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VSU-Schlagzeilen, 14.02.2024

Einsatz von Gefahrstoffen bei SVolt noch ungeklärt / Land unterstützt Krankenhausausbau mit jeweils 70 Millionen / Böckler-Stiftung erwartet „offensive Tarifrunde“ / Bundesbank: Deutscher Leistungsbilanzüberschuss steigt 2023 deutlich / US-Inflation bleibt über Drei-Prozent-Marke / Verteidigungsausgaben: Deutschland meldet Rekordsumme an Nato / ZVEI fordert resilientes Ökosystem Mikroelektronik / Frankreich senkt Kaufprämie für E-Autos / Wagenknecht will Rentenpolitik zum Wahlkampfthema machen /RWI will Strompreissenkung statt Klimageld / BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter fordert bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen /

Saarland/Region
Einsatz von Gefahrstoffen bei SVolt noch ungeklärt
Land unterstützt Krankenhausausbau mit jeweils 70 Millionen

Tarifpolitik
Böckler-Stiftung erwartet „offensive Tarifrunde“

Konjunktur
Bundesbank: Deutscher Leistungsbilanzüberschuss steigt 2023 deutlich
US-Inflation bleibt über Drei-Prozent-Marke

Steuern / Haushalt
Verteidigungsausgaben: Deutschland meldet Rekordsumme an Nato

Wirtschaftspolitik
ZVEI fordert resilientes Ökosystem Mikroelektronik
Frankreich senkt Kaufprämie für E-Autos

Sozialpolitik
Wagenknecht will Rentenpolitik zum Wahlkampfthema machen

Energie
RWI will Strompreissenkung statt Klimageld

Interview
BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter fordert bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen



Saarland/Region

Einsatz von Gefahrstoffen bei SVolt noch ungeklärt
Bei der geplanten Batteriefabrik-Ansiedlung in Überherrn ist nach Recherchen des Saarländischen Rundfunks noch offen, welche Gefahrenstoffen in welchen Mengen eingesetzt werden sollen. Für die Batterieproduktion können unter anderem Stoffe wie Lithium oder Nickel zum Einsatz kommen. Das Landesamt für Umweltschutz betonte Anfrage des SR, das Unternehmen SVolt habe noch keinen Antrag für die Anlage gestellt. Daher wisse man nicht, welche Stoffe konkret eingesetzt werden sollen. Das Ansiedlungsgebiet liegt in einer Wasserschutzzone, in der für die Lagerung und den Einsatz bestimmter Gefahrenstoffe Höchstgrenzen gelten. Erst vor wenigen Wochen war die Ansiedlung des Recycling-Unternehmens Pyrum im Homburg wegen dieser Höchstgrenzen gescheitert. Das geplante Pyrum-Werk soll nun in Perl entstehen. SVolt betonte dem SR gegenüber, dass sich das Unternehmen an die Vorgaben halten werde. Innerhalb der kommenden Wochen beraten Orts- und Gemeinderat, ob sie den Bau der Fabrik grundsätzlich genehmigen. (Quelle: SR)

Land unterstützt Krankenhausausbau mit jeweils 70 Millionen
Für Erweiterungsvorhaben erhalten das Klinikum auf dem Winterberg und die Caritas-Klinik auf dem Rastpfuhl jeweils 70 Millionen Euro Unterstützung durch das Land. Das Winterberg-Klinikum plant einen Gesundheitscampus, die Caritas-Klinik will ihr Angebot ausweiten. Der angegebene Gesamt-Finanzierungsbedarf liegt nach Angaben des saarländischen Gesundheitsministerium bei beiden Häusern jeweils um die 110 Millionen Euro. Das Land fördert die Projekte über einen Festbetrag, fordert im Gegenzug allerdings Gespräche mit den Trägern über den Abbau von Doppelstrukturen. (Quelle: SR)


