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VSU-Schlagzeilen 25.03.2022

Staatskanzlei fördert IT Inkubator an der Universität des Saarlandes / Keine Tarifeinigung für Luftsicherheitskräfte – weitere Streiks drohen / Energiekosten: Ampel-Koalition präsentiert Entlastungspaket / Gas gegen Rubel: Was das für Deutschland und Europa bedeutet

Saarland/Region 
Staatskanzlei fördert IT Inkubator an der Universität des Saarlandes 
Landesregierung und Bundesamt für Sicherheit (BSI) vereinbaren Kooperation 
Spediteure im Saarland leiden unter hohen Diesel-Preisen 

Tarifpolitik
Keine Tarifeinigung für Luftsicherheitskräfte – weitere Streiks drohen 

Konjunktur 
Putins Krieg dürfte 15 Jahre russisches Wachstum zunichtemachen 

Energiepolitik 
Energiekosten: Ampel-Koalition präsentiert Entlastungspaket 
Bundesrechnungshof rügt die deutsche Klimaschutzpolitik und fordert neuen Kurs 
EU-Kommission prüft Szenarien für Winter ohne russisches Gas 

Wirtschaftspolitik, Gesellschaft
Wolf: Neuer Anlauf für TTIP sinnvoll 
Gas gegen Rubel: Was das für Deutschland und Europa bedeutet 
Forscher fordern Reduzierung der Förderung für Hybride 

Interview 
Wolf: „Bei Gasembargo steht Hälfte der Betriebe still“ 

Saarland/Region 

Staatskanzlei fördert IT Inkubator an der Universität des Saarlandes 
Die saarländische Staatskanzlei unterstützt den IT Inkubator an der Universität des Saarlandes mit 300.000 Euro. Die Förderung sei ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung erfolgreicher Strukturen zum Aufbau und Begleitung von Unternehmen in ihrer Frühphase, teilte die Staatskanzlei gestern mit. Gleichzeitig sollen die Vorbereitungen zur Weiterentwicklung des IT Inkubators im Rahmen des SaarTechCycle unterstützt werden. „Wir wollen das Saarland im Bereich der wissens- und technologieorientierten Gründungen noch besser aufstellen und so Ideen in wirtschaftliche Anwendungen überführen“, sagte Ministerpräsident Tobias Hans. Zu den Kernelementen einer Inkubation zählen alle notwendigen Schritte eines kreativen, technischen und betriebswirtschaftlichen Unternehmensaufbaus. Diese münden bei einem spannenden Geschäftsmodell in eine erfolgreiche Unternehmensgründung und in Unternehmenswachstum. (Quelle: Staatskanzlei) 

Landesregierung und Bundesamt für Sicherheit (BSI) vereinbaren Kooperation 
Der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bevollmächtigte für Innovation und Strategie und CIO der Landesregierung, Ammar Alkassar unterzeichnen eine Kooperationsvereinbarung für den Bereich der Cyber- und Informationssicherheit. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie mit der raschen flächendeckenden Ausweitung digitaler Werkzeuge, wie Videokonferenzen und Home-Office, haben die Bedeutung sicherer Systeme aufgezeigt, auch die weiterhin wachsenden Bedrohungen aus dem Cyberraum, wie wir sie rund um den Krieg in der Ukraine sehen, lassen die Anforderungen im Bereich der Cyber- und Informationssicherheit stetig wachsen. Um diesen Anforderungen bestmöglich begegnen zu können, intensiviert das Saarland seine Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationssicherheit (BSI). In Fortschreibung der bereits Ende 2018 geschlossenen Absichtserklärung weiten nun beide ihre Zusammenarbeit aus. In der Vereinbarung wurden insgesamt 24 Kooperationsfelder identifiziert, auf denen das Saarland und das BSI künftig vertieft zusammenarbeiten wollen. Schwerpunktbereiche sind unter anderem eine stärkere Vernetzung und ein vertiefter Austausch von Informationen und Lagebildern, die Zusammenarbeit im Bereich der Sensibilisierung und Fortbildung und die gegenseitige Unterstützung bei der Umsetzung von Cybersicherheit durch Austausch technischer Expertise, Systemen und Lösungen. Übergreifendes Ziel ist es, alle gesellschaftlichen Akteure (Staat, Unternehmen, sowie Bürgerinnen und Bürger) mit Blick auf die Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit zu stärken. (Quelle: Staatskanzlei) 

