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VSU-Schlagzeilen 01.07.2022

Rehlinger ruft dazu auf, Blick nach vorne zu lenken / IG-Metall-Bezirke wollen 8 Prozent fordern / Heger: Standort kann nur gemeinsam gesichert werden / DGB wirft Lindner „Spardiktat“ vor

Saarland/Region 
Rehlinger ruft dazu auf, Blick nach vorne zu lenken 
Ärger über neue Regeln für Bürgertests 

Tarifpolitik 
IG-Metall-Bezirke wollen 8 Prozent fordern 
Heger: Standort kann nur gemeinsam gesichert werden 
  
Arbeitswelt 
Studie: Mindestlohn kaum mit negativen Auswirkungen 
 
Konjunktur 
Opec+ beschließt lediglich moderate Produktionserhöhung 
  
Wirtschaftspolitik 
EU und Neuseeland einigen sich auf Freihandelsabkommen 
Kreise: EZB wird südliche Euro-Länder mit Anleihekäufen stützen 
 
Steuern / Haushalt 
DGB wirft Lindner „Spardiktat“ vor 
  
Interview 
Wolf: Bei Stopp der Gaslieferungen droht europaweite, tiefe Wirtschaftskrise (Rhein-Zeitung) 
  


Saarland/Region 

Rehlinger ruft dazu auf, Blick nach vorne zu lenken 
Nach der Ford-Entscheidung sei es nicht angeraten, im Ärger zu verharren, sondern den Blick nach vorne zu lenken. Das sagte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger gestern beim Unternehmertreffen der saarländischen Automobilindustrie in der Gebläsehalle in Neunkirchen. Die Landesregierung halte die Entscheidung zugunsten des Standorts Valencia und gegen Saarlouis weiterhin für falsch, trotzdem gelte es jetzt, schnell Zukunftsperspektiven für den Autostandort Saarlouis und das Werk zu entwickeln. Weltweit gebe es mehrere Autohersteller, die als Interessenten infrage kommen könnten. Auch Andreas Rade, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie gab sich optimistisch für das Ford Werk. Es gebe dort gut ausgebildete Fachkräfte und eine gute Infrastruktur. Rade forderte gleichzeitig eine Fortsetzung der Förderung für E-Autos und Hybride. Diese sei nötig, damit die Industrie die nötige Zeit für die Umstellung auf die neuen Antriebe habe. Das Unternehmertreffen beschäftigte sich mit der Zukunft der Autoindustrie. Unter anderem stellte ZF das Konzept des autonomen Busshuttles vor und der chinesische Autohersteller Nio präsentierte sein Konzept der Batteriewechselstationen und stellte den Aufbau einer Produktion auch in Deutschland in Aussicht. (Quelle: VSU) 

Ärger über neue Regeln für Bürgertests 
Die neuen Regeln für Bürgertests sind gestern in Kraft getreten. Öffentlich verfügbare Corona-Tests sind demnach nur noch in Ausnahmefällen oder gegen eine Kostenbeteiligung von drei Euro pro Test verfügbar. Kostenlose Tests gibt es unter anderem für Kinder, Schwangere oder Besucher von Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Diese müssten dies über ein entsprechendes Formular glaubhaft nachweisen, teilte das saarländische Gesundheitsministerium mit. Auch für Tests mit Kostenbeteiligung ist ein Formular auszufüllen, in dem der Grund des Tests angegeben werden muss. Die saarländische Apothekerkammer spricht angesichts der neuen Regeln von einem Chaos. Kontroll- und Nachweispflichten führten zu einer „nicht hinnehmbaren Belastung“ des Personals sowie einem „nicht hinnehmbaren Eingriff in die Privatsphäre“ der zu Testenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben gemeinsam angekündigt, keine Tests mehr abzurechnen, weil das System wegen Vielzahl kleinteiliger Anspruchsberechtigungen kaum noch zu kontrollieren und somit extrem betrugsanfällig sei. (Quellen: Ministerium, SR, Saarbrücker Zeitung) 