Tarifpolitik

Böckler-Stiftung erwartet „offensive Tarifrunde“

Bei den anstehenden Tarifverhandlungen haben die Arbeitnehmer laut gewerkschaftlicher Einschätzung erheblichen Nachholbedarf. Wegen der starken Inflation in den vergangenen Jahren seien die Reallöhne der Tarifbeschäftigten auf den Stand von 2016 zurückgefallen, erklärte der Leiter des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, Thorsten Schulten, am Dienstag anlässlich der Vorlage des Tarifpolitischen Jahresberichts 2023. Er erwarte daher eine „offensive Tarifrunde“ mit zahlreichen Arbeitskämpfen. Vor allem in den Jahren 2021 und 2022 habe es drastische Reallohnverluste gegeben. Im vergangenen Jahr sei die Kaufkraft der Beschäftigten zwar weitgehend gesichert worden, stellte Schulten fest. „Um jedoch auch die massiven Reallohnverluste der beiden Vorjahre ausgleichen zu können, sind in den kommenden Tarifrunden kräftige Reallohnsteigerungen notwendig.“ Nach Auswertung der Neuabschlüsse und zuvor vereinbarten Stufenerhöhungen seien die Tariflöhne im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gestiegen und damit doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Da aber gleichzeitig die Inflation bei 5,9 Prozent gelegen habe, errechne sich auch für 2023 ein Rückgang der Reallöhne um durchschnittlich 0,4 Prozent. Allerdings könnten hier die nicht voll eingerechneten Inflationsausgleichsprämien die finanzielle Bilanz vieler Beschäftigter besser aussehen lassen. (Quelle: dpa-AFX, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Konjunktur

Bundesbank: Deutscher Leistungsbilanzüberschuss steigt 2023 deutlich

Der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Wie die Bundesbank auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte, betrug er 280,3 Milliarden Euro, verglichen mit 170,9 Milliarden im Vorjahr. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)

US-Inflation bleibt über Drei-Prozent-Marke
Der Inflationsdruck in den USA lässt nur langsam nach und dämpft die Hoffnung an den Finanzmärkten auf eine frühe Zinswende. Die Verbraucherpreise stiegen im Januar um 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, nach plus 3,4 Prozent im Dezember, wie das Arbeitsministerium am Dienstag in Washington mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten erwartet, dass die Drei-Prozent-Marke unterschritten und die Inflationsrate auf 2,9 Prozent fallen würde. An den Terminmärkten wird nun erst für Juni mit einer Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve gerechnet. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Steuern / Haushalt

Verteidigungsausgaben: Deutschland meldet Rekordsumme an Nato

Deutschland hat der Nato erstmals seit drei Jahrzehnten wieder geplante Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemeldet. Nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur übermittelte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Betrag, der umgerechnet in Vergleichszahlen des Verteidigungsbündnisses einer Summe von 73,41 Milliarden Dollar entspricht. Dies ist für Deutschland in absoluten Zahlen ein Rekordwert und würde nach aktueller Nato-Prognose eine BIP-Quote von 2,01 Prozent bedeuten. In der Vergangenheit war Deutschland nach Dokumenten aus dem Nato-Archiv zuletzt 1992 auf Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gekommen. In den Jahren des Kalten Krieges hatte die Quote meist bei über drei Prozent gelegen. Die neuen Zahlen entsprechen im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg der Verteidigungsausgaben von mehr als 20 Prozent, wie es aus Nato-Kreisen heißt. Im letzten öffentlichen Bericht zu den Verteidigungsausgaben der Bündnis-Staaten war für Deutschland für 2023 lediglich eine Vergleichszahl in Höhe von 56,64 Milliarden Dollar und eine BIP-Quote von 1,57 Prozent angegeben gewesen. Im kommenden Bericht werden diese Zahlen nach dpa-Informationen nach oben korrigiert werden. (Quelle: dpa-AFX, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Wirtschaftspolitik

ZVEI fordert resilientes Ökosystem Mikroelektronik

Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI hat die EU aufgefordert, ein „resilientes Ökosystem Mikroelektronik“ aufzubauen. „Wenn sich Europa tatsächlich resilient in der Mikroelektronik aufstellen will, muss es die gesamte Elektronik-Wertschöpfungskette in den Blick nehmen“, erklärte ZVEI-Vorstandsmitglied Nicolas-Fabian Schweizer. Er verwies auf andere Weltregionen der Mikroelektronikbranche, die die strategische Bedeutung von Verbindungstechnik (Leiterplatten) und Elektronikfertigung (EMS Electronic Manufacturing Services) erkannt hätten und gezielt förderten. „In China erhalten die Unternehmen über alle Wertschöpfungsstufen hinweg bedeutende Zuwendungen, von Finanzhilfen über Steuererleichterungen bis hin zu vergünstigten Energiepreisen“, so Schweizer. Auch in den USA würden unter anderem durch den Inflation Reduction Act bedeutende Mittel für die Industrie bereitgestellt, wodurch auch das dortige Ökosystem Mikroelektronik als Zulieferer erheblich gestärkt werde. „In Kombination mit den hohen Produktionskosten in Europa stellt diese Förderpolitik unsere hiesigen Leiterplattenhersteller und Elektronikfertiger vor immer größere Herausforderungen“, stellte Schweizer fest. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)