Spediteure im Saarland leiden unter hohen Diesel-Preisen 
Die saarländischen Spediteure leiden unter den hohen Dieselpreisen. Die gestiegenen Preise brächten hohe zusätzliche Kosten, die sich nicht auf die Kunden umlegen könnten, beklagen sie. Als „Wahnsinn“ bezeichnet Ingo Jungels aus Wadern die aktuelle Preissituation. Die Liquidität der Unternehmen sei dadurch stark angespannt, einige Unternehmen ständen vor dem Aus. Zwar gebe es die Möglichkeit, Preissteigerungen über Gleitpreisklauseln an die Kunden weiterzugeben, sagt Peter Schöndorf aus Blieskastel. Bis diese verhandelt seien, müsse die Spedition die Kosten aber selber tragen, sagt er. Die Fahrzeuge der Spedition Schöndorf benötigen monatlich rund 100.000 Liter Diesel. Die Mehrkosten sind demnach erheblich. (Quellen: SR, Saarbrücker Zeitung) 

  
Tarifpolitik 
  
Keine Tarifeinigung für Luftsicherheitskräfte – weitere Streiks drohen
Der von heftigen Warnstreiks begleitete Tarifkonflikt in der Luftsicherheitsbranche wird sich voraussichtlich in die reisestarke Osterzeit hineinziehen. In der Nacht zum Freitag ist die fünfte Verhandlungsrunde in Raunheim bei Frankfurt ohne Einigung beendet worden, wie eine Sprecherin der Arbeitgeber berichtete. Die Gewerkschaft Verdi habe ein erneut verbessertes Angebot ausgeschlagen. Zwar wurde verabredet, in der Woche vom 4. bis zum 8. April erneut zu verhandeln, doch bis dahin könnte es erneute Streikaktionen geben. In der genannten Woche haben bereits in mehreren Bundesländern die Schulferien begonnen. Ein genauer Termin für die dann sechste Tarifrunde steht noch nicht fest. (Quelle: handelsblatt.com, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
 
Konjunktur 
  
Putins Krieg dürfte 15 Jahre russisches Wachstum zunichtemachen 
Mit dem Einmarsch in die Ukraine, den darauf folgenden Sanktionen und dem Abzug ausländischer Unternehmen und Investoren dürfte Russland bis Ende 2023 15 Jahre wirtschaftliche Entwicklung zunichtemachen. Das schätzt das Washingtoner Institute of International Finance. Die russische Wirtschaft dürfte alleine 2022 um 15 Prozent schrumpfen und im Jahr 2023 um weitere 3 Prozent einbrechen, womit das Bruttoinlandsprodukt auf dem Stand von vor fünfzehn Jahren zurückfallen würde, schreiben die Ökonomen Hilgenstock und Ribakova in einer vorläufigen Einschätzung. Weitere Sanktionen könnten die Situation noch verschlimmern. (Quelle: Bloomberg, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Energiepolitik 