  
Tarifpolitik 
  
IG-Metall-Bezirke wollen 8 Prozent fordern 
Die IGM-Tarifkommissionen der Bezirke NRW, Niedersachsen, Küste, Mitte und Baden-Württemberg haben eine Forderung von 8 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die bevorstehende Tarifrunde beschlossen. Am 11. Juli will der IG-Metall-Vorstand die endgültige bundeseinheitliche Forderung beschließen. In Baden-Württemberg sowie in Berlin-Brandenburg-Sachsen haben die Tarifpartner den 14. September als ersten Verhandlungstermin festgelegt. Ein früherer Termin in den Regionen ist bislang nicht bekannt. Baden-Württembergs Bezirksleiter Zitzelsberger betonte, man wolle die Forderung „tatsächlich durchsetzen“ und drohte, mit Arbeitskampf sei nach Ablauf der Friedenspflicht Ende Oktober zu rechnen, wenn es bis dahin keine Lösung gäbe. Die 8 Prozent seien für die Belegschaften in großen Unternehmen wie Airbus und Mercedes-Benz eher die Untergrenze, sagte der IGM-Bezirkschef Küste, Friedrich: "Aber wir haben natürlich auch Betriebe und Regionen, wo die wirtschaftliche Situation nicht so gut ist." Man sei „gegebenenfalls schnell in einer Eskalation“, sagte Friedrich. Mit dem Arbeitgeberverband gebe es einen guten Gesprächskanal, aber: „Bei Geld hört die Freundschaft auf." (Quelle: Reuters, dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Heger: Standort kann nur gemeinsam gesichert werden 
Der Verhandlungsführer des M+E-Bezirks Mitte Heger kritisiert, der Forderungsbeschluss des IGM-Bezirks Mitte lasse vollkommen außer Acht, dass auch die Unternehmen von massiv steigenden Energiepreisen und Rohstoffkosten betroffen seien. „Deutschland ist abhängig von russischer Energie. Die Drosselung der Gasversorgung in der vergangenen Woche hat uns einen Eindruck von den möglichen Auswirkungen gegeben", sagte Heger: „Die weiterhin explodierenden Energiepreise können gerade mal von einem Prozent der Betriebe komplett weitergegeben werden. 99 Prozent der Betriebe zahlen die Steigerungen aus der eigenen Tasche. Dabei handelt es sich um Kapital, das sie zusätzlich für die Umstellung auf klimaneutrale Produkte und digitale Prozesse benötigen. Unsere Unternehmen stehen in einem internationalen Wettbewerb. Andere Länder sind von den steigenden Preisen weniger hart betroffen. Das führt zu offensichtlichen Nachteilen und muss in der anstehenden Tarifrunde berücksichtigt werden. Die nächsten Jahre werden über die Zukunft vieler Arbeitsplätze entscheiden. Wenn die Politik von einer "Zeitenwende" spricht, dann ist damit auch eine neue Form des Miteinanders gemeint. Statt gestiegene Lebenshaltungskosten durch steigende Löhne auszugleichen, müssen wir neu denken. Beschäftigte und Betriebe müssen jetzt gemeinsam verantwortungsvoll mit den Herausforderungen dieser Zeit umgehen. Dabei muss die jeweilige Lage des Betriebs im Vordergrund stehen. Das sture Beharren auf volkswirtschaftlichen Zahlen wird keinen einzigen Arbeitsplatz sichern."(Quelle: PfalzMetall, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Arbeitswelt 
  
Studie: Mindestlohn kaum mit negativen Auswirkungen 
Der Mindestlohn hat in Deutschland nach Angaben der Mindestlohnkommission bislang kaum negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gehabt. Untersuchungen der Stunden- und Monatslöhne hätten gezeigt, dass die Lohnungleichheit seit der Einführung des Mindestlohns abgenommen habe. Nach der Einführung des Mindestlohns seien in betroffenen Betrieben leichte negative Effekte auf die Beschäftigung nachgewiesen worden, hieß es. Bei den dann folgenden Mindestlohnerhöhungen habe es keine weiteren negativen Effekte mehr gegeben. Unterm Strich nannten die Wissenschaftler einen Rückgang um rund 76.000 Beschäftigungsverhältnisse durch den Mindestlohn bis einschließlich 2020. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Konjunktur 
  
