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Schwieriges Jahr für Saarbrücker Flughafen / Heil: Millionen Beschäftigte mit Stundenlohn unter zwölf Euro / Unternehmen korrigierten 2,5 Millionen Rechnungen wegen Mehrwertsteuersenkung

Saarland
Schwieriges Jahr für Saarbrücker Flughafen
Ryanair kündigt Basisschließung auf dem Hahn an
Saarland ist Schlusslicht bei Glasfaserausbau
Wasserstoff-Tankstelle in Saarbrücken erhält Baugenehmigung

Arbeitswelt
Heil: Millionen Beschäftigte mit Stundenlohn unter zwölf Euro
Gutachten für Bundesregierung stützt Frauenquote für Unternehmensvorstände
IW-Arbeitsmarktexperte: Vorstoß zur Vier-Tage-Woche "gefährlicher Unsinn"
 
Wirtschaftspolitik
Unternehmen korrigierten 2,5 Millionen Rechnungen wegen Mehrwertsteuersenkung
Regierung: Systemische Risiken weiter erhöht
EU-Parlament will Milliardenpaket rasch nachbessern
 
Interview
Kramer: 2022 Leistungsniveau wie vor Corona (Augsburger Allgemeine)

 

Saarland

Schwieriges Jahr für Saarbrücker Flughafen
Am Flughafen Saarbrücken finden in diesem Jahr nur rund ein Viertel der geplanten Ferienflüge finden statt. Pro Woche startet Eurowings drei Mal nach Mallorca, Tuifly fliegt ein mal pro Woche nach Heraklion. Das sagte ein Sprecher des Flughafens dem SR. Trotzdem sehe er Perspektiven für den Standort. Die Flüge seien gut ausgelastet, wegen der Corona-Pandemie hätten die Airlines und Reiseveranstalter aber deutlich weniger Buchungen als im Vorjahr. Wirtschaftsstaatssekretär und Flughafen-Aufsichtsratschef Jürgen Barke teilt mit, das Land werde weiterhin alles tun, um den Flughafen Saarbrücken zu erhalten. Er sei für den Wirtschaftsstandort von enormer Bedeutung. Das habe sich durch Corona nicht geändert.
Der Trierer Verkehrsexperte Heiner Monheim sagte im SR-Interview, ein Flughafen brauche rund drei Millionen Fluggäste im Jahr, um wirtschaftlich zu sein. Der Saarbrücker Flughafen hatte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 365.000 Fluggäste. Monheim ist überzeugt, dass es eine "Bereinigung" bei den Regionalflughäfen geben müsse. (Quelle SR)

Ryanair kündigt Basisschließung auf dem Hahn an
Die irische Fluggesellschaft Ryanair setzt im Tarifstreit mit den Piloten die Drohung um, den Standort am Flughafen Hahn zu schließen. Die Basis am Hunsrück-Airport soll zum 1. November dicht gemacht werden. Auch den Standorten in Berlin-Tegel und im nordrhein-westfälischen Weeze drohe noch vor dem Winter das Aus, teilte die Ryanair-Tochter Malta Air in einem internen Schreiben mit. Zuvor hatte es einen heftigen Streit mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) über Gehaltskürzungen in der Corona-Krise gegeben. Die bei der Ryanair-Tochter Malta Air beschäftigten Piloten aus Deutschland hatten Vorschläge mit erheblich verschlechterten Konditionen abgelehnt. Die Piloten in Hahn bekämen noch in dieser Woche ihre Kündigung, teilte Malta-Air-Personalchef Shane Carty mit. (Quelle: airliners.de)

Saarland ist Schlusslicht bei Glasfaserausbau
Das Saarland liegt beim Glasfaserausbau bundesweit zurück. Nirgendwo sonst verfügen so wenige Haushalte über schnelles Internet via Glasfaser. Auch bundesweit ist der Ausbau jedoch bislang nicht weit fortgeschritten. Nur 2,6 Prozent aller Haushalte im Saarland surfen via Glasfaser durchs Netz. Gemeint sind damit die Haushalte, bei denen der Glasfaserausbau direkt bis ans Haus reicht, die also über einen sogenannten FFTH- oder FFTB-Anschluss verfügen. Bundesweit sind das 11,8 Prozent aller Haushalte. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Dabei gibt es jedoch große regionale Unterschiede. Während bei Spitzenreiter Hamburg rund 71 Prozent aller Haushalte an das Glasfasernetz angeschlossen sind, sind es etwa in der Freien Hansestadt Bremen lediglich drei Prozent. Auch in Baden-Württemberg (5 Prozent), Thüringen (3,6 Prozent) und dem saarländischen Nachbarn Rheinland-Pfalz (3,8 Prozent) ist der Ausbau noch nicht weit fortgeschritten. (Quelle: SR)
 