Energiekosten: Ampel-Koalition präsentiert Entlastungspaket 
Mit umfangreichen Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland reagiert die Ampel-Koalition auf die stark gestiegenen Energie- und Spritpreise. Geplant sind eine Energiepreispauschale, eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate sowie Hilfen für Familien und Geringverdiener. Das teilten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP in Berlin mit. Vorgesehen sind auch billige Tickets für Busse und Bahnen im Öffentlichen Personennahverkehr sowie Maßnahmen für mehr Energieeffizienz. Die „Mitte“ der Gesellschaft solle schnell, unbürokratisch und sozial gerecht entlastet werden, hieß es in einem Beschlusspapier. Daher solle eine Energiepreispauschale eingeführt werden: Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen werde einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt. Befristet für drei Monate soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, um Pendler und Firmen zu entlasten. Die Koalition will zudem bundesweit für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr einführen. Dazu sollen die Länder entsprechende Mittel bekommen. Zur Abfederung besonderer Härten für Familien soll schnellstmöglich für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen ausgezahlt werden. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen soll um 100 Euro pro Person erhöht werden. Weiter hieß es, bei den jetzigen Energiepreisen sei davon auszugehen, dass zum 1. Januar 2023 die Regelbedarfe die hohen Preissteigerungen abbilden und damit angemessen erhöht werden. Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, werde die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für ein Klimageld entwickeln. Die Koalition verständigte sich außerdem auf Maßnahmen für mehr Energieeffizienz. Das soll auch dazu beitragen, wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu verringern. Ab dem Jahr 2024 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden ­– im Koalitionsvertrag war das bisher zum 1. Januar 2025 vorgesehen. Es soll zudem der Rahmen dafür geschaffen werden, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen können. Außerdem soll eine große Wärmepumpen-Offensive gestartet werden. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

Bundesrechnungshof rügt die deutsche Klimaschutzpolitik und fordert neuen Kurs
Der Bundesrechnungshof hat die bisherige deutsche Klimaschutzpolitik als weitgehend wirkungslos kritisiert und eine schnelle Neuausrichtung verlangt. Sämtliche Klimaschutzmaßnahmen müssten umgehend auf den Prüfstand, heißt es in einem am Donnerstag herausgegebenen Sondergutachten. Milliardenbeträge würden für nicht wirksame Programme ausgegeben, die Steuerung und Koordinierung sei mangelhaft. „Die Regierung muss umgehend die Voraussetzungen schaffen, dass die vielen Haushaltsmittel auch beim Klimaschutz ankommen“, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofs, Scheller. Mit den bisherigen Maßnahmen läuft Deutschland dem Gutachten zufolge Gefahr, sein Klimaschutzziel für das Jahr 2030 deutlich zu verfehlen. Statt der angestrebten Treibhausgas-Minderung von 65 Prozent - bezogen auf das Basisjahr 1990 – seien voraussichtlich nur 49 Prozent zu erreichen. Die neue Bundesregierung habe zwar mehr Tempo und weitere Maßnahmen angekündigt. „Das allein wird aber nach unserer Überzeugung nicht ausreichen“, sagte Scheller unter Verweis auf die bisher schlechte Steuerung und Koordinierung. Er monierte auch, dass der Bund seine teuren Klimaschutzmaßnahmen konterkariere, indem er weiterhin klimaschädliche Subventionen in Milliardenhöhe zulasse. So hätten laut Bundesfinanzministerium Finanzhilfen von 16 Milliarden Euro für das vergangene Jahr einen positiven Bezug zu den deutschen Umwelt- und Klimazielen aufgewiesen. Fast zeitgleich habe das Umweltbundesamt Subventionen von 65 Milliarden Euro im Jahr 2018 als umweltschädlich bewertet. Der Bundesrechnungshof empfiehlt, diese Subventionen abzubauen. Bei allen Klimaschutzmaßnahmen sollten künftig konkrete Zielwerte für die Minderung von Treibhausgasen festgelegt werden. Die Regierung müsse die Milliarden für den Klimaschutz dorthin lenken, wo sie am meisten Wirkung erzielen. (Quelle: Business Insider, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