Opec+ beschließt lediglich moderate Produktionserhöhung 
Die Öl-Allianz Opec+ hat beschlossen, im August die Förderung um 648.000 Barrel am Tag zu erhöhen und hat damit das Produktionsniveau aus den Zeiten vor der Corona-Pandemie nahezu wieder erreicht. Ob das absehbare Produktionsplus die hohen Benzinpreise etwas senkt, ist unklar – die bisherigen Beschlüsse des Kartells hatten keine nachhaltigen Effekte. Die Opec+ hat einen Weltmarktanteil von etwa 45 Prozent. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Wirtschaftspolitik 
  
EU und Neuseeland einigen sich auf Freihandelsabkommen 
Die EU und Neuseeland haben sich auf ein gemeinsames Freihandelsabkommen geeinigt. Die EU-Kommission erwartet, dass durch das Abkommen der bilaterale Handel um bis zu 30 Prozent zunehmen könnte, wobei die jährlichen Ausfuhren der EU um bis zu 4,5 Milliarden Euro steigen könnten. Die EU-Investitionen in Neuseeland könnten um bis zu 80 Prozent steigen, hieß es weiter. Durch das Abkommen können die Zölle für EU-Unternehmen vom ersten Jahr der Anwendung an um rund 140 Millionen Euro im Jahr sinken. EU-Handelskommissar Dombrovskis betonte, das Abkommen werde beiden Volkswirtschaften zugutekommen und dabei helfen, Ziele im Bereich Nachhaltigkeit zu fördern. Er betonte etwa, dass Verstöße gegen Klimaschutzbemühungen sanktioniert werden könnten. Neuseelands Premierministerin Ardern sagte, 97 Prozent der Waren, die Neuseeland in die EU exportiere, seien künftig von Zöllen befreit. (Quelle: EU-Kommission, dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
Kreise: EZB wird südliche Euro-Länder mit Anleihekäufen stützen 
Die EZB will Insidern zufolge Länder wie Italien, Spanien, Portugal und Griechenland mit dem Kauf ihrer Staatsanleihen unterstützen. Die Währungshüter würden einen Teil der Erlöse aus fällig werdenden deutschen, französischen und niederländischen Titeln in ihrem Besitz nutzen, um damit Anleihen dieser Länder zu erwerben, sagten mit der Situation vertraute Personen. Mit den Käufen solle verhindert werden, dass sich die Risikoaufschläge der Anleihen dieser südlichen Euro-Staaten ausweiten, was ihre Finanzierungskosten erhöhen würde. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab. Die EZB werde das Vorhaben an diesem Freitag auf den Weg bringen, um damit ein Auseinanderdriften der Staaten in der Währungsunion zu vermeiden, sagten die Insider. Die Zentralbank hat die 19 Länder der Euro-Zone in drei Gruppen eingeteilt, wie aus Gesprächen mit mehreren Insidern hervorgeht. Die Länder sind Geber, Empfänger oder Neutrale – basierend auf dem Umfang und der Geschwindigkeit des Anstiegs ihrer Anleihespreads in den vergangenen Wochen. Die EZB will dem Plan zufolge Teile der Einnahmen aus ablaufenden Anleihen aus Geber-Ländern, die im Rahmen ihres Pandemie-Kaufprogramms PEPP erworben wurden, für Käufe von Bonds der Empfänger-Länder nutzen, wie die Insider erläuterten. Neutrale Länder dienten als Puffer. Die EZB hatte bereits in Aussicht gestellt, solche Reinvestitionen flexibel angehen zu wollen. Maßstab für die Bestimmung der Spread-Entwicklung sei der Vergleich mit deutschen Bundesanleihen, sagte die Insider. Die Liste solle monatlich überprüft werden. In ihr kommt die alte Einteilung in Kern-Länder und Peripherie-Länder wieder zum Vorschein, über die vor einem Jahrzehnt im Zuge der Euro-Schuldenkrise immer wieder diskutiert wurde. Zu den Empfänger-Staaten gehörten einige Länder, die von Investoren wegen ihrer hohen Staatsverschuldung oder ihres schwachen Wirtschaftswachstums als riskanter eingestuft würden, sagten die mit den Überlegungen vertrauten Personen. Darunter seien Italien, Griechenland, Spanien und Portugal. Die Gebergruppe bestehe aus etwa einem halben Dutzend Ländern, die als sicherer eingestuft würden, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
 