Frankreich senkt Kaufprämie für E-Autos
Frankreich muss sparen und senkt die Kaufprämie für E-Autos von 5000 auf 4000 Euro ab. Die schon Ende vergangenen Jahres ins Auge gefasste Reduzierung wurde am Dienstag im Amtsblatt veröffentlicht und greift ab Mittwoch. Für Menschen mit einem versteuerbaren Jahreseinkommen von weniger als rund 25.000 Euro wird an einer E-Autoprämie in Höhe von 7000 Euro festgehalten. Um 1000 Euro reduziert wird außerdem die Prämie zum Kauf umweltfreundlicher Lieferwagen. Grund für die Einschnitte sind Sparbemühungen der Regierung in Paris, um den Haushalt im Lot zu halten. Die für die Umstellung auf umweltfreundlichere Autos vorgesehenen Zuschüsse in Höhe von jährlich 1,5 Milliarden Euro sollen in diesem Jahr nicht überzogen werden. Im Vorjahr waren am Ende 300 Millionen Euro mehr an Zuschüssen ausgezahlt worden als im Budget vorgesehen. Nach einem Riesenansturm wird das staatliche Leasing von E-Automodellen ab 100 Euro pro Monat für das laufende Jahr vorerst eingestellt. (Quelle: dpa-AFX, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Sozialpolitik

Wagenknecht will Rentenpolitik zum Wahlkampfthema machen

Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht will die Rentenpolitik zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. „Die Rente ist das wahrscheinlich größte soziale Problem unserer Zeit“, sagte Parteichefin Wagenknecht der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwoch). Niedrige Renten trotz jahrzehntelanger Beitragszahlungen seien ein sozialpolitischer Skandal. „Deutschland steuert auf eine Rentenkatastrophe zu, das ist gesellschaftlicher Sprengstoff.“ Deutschland habe eines der schlechtesten Rentensysteme in Europa, bilanzierte sie. Wagenknecht kündigte an, vor der nächsten Bundestagswahl 2025 einen „Rentenwahlkampf“ führen zu wollen. „Das BSW ist Stimme deutscher Rentner“, sagte die Bundestagsabgeordnete und frühere Linkspartei-Politikerin. Die Zeitung berichtete über eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Wagenknechts, wonach fast ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland nach 40 Berufsjahren auf eine Rente von weniger als 1100 Euro netto im Monat kommen. Im Saarland will Wagenknechts Partei sich in zwei Kommunen an den Kommunalwahlen beteiligen. Geplant ist nach Recherchen der „Saarbrücker Zeitung“, dass die Partei in Dillingen und Ottweiler antritt. (Quelle: dpa-AFX, Saarbrücker Zeitung, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Energie

RWI will Strompreissenkung statt Klimageld

Statt Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wie bisher geplant über ein Klimageld an die Bevölkerung zurückzugeben, könnte dies nach Dafürhalten des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung „rascher und einfacher über allmählich sinkende Strompreise“ geschehen. Dadurch würden sowohl die Verbraucher entlastet als auch die Energiewende vorangebracht, erklärte das Institut. Nach den Ergebnissen einer aktuellen Befragung im Rahmen des Sozialökologischen Panels würde dies auch dem Bürgerwillen entsprechen. In einer Erhebung unter rund 4.500 Befragten vom Herbst 2023 habe sich lediglich ein Drittel eine Auszahlung des Klimageldes gewünscht. Die absolute Mehrheit habe sich dafür ausgesprochen, die CO2-Preis-Einnahmen für Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende zu verwenden, hätten Auswertungen des Instituts ergeben. Um die Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen, plädierten RWI-Energieexperte Manuel Frondel und RWI-Präsident Christoph Schmidt in einem Positionspapier dafür, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nicht durch Auszahlung eines Klimageldes, sondern durch eine jederzeit mögliche schrittweise Senkung des Strompreises an die Bevölkerung zurückzugeben. (Quelle: Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall)


Interview

BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter fordert bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen

