen wir schneller werden und zum Beispiel den Einsatz von Wasserstoff ermöglichen. Das muss man koordinieren, um einen beschleunigten Einstieg in die Transformationsthemen zu bekommen. Die Allianz sollte vom Kanzleramt gesteuert werden, wir stehen bereit.
(Quelle: Tagesspiegel, M+E-Newsletter Gesamtmetall)