 
Steuern / Haushalt 
 
DGB wirft Lindner „Spardiktat“ vor 
DGB-Vorstand Körzell hat Finanzminister Lindner für dessen Haushaltspolitik heftig kritisiert. „Spardiktat – und in diesem Jahr keine weiteren Entlastungen für die Bürger: Finanzminister Lindner nimmt hier gleich mehrfach die falsche Ausfahrt", sagte Körzell. Die Koalitionspartner in der Ampel müssten Lindner zur Raison bringen, sonst drohe der soziale Frieden ins Wanken zu geraten. Körzell nannte die Schuldenbremse eine "Zukunftsbremse". Notwendig seien jetzt Investitionen in die sozial-ökologische Klimawende, damit die Transformation gelinge: "Stattdessen würgt Lindner Investitionen, die Nachfrage und damit die Konjunktur ab. So wird Deutschland in die nächste Krise schlittern, statt gestärkt aus den aktuellen herauszukommen. Gegen die hohe Inflation sind Ausgabenkürzungen das völlig falsche Mittel, denn die Inflationsursachen liegen nicht in den Staatsausgaben, sondern in spezifischen Angebotsengpässen." Die Schuldenbremse dürfe 2023 nicht wieder in Kraft treten. "Die dringend notwendigen Entlastungspakete und Investitionen müssen auch über Kredite finanziert werden können", so Körzell. Gleichzeitig müsse Lindner die Staatseinnahmen dauerhaft mit einem gerechteren Steuersystem stärken. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Interview
  