EU-Kommission prüft Szenarien für Winter ohne russisches Gas 
Die EU-Kommission bereitet sich auf einen möglichen Lieferstopp von russischem Gas im kommenden Winter vor. „Wir überprüfen Szenarien für eine teilweise und volle Unterbrechung von Gasflüssen aus Russland nächsten Winter“, sagte der Kommissionsvizepräsident Dombrovskis am Donnerstag im EU-Parlament. Das solle EU-Ländern helfen, ihre Gas-Notfallpläne zu überarbeiten und ihre Anstrengungen besser zu koordinieren. Es sei deutlich, dass im Bereich der Einkäufe und Lagerung von Gas sowie bei möglichen Versorgungsunterbrechungen mehr Koordination auf EU-Ebene nötig sei, sagte Dombrovskis. Der für Wirtschaft zuständige Kommissar stellte Abgeordneten neue Pläne vor, um angesichts des Kriegs in der Ukraine die Versorgungssicherheit und niedrigere Energiepreise in Europa zu sichern, da die EU von russischen Gas-Importen abhängig ist. Am Mittwoch hatte die EU-Kommission unter anderem einen Gesetzesvorschlag für verpflichtende Gasreserven sowie Vorschläge für gemeinsame Gaseinkäufe vorgelegt. Diese sollen auch beim EU-Gipfel in Brüssel am Freitag Thema sein. (Quelle: dpa-AFX, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 

  
Wirtschaftspolitik, Gesellschaft 
  
Wolf: Neuer Anlauf für TTIP sinnvoll 
Gesamtmetall-Präsident Dr. Wolf unterstützt den Vorschlag von Bundesfinanzminister Lindner, eine Wiederaufnahme der Verhandlungen für ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA anzustreben: „Wenn wir dieser Tage eines gelernt haben, dann dass die wirtschaftliche Stärke Grundlage unseres Wohlstands, aber auch unserer Wehrhaftigkeit ist. Wir müssen deshalb alles tun, was uns wirtschaftlich stärkt, und dazu zählt vor allem, die Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern auszubauen, die unsere Werte teilen“, so Dr. Wolf heute. Das gelte auch für Kanada und Mexiko. Der erste Anlauf für das Freihandelsabkommen sei 2016 vor allem an bewusst geschürtem Antiamerikanismus gescheitert. „Insbesondere die Kritik bei uns in Deutschland, was die Umweltstandards angeht, war völlig überzogen und hat den Blick auf die gegenseitigen Vorteile einer engen Zusammenarbeit überdeckt. Jetzt sehen wir, wie volatil internationale Lieferketten sein können, wenn sie unter Stress geraten, wie jetzt während des Russland-Ukraine-Krieges. Umso wichtiger ist es, verlässliche Partner zu haben“, bekräftigte Dr. Wolf. Die EU und die USA hatten bereits im Jahr 2013 Verhandlungen über das sogenannte TTIP-Abkommen aufgenommen, um den transatlantischen Handel zu erleichtern. Ende 2016 wurden die Gespräche jedoch ausgesetzt. (Quelle: Gesamtmetall, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
Gas gegen Rubel: Was das für Deutschland und Europa bedeutet 
Knapp einen Monat nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat Kremlchef Putin im Westen mit einem Schachzug für neue Unruhe gesorgt. Seine Ankündigung, für Gaslieferungen aus Russland müssten „unfreundliche Staaten“ wie Deutschland und die übrigen EU-Mitglieder in Rubel bezahlen, verschärft Ängste vor einer Krise am Energiemarkt. Die Abkehr von Fremdwährungen soll in erster Linie den Rubel stärken, dessen Kurs nach Russlands Einmarsch in die Ukraine abgestürzt ist. Und tatsächlich legte die russische Landeswährung unmittelbar nach Putins Anweisung zu Dollar und Euro kräftig zu. Auch am Donnerstag ist der Kurs des Rubel zum Dollar gestiegen. Am Vormittag kostete ein Dollar rund 96 Rubel, vor der Ankündigung Putins vom Mittwoch waren es noch mehr als 100 Rubel. „Zeit des Rubels“, titelte die Moskauer Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. Kurz vor Kriegsbeginn kostete ein Dollar rund 80 Rubel. Hinter Putins neuer Rubel-Vorgabe steckt auch politisches Kalkül. Der Kremlchef wolle die EU zwingen, ihre eigenen Sanktionen zu umgehen und weiter mit russischen Finanzinstituten zu interagieren, schrieb nicht nur die russische Tageszeitung „Kommersant“. Unabhängig davon prognostiziert das Blatt für die kommenden Monate Zahlungsschwierigkeiten und ein erhöhtes Risiko für eine Unterbrechung der europäischen Gasversorgung. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Forscher fordern Reduzierung der Förderung für Hybride 
Forscher fordern eine deutliche Reduzierung der staatlichen Förderung für Hybrid-Autos. Einer am Freitag veröffentlichten Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI zufolge verursachen vollelektrische Batteriefahrzeuge über ihre gesamte Lebensdauer im Schnitt 63 Prozent weniger CO2 als ein vergleichbares Benzinfahrzeug. Bei Plug-in-Hybridfahrzeugen seien es hingegen im Schnitt nur 34 Prozent. (Quelle: AFP, M+E-Newsletter Gesamtmetall)