Deutschlandfunk-Redakteurin Sandra Schulz im Gespräch mit Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Schulz: Fast egal, wer sich äußert, die Urteile über die deutsche Wirtschaft, die klingen alle gleichermaßen ernst. Übereinstimmend haben Finanzminister Lindner, FDP, und der grüne Wirtschaftsminister Habeck Deutschland zuletzt als nicht wettbewerbsfähig bezeichnet. Ende Januar hatten sich die großen Wirtschaftsverbände mit einem Brandbrief gemeldet. Und jetzt am Wochenende legen CDU und CSU gemeinsam ein Sofortprogramm vor und warnen gleichzeitig, es drohten Wohlstandsverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die Ampel reagiert jetzt. Von Finanzminister Christian Lindner kam die Ankündigung, die Ampel werde ein Konzept vorlegen, um den Standort Deutschland zu stärken. Am Telefon ist Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer einer der mächtigsten Wirtschaftsverbände in Deutschland, nämlich der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Noch mal ganz kurz aus Gründen betont, also die Arbeitgeberverbände sind das. Und Steffen Kampeter kennen viele sicherlich auch noch aus seiner langen Zeit als CDU-Wirtschaftspolitiker, schönen guten Morgen.
Kampeter: Guten Morgen und Grüße von der Spree an den Rhein. Ihr habt es ja gerade munter da am Rhein.
Schulz: Grüße zurück, so sieht es aus, noch ganz kurz. Die Ampel will jetzt also ein Konzept machen für die Stärkung des Standortes Deutschland. Sind Sie beruhigt?
Kampeter: Also, wichtig ist erst mal, wir brauchen jetzt ein Signal. Und seit einigen Monaten haben die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände auf dieses Signal hingearbeitet und Anregungen gegeben. Das Signal könnte im ersten Teil sein: Wir haben verstanden. Dazu gibt es jetzt Signale aus der Politik. Ein Signal fehlt uns: Wir handeln. Und die Ankündigung jetzt auch konkret, die  Angebotsbedingungen unserer Volkswirtschaft, da, wo der Staat Handlungsträger ist, zu verbessern, wird von uns begrüßt, aber jetzt müssen Dinge auf den Lieferschein und dürfen nicht nur angekündigt werden.
Schulz: Welchen Anteil hat die Wirtschaft selbst an eben den wirtschaftlichen Problemen, die es in Deutschland gibt?
Kampeter: Na ja, ich glaube, in den Unternehmen findet der Transformationsprozess auf die neuen Rahmenbedingungen mit hoher Geschwindigkeit statt. Wir passen uns an auf neue  Lieferrahmenbedingungen, auf Energiepreisveränderungen, aber auch auf neue politische Rahmenbedingungen. Aber es gibt eine Reihe von Angebotsbedingungen, die der Staat durch Gesetze, gar nicht mal so sehr durch Geld, aber durch Angebotsbedingungen verbessern kann. Wir haben dazu ein Papier an die Bundesregierung gerichtet, wo wir mal zehn Punkte aufgeschrieben haben, für die Arbeitgeber, aber auch für die Wirtschaftsverbände, die Handwerkskammern und Ähnliches. Dazu zählt ein breites Portfolio. Jetzt ist die Bundespolitik, aber auch die Länder, die oftmals mitwirken – wir fordern ja eigentlich eine konzertierte Aktion von Bund und Ländern für den Standort – aufgefordert, auch aus diesen Anregungen konkrete Handlungen zu machen. Regierungen sind dazu da zu regieren, nicht nur, um zuzuhören oder zum Moderieren. Es braucht Handlung.
Schulz: Ja, ich verstehe das, dass Sie Ihre Punkte hier machen wollen, natürlich auch noch mal Ihre Kritik an der Ampel und an den politischen Rahmenbedingungen loswerden. Aber ich würde jetzt tatsächlich gerne über Sie sprechen, über die Rolle der Wirtschaft. Sie, wie gesagt, vertreten eine wichtige Vereinigung. Diese Erwartungen, die jetzt auch in den ersten Minuten in unserem Gespräch schon deutlich werden, dass jetzt der Staat mal liefern muss, ist das vielleicht Teil des Problems?