Wolf: Bei Stopp der Gaslieferungen droht europaweite, tiefe Wirtschaftskrise 
RZ: 
Herr Dr. Wolf, die deutsche Wirtschaft kämpft gegen die Folgen von Corona und Ukraine-Krieg. Manche Wirtschaftsexperten sehen uns schon am Rande einer Rezession. Wie beurteilen Sie die Aussichten für die M+E-Branche? 
Wolf: 
Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau 2018 ist derzeit ausgeschlossen. Stattdessen befürchten wir einen weiteren Einbruch, vor allem, wenn uns das Gas abgestellt werden sollte. Dabei ist die Situation sehr widersprüchlich. Die Auftragsbücher sind voll. Die Aufträge können aber nicht abgearbeitet werden, weil Vorprodukte und Rohstoffe nicht da sind. Und wenn wir sie doch bekommen, dann sind sie oft so teuer, dass an den Aufträgen nichts mehr verdient werden würde – und damit ist auch keinem geholfen. Wie die Preise für Energie sich entwickelt haben, hat jeder mitbekommen, aber auch die für Eisen und Stahl sind in die Höhe geschossen. Lieferketten sind weiterhin gestört. Der russische Angriffskrieg hat die vorher schon angespannte Situation nochmal verschärft. 
RZ: 
Viele Verbraucher werden bald Schock-Rechnungen für ihre Gasversorgung erhalten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rät zu Spar-Duschköpfen. Was halten Sie von solchen Sparappellen? 
Wolf: 
Ich finde es generell richtig, die Menschen darauf hinzuweisen, dass auch jeder Einzelne etwas dazu beitragen kann, die Situation zu entschärfen. Ich gehe allerdings davon aus, dass Unternehmen und Verbraucher bei den Energiepreisen schon von selbst sparen, wo es geht. 
RZ: 
Und was, wenn ab Juli gar kein Gas mehr aus Russland fließt? Wie stellen Sie sich darauf ein? Müssen Sie gar Arbeitsplätze abbauen, weil die Produktion stillsteht? 
Wolf: 
Bei einem Stopp der Gaslieferungen droht uns eine europaweite, tiefe Wirtschaftskrise. Wir müssen mit Produktionsunterbrechungen rechnen, in manchen Branchen sogar mit einem Totalausfall - mit allen Folgen für die Unternehmen. Liquiditätsengpässe, Arbeitsplatzabbau, fehlendes Geld für neue Investitionen, was insbesondere die Fortschritte beim Strukturwandel gefährdet. Wir setzen daher auf eine wirtschaftsorientierte Umsetzung des Gas-Notfallplans. 
RZ: 
Viele werfen der Wirtschaft vor, sich nicht rechtzeitig auf die Krise eingestellt und den Strukturwandel zu spät oder zu langsam in Angriff genommen zu haben. Lässt sich die Wirtschaft zu viel Zeit? 
Wolf: 
Der Strukturwandel ist ein hartes Stück Arbeit: Wir müssen investieren und das Geld dafür erst einmal verdienen, und dann müssen sich die Investitionen auch langfristig rentieren. Es braucht neben Investitionen in Vorleistungen und Produktionsstätten vor allem technologisches Know-how, also Forschung und Entwicklung. Da sind wir dran, aber das geht nicht von heute auf morgen. Wie wenig Verständnis die Politik manchmal dafür hat, sehen Sie gerade an der Diskussion über die Verbrenner. 
RZ: 
Die EU hat gerade beschlossen, den Verbrenner zu verbieten. Ist das nicht richtig, wenn man Klimaschutz will? 
Wolf: 
Die EU hat beschlossen, dass Verbrenner erlaubt bleiben, wenn man sie klimaneutral betreibt. Ich bin sehr froh, dass wir über den E-Fuels-Kompromiss nun technologieoffen weiter forschen können. Warten wir doch mal ab, was unsere deutschen Spitzeningenieure hier noch hinkriegen. Dem Klima ist auf jeden Fall mehr geholfen, wenn beispielsweise die vielen Pendler in Rheinland-Pfalz ihre Autos in Zukunft mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen betanken können, als wenn ein paar gutverdienende Großstadtbewohner sich ein neues Elektroauto kaufen und das mit Kohlestrom aufladen. 
RZ: 
Herr Dr. Wolf, in dieser Situation haben Sie ab September in der Metall- und Elektro-Industrie eine Tarifrunde zu führen. Die Gewerkschaften wollen bis zu 8 Prozent mehr Lohn fordern. Wieviel ist denn aus Ihrer Sicht drin? 
Wolf: 