  
Interview 
  
Wolf: „Bei Gasembargo steht Hälfte der Betriebe still“ 
Ohne Gas aus Russland geht es vorerst nicht, so Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Ein Embargo lehnt er entschieden ab und warnt im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vom heutigen Freitag vor weitreichenden Folgen auf dem Arbeitsmarkt. Die Krise dürfte sich seiner Einschätzung nach auch auf die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektro-Industrie im Herbst auswirken.
  
NOZ: Herr Wolf, der Krieg gegen die Ukraine wird von Tag zu Tag brutaler und die Forderungen nach härteren Sanktionen gegen Russland reißen nicht ab. Was halten Sie von einem Gasembargo?  
Dr. Wolf: Ich halte davon überhaupt nichts. Ich kann davor nur dringend warnen. Wir befinden uns in sehr starker Abhängigkeit bei Energie und Rohstoffen aus Russland. Bei Gas schwanken die Angaben zwischen 52 und 55 Prozent des Bedarfs. Und es geht ja auch noch um Öl und Kohle sowie um Nickel, etwa zum Bau von Batterien, um Aluminium, um Stahl. Russland ist ein Riesenlieferant von Rohstoffen, die wir dringend brauchen. 
  
Welche direkten Folgen hätte ein Gasembargo? 
Wenn 50 Prozent des Gases fehlen, dann steht die Masse der Betriebe in der deutschen Industrie still. Es geht vor allem um die Chemie- und Glasindustrie, aber auch um die Metall- und Elektro-Industrie. Bei einem Gasembargo droht Millionen Beschäftigten Kurzarbeit und vielen von ihnen später womöglich auch Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die Embargos fordern, sind sich über die Tragweite offenbar überhaupt nicht bewusst. 
 
Wenn es trotzdem zum Schlimmsten kommt, wie sollte man mit einem Gaslieferstopp umgehen? 
Wir müssen dringend überlegen, wie man die Lasten verteilen kann. Ich glaube, dass es vielen Menschen dann lieber ist, dass sie mal bei 18 Grad zu Hause sitzen und einen Pullover anziehen, dafür aber ihren Arbeitsplatz behalten. Ob es besser ist, wenn die Menschen jetzt bei 22 Grad zu Hause sitzen, aber aufgrund von Arbeitslosigkeit ihre Nebenkostennachzahlung im Frühjahr nicht leisten können, da habe ich meine Zweifel. Wenn Arbeit und Wohlstand wegfallen, haben wir am Ende auch nichts gekonnt. 
  
Ein Argument gegen ein Embargo ist ja auch, dass man Sanktionen lange durchhalten können muss… 
Richtig, ansonsten geht der Schuss nach hinten los – auch weil die Russen nach einem gescheiterten Embargo die Preise deutlich anheben könnten. 
  