Wasserstoff-Tankstelle in Saarbrücken erhält Baugenehmigung
Die Baugenehmigung für eine Wasserstofftankstelle in Saarbrücken liegt vor. Armin Gehl vom Verband Autoregion sagte dem SR, daran sei zwei Jahre lang gearbeitet worden. Der Bau der Tankstelle sei ausschlaggebend für mehrere Unternehmen, die an der Wasserstofftechnologie arbeiten. Der Bau der Saarbrücker Wasserstofftankstelle hatte sich wegen einer fehlenden Betriebserlaubnis immer wieder verzögert. Gehl hofft nun darauf, dass die Wasserstoffproduktion in Fenne zügig anläuft, damit die Versorgung der Tankstelle regional sichergestellt ist. Die Wasserstofftankstelle wird vom Unternehmen H2Mobilty an der Burbacher Straße in Saarbrücken gebaut. Sie kann 40 Wasserstoff-Autos pro Tag betanken. Aktuell gibt es in Deutschland 84 Wasserstofftankstellen und knapp 800 zugelassene Fahrzeuge. Der Bau der Wasserstofftankstelle kostet rund 1,2 Millionen Euro. Die Hälfte davon sind nach Angaben von H2Mobilty Fördermittel. (Quelle: SR)


Arbeitswelt
 
Heil: Millionen Beschäftigte mit Stundenlohn unter zwölf Euro

Mit neuen Vorgaben für die Mindestlohnkommission will Arbeitsminister Heil die Lohnuntergrenze in Deutschland auf 12 Euro steigen lassen. Er werde „Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von zwölf Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen“ könnten, sagte Heil. Derzeit verdient rund jeder vierte Beschäftigte in Deutschland weniger als 12 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hatte Ende Juni eine Anhebung in vier Stufen bis Mitte 2022 empfohlen von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde. Heil kündigte nun für den Herbst „Vorschläge zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und zur Stärkung der Tarifbindung“ an. Zunächst solle der Mindestlohn angehoben werden wie von der Kommission vorgeschlagen. „Aber mir reicht das nicht aus“, stellte Heil klar: „Ich habe nach dem Gesetz die Aufgabe, fünf Jahre nach Einführung des Mindestlohns den gesamten Mechanismus zu untersuchen.“ Heil will der Kommission nun „weitere Kriterien“ an die Hand geben, wie er sagte: „Im Moment orientiert sich die Weiterentwicklung des Mindestlohns stark an der Tarifentwicklung. Ich kann mir vorstellen, dass wir der Kommission ein weiteres Kriterium mitgeben und sie sich stärker an der Entwicklung mittlerer Einkommen – des Medians – orientiert.“ Weniger als 12 Euro pro Stunde verdienten zuletzt 9,99 Millionen Beschäftigte, wie aus der Antwort des Statistischen Bundesamts auf eine Anfrage im Bundestag hervorgeht. In Ostdeutschland lag der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit unter zwölf Euro in der Stunde im April 2018 bei 36,7 Prozent. In Westdeutschland einschließlich Berlin betraf dies 24,7 Prozent der Beschäftigten. Diese im Juli erstellte Statistik des Bundesamts zeigt das Bild im April 2018. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst lag deutschlandweit bei 19,37 Euro. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Gutachten für Bundesregierung stützt Frauenquote für Unternehmensvorstände
Familienministerin Giffey hat im Koalitionsstreit um die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für Unternehmensvorstände eine entscheidende Hürde genommen – damit wird die Bundesregierung voraussichtlich in Kürze Firmen Mindestvorgaben machen. In einem Gutachten zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Führungspositionen für die Bundesregierung werden freiwillige Lösungen als nicht zielführend bezeichnet und Quoten über Aufsichtsräte hinaus auch für Vorstände empfohlen. Die bereits eingeführte 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte habe zu eindeutigen Fortschritten geführt, heißt es in der Studie, die von Giffey zur Evaluierung des seit 2015 bestehenden Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Auftrag gegeben wurde. Darin steht: "Im Rahmen der Evaluation zeigt sich, dass Unternehmen, die der festen Quote von 30 Prozent im Aufsichtsrat unterliegen, im Schnitt einen deutlicheren Fortschritt hinsichtlich des Frauenanteils in Führungspositionen aufweisen als Unternehmen, die nur zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil verpflichtet sind. Neben höheren Frauenanteilen im Aufsichtsrat verzeichnen ,Quotenunternehmen' im Zeitverlauf auch einen schnelleren Anstieg von Frauenanteilen in Führungspositionen insgesamt." Die Ausweitung des Geltungsbereichs der festen Quote auf weitere Unternehmen würde sich positiv auf den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen auswirken. "Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Geltung der Zielgrößen nur in geringem Maße zur Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand geführt hat. Eine Regelung, die mehr Verbindlichkeit für die Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand schafft, würde die Wirkungskraft des Gesetzes erhöhen – insbesondere auch deshalb, weil sich viele weitere für die Umsetzung des Gesetzes relevante Entscheidungen, zum Beispiel über Besetzungen von Führungspositionen oder auch Maßnahmen zur Förderung von Frauen, auf Ebene des Vorstands bündeln", heißt es in dem Gutachten weiter, das Giffey bei der Personalberatung Kienbaum, dem Unternehmen Flick Gocke Schaumburg und der Europe Business School in Auftrag gegeben hatte. (Quelle: Rheinische Post, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
IW-Arbeitsmarktexperte: Vorstoß zur Vier-Tage-Woche "gefährlicher Unsinn"
IW-Arbeitsmarktexperte Schäfer hat den Linken-Vorschlag einer staatlichen Subvention für eine flächendeckende Vier-Tage-Woche scharf kritisiert. Der Vorschlag erkläre die Wirtschaftskrise zum Dauerzustand, sagte Schäfer. Weniger zu arbeiten führe zu weniger Produktion und zu weniger Steuereinnahmen. Das sei es, was eine Wirtschaftskrise ausmache, betonte Schäfer. Es sei gefährlich, dies staatlich zu fördern. Wer weniger arbeiten wolle, könne das mit seinem Arbeitgeber vereinbaren. Die Politik sollte sich da nicht einmischen, sagte Schäfer. Linken-Chefin Kipping hatte zuvor angeregt, die Corona-Pandemie zum Anlass zu nehmen, die Arbeitszeit mit vorübergehenden staatlichen Zuschüssen für Unternehmen zu reduzieren, weil dies Beschäftigte glücklicher, gesünder und produktiver mache. Auch die Unternehmen profitierten davon, weil ihre Mitarbeiter weniger Fehler machten, motivierter und seltener krank seien. Schäfer betonte hingegen, dass das Verständnis unserer Wirtschaft beinhalte, dass jeder zunächst für sich selbst verantwortlich sei. Diejenigen, denen Verantwortung nicht wahrnehmen könnten, denen stehe die solidarische Hilfe der Gesellschaft zu. Das bedeute auch, dass jeder so viel arbeiten sollte, dass er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. (Quelle: Deutschlandfunk, M+E-Newsletter Gesamtmetall)