Kampeter: Ich glaube, wir erwarten ja nicht Geld vorrangig vom Staat, sondern wenn wir raschere und schlankere Genehmigungsverfahren einfordern, hat das wenig damit zu tun, dass wir das in den Unternehmen hätten regeln können, sondern das sind staatliche Vorgaben. Wenn wir ertrinken an Bürokratie und Berichtspflichten, dann sind das staatliche Vorgaben. Sie halten uns immer stärker von der eigentlichen Unternehmensaufgabe ab und lenken uns an staatliche administrative Dinge. Das ist die Hauptkritik in unserer Mitgliedschaft. Und deswegen ist unsere Anregung, unsere Forderung, unsere Erwartung an die Bundespolitik: Jetzt hört doch endlich mal auf mit diesen Dingen, die wirtschaftlich nicht förderlich sind und konzentriert euch auf alles das, was Wachstum und Nachhaltigkeit in Deutschland mit marktwirtschaftlichen Prinzipien fördert. Und das, was Unternehmen tun können, tun sie. Sie senken Kosten. Sie verändern Investitionen. Sie sind auch teilweise gezwungen, Arbeitsplätze zu verlagern. Das findet ja nicht nur in der Ankündigung, sondern in der Realität statt. Sowohl in den Regionen, aber auch in den Zentren merken sie das. Zum ersten Mal werden auch Arbeitsplatzabbaumaßnahmen angekündigt. Wir sind aber am liebsten in Deutschland aktiv und deswegen plädieren wir eben auch, dass die staatlichen Angebotsbedingungen, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird.
Schulz: Ja, Sie argumentieren da jetzt ganz stark parteipolitisch, was mir ein bisschen bekannt vorkommt, weil wir hier gestern im Interview auch den CDU-Generalsekretär im Interview hatten.
Kampeter: Nein, ich argumentiere wirtschaftspolitisch, nein, nein, nein.
Schulz: Stichwort Bürokratieabbau usw. Lassen Sie mich rübergehen zur nächsten Frage. Also, wenn das an den Rahmenbedingungen der Politik …
Kampeter: Nein, ich würde erst mal widersprechen Ihrer These, dass ich parteipolitisch argumentiere, sondern ich gebe Ihnen wieder die breite Stimmung in unserer Mitgliedschaft. Es ist ja nicht nur so,  dass die vier Verbände geschrieben haben. Die Kammern haben geschrieben. Sie erleben tagtäglich, dass Unternehmen sagen, wir würden gerne hierbleiben, aber die Rahmenbedingungen verbessern. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun, sondern mit der Sorge um den Standort Deutschland. Jetzt finden die Investitionen statt, mit denen in den 30er Jahren Geld verdient werden soll. Und das hat mit Parteipolitik wenig zu tun. Es ist eher Patriotismus und Sorge um die wirtschaftliche Existenz des Standortes.
Schulz: Ja, fair enough. Dass Sie darauf reagieren, kann ich gut verstehen, Herr Kampeter, aber ich glaube, alle, die das Interview gestern mit Carsten Linnemann gehört haben, kann man ja auch jederzeit nachhören in unserer DLF-Audiothek-App, die werden feststellen, dass einfach Argumente, die jetzt von Ihnen kamen, da gestern auch schon eine ganz wichtige Rolle gespielt haben.
Kampeter: Sehr erfreulich, dass man in Teilen des Parlamentes unsere Argumente unterstützt.
Schulz: Lassen Sie uns weitergehen. Herr Kampeter, lassen Sie uns bitte weitergehen. Wenn es jetzt nur an den politischen Rahmenbedingungen liegt, dann müsste es inhaltlich ja ganz leicht sein, auf die Punkte zu kommen, mit denen die deutsche Wirtschaft punkten kann oder könnte. Wo liegt denn die Innovationskraft im Moment in deutschen Unternehmen?
Kampeter: Wir haben in unserem Katalog unter anderem Maßnahmen angesprochen zur Vermeidung des weiteren Anstieges von Fach- und Arbeitskräftemangel. Dazu zählt ein breites Portfolio an Maßnahmen. Das fängt an bei der stärkeren Aktivierung von bisher noch nicht gehobenen Potenzialen auf dem Arbeitsmarkt bei Frauen, durch eine verbesserte Pflegeinfrastruktur, bei Jüngeren, aber ähnlich wie bei Älteren, bis hin zum Kindergarten. Das geht hin zu Anreizen für die stärkere Erwerbsbeteiligung von Älteren und eine bessere Berufsvorbereitung im Bildungssystem. Ich glaube, dass in einer Steigerung des Arbeitsvolumens in