Russland verschärft den Wirtschaftskrieg und will Gas nur noch gegen Rubel verkaufen. Das kann man als Unterlaufen westlicher Sanktionen verstehen. Ändert sich damit Ihre Position zu Gas aus Russland? 
Nein, denn es ändert leider nicht unsere Abhängigkeit vom russischen Gas. Da von unserer wirtschaftlichen Stärke nicht nur der Wohlstand, sondern auch unsere Wehrhaftigkeit abhängt, dürfen wir uns nicht selbst wirtschaftlich schwächen. 
  
Wie lange würde es denn dauern, schrittweise von Gas aus Russland unabhängig zu werden?
Das wird Jahre dauern. Vielleicht kann man in fünf Jahren die ersten nennenswerten Erfolge sehen. Aber auch dann werden wir noch nicht komplett unabhängig sein von russischen Gas- und Rohstofflieferungen. 
  
Bleibt es ansonsten bei der eng vernetzten globalisierten Wirtschaft? 
Ich glaube, dass wir weiterhin global aufgestellt sein werden. Es ging und geht ja nicht nur darum, rund um den Globus preisgünstig produzieren und einkaufen zu können, sondern auch darum, Märkte zu erschließen. Wenn die Fahrzeugindustrie zum Beispiel nicht nach China gegangen wäre, würde es den Herstellern heute viel schlechter gehen. Deshalb wird die Globalisierung nicht zurückgedreht werden. Wir exportieren Wohlstand in andere Länder und sichern zugleich Jobs und Wohlstand in Deutschland. Zudem darf man nicht vergessen: Wenn wir uns zurückziehen, dann stehen andere in den Startlöchern. Die werden sich dann die Märkte holen. 
  
Es kann aber sicher nicht alles beim Alten bleiben? 
Nein, sicher nicht. Wir sollten wieder mehr in Deutschland oder Europa produzieren, um die Lieferketten zu stabilisieren. Zulieferteile, die wir nur unter Lohnkostengesichtspunkten im Ausland produzieren, sollten wir künftig zum Teil wieder in Deutschland herstellen. Das könnte hier im Übrigen auch neue Arbeitsplätze schaffen. Dann muss der Kunde allerdings auch bereit sein, höhere Preise zu bezahlen. 
  
Der Krieg bremst die Konjunktur. Welches Wachstum erwartet die Metall- und Elektro-Industrie im laufenden Jahr? 
Bei anhaltenden Problemen mit der Versorgung und den Lieferketten rechnen wir in der Metall- und Elektro-Industrie mit einem Nullwachstum. Womöglich rutschen wir sogar in die Rezession. Das ist bitter, denn wir hatten ja gerade die Hoffnung, nach den schweren Corona-Jahren wieder an das Niveau von 2018 heranzukommen. Seither haben wir einen ständigen Rückgang gehabt, der sich nun fortsetzen dürfte. 
  
Wie kann man gegensteuern? Welche Hilfen braucht die Wirtschaft?
Ganz wichtig: Die Kurzarbeitsregelung mit der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen muss bis zum Jahresende verlängert werden. Wir brauchen außerdem attraktive Investitionsmodelle. Zum Beispiel könnte man Unternehmen ermöglichen, eigene Windkraftanlagen zu bauen. Man sollte auch die Mehrwertsteuer auf Energie senken, aber das müssen die EU-Mitgliedstaaten einstimmig erlauben. Wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten angesichts des Kriegs mitten in Europa. Alle gesellschaftlichen Kräfte müssen zusammenwirken und jeder muss seinen Beitrag leisten.
  