Die Unternehmen produzieren heute noch immer rund 15 Prozent weniger als noch vor den Krisen 2018, die Beschäftigten in unserer Industrie haben aber in der gleichen Zeit fast 10 Prozent mehr Geld bekommen. Die Unsicherheiten und die unterschiedliche Lage der Unternehmen sind aktuell größer denn je. Noch nie haben sich die Risiken so konzentriert wie derzeit. Und dabei müssen die Unternehmen noch die Kraft sammeln, um in den Strukturwandel zu investieren. Das muss auch die IG Metall zur Kenntnis nehmen. 
RZ: 
Also ist wieviel drin? Gar nichts? Die Firmen verdienen doch gut. 
Wolf: 
Die Branche umfasst rund 26.000 Unternehmen. Wer die vielleicht 100 rauspickt, denen es trotz der Lage gut geht, der würde den Flächentarifvertrag zerstören. Wir müssen der Unsicherheit ebenso Rechnung tragen wie der Tatsache, dass die Lage der einzelnen Unternehmen so unterschiedlich ist. Ich weiß heute noch nicht, wie die Lösung am Ende aussieht. Aber wir haben bislang immer eine Lösung gefunden, und es wird auch diesmal gelingen. 
RZ: 
Sind angesichts der Inflation nicht höhere Löhne erforderlich?
Wolf: 
Die steigenden Preise sind für Beschäftigte und Unternehmen ein Problem. Aber: Dagegen etwas zu tun ist vor allem Aufgabe der Europäischen Zentralbank. Und wenn Preise aufgrund politischer Entscheidungen steigen, kann auch nur die Politik gegensteuern. In der Tarifpolitik geht es um die Frage, wie zusätzlich Geleistetes – Stichwort Produktivitätswachstum – verteilt werden soll. 
RZ: 
Der Bundeskanzler möchte die Inflation am Montag mit einer konzertierten Aktion im Bundeskanzleramt bekämpfen. Eine gute Idee? 
Wolf: 
Ich halte es für sinnvoll, wenn sich alle an einen Tisch setzen und besprechen, was getan werden kann. Das nimmt niemanden aus der Verantwortung, in seinem Zuständigkeitsbereich das Richtige zu tun. 
RZ: 
Sie sind also für die vorgeschlagenen Einmalzahlungen...? 
Wolf: 
Einmalzahlungen gehören zum tarifpolitischen Instrumentenkasten. Unsere Verhandlungen beginnen im Herbst, wie eine Einigung am Ende der Verhandlungen aussehen wird, kann ich heute noch nicht sagen. Und in die Gespräche mit dem Kanzler gehen wir ohne Vorbedingungen. 
RZ: 
Thema Fachkräftemangel: Brauchen Sie auch Hilfskräfte aus der Türkei, wie die Flughäfen? 
Wolf: 
Auch uns fehlen nicht nur Ingenieure. Wir haben in den vergangenen Jahren jeweils 10 Prozent der angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzen können! Und das liegt nicht an der Bezahlung oder dem Willen der Unternehmen, sondern schlicht daran, dass es weniger junge Menschen gibt. Um das zu verdeutlichen: 2001 haben gut 670.000 junge Menschen die Schulen verlassen. Letztes Jahr waren es nur noch 460.000. Wir müssen alle Register ziehen. Zuwanderung ist dabei ein notwendiger Baustein, aber löst das Problem nicht alleine.
RZ: 
Sie sind mit dem ganzen Vorstand von Gesamtmetall zu Ihrer Mitgliederversammlung heute zu Gast in Koblenz. Was verbindet sie mit unserer Stadt? 
Wolf: 
Wir sind traditionell jedes Jahr bei einem unserer Mitgliedsverbände zu Gast. In den vergangenen zwei Jahren fand unsere Mitgliederversammlung coronabedingt als hybride Veranstaltung in Berlin statt. Ich freue mich sehr darüber, dass wir nun wieder alle hier in Koblenz persönlich vor Ort sein können. Und in der Region gibt es tolle Unternehmen mit vielen klugen, engagierten Unternehmern im Verband. Ich muss dabei zugeben, die Region nur als Besucher zu kennen.
RZ: 
Sie selbst stellen sich heute zur Wiederwahl als Gesamtmetall-Präsident. Welche Bilanz ziehen sie denn nach ihren ersten beiden Jahren als M+E-Präsident? 
Wolf: 
Mitten in eine Pandemie hinein ein solches Amt zu übernehmen ist schon eine Herausforderung. Das wichtigste ist ja, mit den Menschen zu sprechen, mit den Unternehmern in unseren Gremien, mit der Politik, mit den Gewerkschaften, mit den Medien. Das geht alles telefonisch oder am Bildschirm, aber besser ist es immer, die Gesprächspartner persönlich zu treffen. Aber insgesamt sind uns gute Lösungen gelungen: Vor allem sind in den Tarifrunden 2020 und 2021 angemessene, gute Lösungen gefunden worden. (Quelle: Rhein-Zeitung, M+E-Newsletter Gesamtmetall)