Deutschland ein zentraler Innovations- und Veränderungsansatz für die Wirtschaftspolitik liegt. Und der zweite wichtige Punkt ist, dass wir auch anerkennen müssen, dass diejenigen mehr netto vom Brutto behalten müssen. Und gerade im niedrigen Einkommensbereich ist daher die Notwendigkeit von Sozialversicherungsreformen und einer Sozialversicherungsbremse, die gerade in den unteren Tarifgruppen wirkt, von uns eingefordert und in der Vergangenheit ja auch im Detail beschrieben worden. Dazu zählt im Übrigen auch eine Generalrevision des Bürgergeldes, wo der Abgabenkeil nicht dazu einlädt, aus dem Bürgergeld sich herauszuarbeiten.
Schulz: Okay. Sie machen jetzt ganz viele verschiedene Punkte auf.
Kampeter: Sie habe mich ja zu konkreten Maßnahmen aufgefordert.
Schulz: Ich habe mit meiner Frage nach der Innovationskraft eigentlich stärker auf die Inhalte abgezielt. Also, was sind die Branchen? Wo liegt inhaltlich die Innovationskraft deutscher Unternehmen? Wir haben im Kopf von früher, da hat lange die Automobilindustrie eine wichtige Rolle gespielt. Ist jetzt natürlich auch noch so, aber natürlich mit dem Bild, das wir auch alle sehen, dass da inzwischen – Stichwort Elektromobilität – China die Nase vorn hat.
Kampeter: Ich glaube, dass die deutsche Wirtschaft in der Breite innovativ ist und nicht nur in einzelnen Sektoren und Branchen. Es gibt sicherlich, wie Sie zu Recht beschreiben, wirtschaftliche Schwerpunktbranchen. Aber im Maschinen- und Anlagenbau, der für alle Technologiebranchen vorhanden ist, gibt es erhebliche Innovationspotenziale. Brachliegende Innovationspotenziale sehe ich insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz. Da ist es wichtig, dass die Regulierung und die Anwendung solcher Technologiebereiche in Europa, nicht nur in Deutschland, auch wirtschafts- und wachstumsfreundlicher ausgestaltet wird. Aber ich glaube nicht, dass es jetzt Aufgabe der Politik ist, einzelne Schlüsselbereiche zu identifizieren und politisch zu promovieren, sondern wir brauchen in der Breite Luft zum Atmen, Kraft für Investitionen. Die deutsche Volkswirtschaft ist keine Mono-Volkswirtschaft, die sich auf eine einzelne Branche stützt.
Schulz: Aber die Bereiche, die Sie gerade ansprechen, KI, Technologie, wo sind da die Cluster, wo sind da die Hidden Champions?
Kampeter: Ich glaube, wenn Sie sehen, was wir, beginnend von Industrie 4.0 in den vergangenen Jahrzehnten am Markt realisiert haben, sind beispielsweise unsere Angebote im Maschinen- und Anlagenbau immer noch führend. Wir haben in den Bereichen Pharma auch immer noch tolle Unternehmen. Und Sie sehen beispielsweise an der Investitionsentscheidung eines prominenten Pharmaunternehmens aus Rheinland-Pfalz …
Schulz: BioNTech.
Kampeter: …, dass es eben auch um staatliche Rahmenbedingungen geht, solche nicht nur Hidden, sondern auch bekannte Champions in Deutschland zu halten. Und das ist ja eben das Kernanliegen unseres Programms. Wir glauben, dass auch die politische Leistungsfähigkeit eines Landes von einer starken Wirtschaft abhängt, und dass die politischen Gestaltungsmöglichkeiten größer werden, wenn auch eine vernünftige wirtschaftliche Basis … von daher gibt es nicht nur ein unternehmerisches Interesse am wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch ein Interesse der politisch Handelnden. Und deswegen, noch mal, an sich brauchen wir eine konzertierte Aktion von Bund und Ländern für den Standort. Da kommt es nicht auf jede einzelne Schraube an, ob dieser oder jener Vorschlag realisiert wird, sondern das gemeinsame Handlungssignal wäre schon ein wichtiges politisches Motiv, Anleitung, Unterstützung für Investitionen in die Zukunft unseres Standortes.
Schulz: Steffen Kampeter war das, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände.
(Quelle: deutschlandfunk.de, M+E-Newsletter Gesamtmetall)