Müssen sich Kunden und Verbraucher auf längere Wartezeiten einstellen? 
Ganz bestimmt. Die Lieferzeiten werden sich verlängern, zum Beispiel für Autos, für die besonders viele unterschiedliche Teile gebraucht werden. Auch weiß man nicht, wann die Produktion in der Ukraine mit ihren vielen Zulieferern wieder anläuft. Selbst wenn in Kürze die Waffen schweigen würden, ist ja nicht klar, ob und wann all die Geflüchteten wieder in die Ukraine zurückkehren. Da kann es schon sein, dass einem Betrieb dann 100 oder 1.000 Mitarbeiter fehlen, weil sie z. B. geflüchtet sind. 
  
Trotz der angespannten Wirtschaftslage beharrt DGB-Chef Reiner Hoffmann auf deutlich mehr Geld für die Beschäftigten. Wie hart wird die Tarifrunde für die Metall- und Elektro-Industrie im Herbst? 
Wir haben einen massiven Zielkonflikt, denn von steigenden Preisen sind sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen betroffen. Eine solche Situation hatten wir in dieser Schärfe lange nicht. Ich bin mir deshalb nicht sicher, dass wir im September eine Tarifrunde in der gewohnten Form machen können. 
  
Was wäre die Alternative? 
Es wäre nichts gewonnen, wenn wir im Herbst einen zusätzlichen Kostenschub vereinbaren würden und dies dann vielen Unternehmen das Genick brechen würde. Wenn dieser Krieg noch ein paar Monate weitergeht, dann haben wir eine Situation, die deutlich dramatischer ist, als die im März 2020 durch Corona. 
 
Wie kommen wir raus aus der Abhängigkeit von Russland? Und wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Reise von Wirtschaftsminister Habeck nach Arabien? 
Es ist richtig, Alternativen zu suchen für Energie aus Russland, frei von Risiken und Problemen ist das aber nicht. Jetzt holen wir noch mehr Energie aus dem Nahen Osten. Aber was ist, wenn es dort zu neuen Krisen oder Konflikten kommt? Kritisch ist auch, dass man so die Abhängigkeit von Russland gegen die Abhängigkeit von Ländern tauscht, die es mit den Menschenrechten alles andere als genau nehmen. 
  
Was genau werfen Sie der Politik vor?
Ich verstehe die Zwänge der Politik ja voll und ganz. Aber die Politik misst hier mit zwei Maßstäben. Deutsche Unternehmen müssen gemäß dem Lieferkettengesetz bis ins letzte Detail nachweisen, mit wem sie zusammenarbeiten, um Verstöße gegen Menschenrechte auszuschließen. Und der Staat, der dieses Gesetz gemacht hat, verstärkt jetzt notgedrungen die Zusammenarbeit mit Katar. Das ist aus der Not heraus geboren, sicher, aber es ist und bleibt ein Widerspruch. Konsequenterweise müsste die Regierung eigentlich sagen: Wir schaffen das Lieferkettengesetz wieder ab. 
  
Sollten wir jetzt noch schneller und entschlossener auf erneuerbare Energien setzen?  
Ja, das hätten wir schon viel früher machen müssen. Jetzt ist der Druck brutal hoch. Deswegen hoffe ich auch, dass es endlich einen schnellen Bürokratieabbau gibt. Wir müssen Verwaltungsvorschriften vereinfachen, Genehmigungsverfahren abkürzen, den Rechtsweg einschränken, um endlich schneller und mehr Windkraftanlagen bauen zu können. Von entsprechenden Gesetzesinitiativen habe ich aber noch nichts gelesen. 
 
Das heißt: Wir brauchen einen schlankeren Staat?  
Ja, das ist überfällig. Der bürokratisch aufgeblähte Staat muss abspecken. Da gibt es Einsparmöglichkeiten ohne Ende. Es ist zum Beispiel eine Frage, ob der letzte kleine Käfer beim Bau einer Windkraftanlage geschützt werden muss. Da muss man eine Güterabwägung machen und sich fragen: Ist der Käfer wichtiger oder ist der schnelle Bau von Windkraftanlagen wichtiger und damit vielleicht die Autonomie in der Energieversorgung?
(Quelle: NOZ, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
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