 
Wirtschaftspolitik
 
Unternehmen korrigierten 2,5 Millionen Rechnungen wegen Mehrwertsteuersenkung

Deutsche Unternehmen mussten wegen der befristeten Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli 2,5 Millionen bereits ausgestellte Rechnungen nachträglich anpassen oder berichtigen, wie aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage im Bundestag hervorgeht. Dadurch entstanden den Unternehmen zusätzliche Kosten von rund 14,4 Millionen Euro, so das Papier, in dem sich das Ministerium auf eine Schätzung des Statistischen Bundesamtes beruft. Insgesamt hatte die Bundesregierung die Kosten der Unternehmen für die Umstellung der Kassen- und Rechnungssysteme in ihrem Gesetzentwurf mit 239 Millionen Euro beziffert. (Quelle: Rheinische Post, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Regierung: Systemische Risiken weiter erhöht
Im Unternehmenssektor drohen erhebliche Liquiditäts- und Solvenzprobleme. Die hohe Unsicherheit über die Insolvenz ganzer Unternehmensbranchen könne dazu führen, dass das Finanzsystem die Realwirtschaft nicht ausreichend mit Finanzmitteln versorgen würde, was eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bedeute, heißt es im Siebten Bericht des Ausschusses für Finanzstabilität zur Finanzstabilität in Deutschland, der von der Bundesregierung vorgelegt wurde. Weitreichende Probleme im Bankensektor würden die Aussichten auf einen raschen Aufschwung nach der Corona-Pandemie deutlich eintrüben und sich negativ auf das langfristige Potenzialwachstum auswirken, wird in den Bericht gewarnt. Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Schock für die Wirtschaft treffe auf ein Finanzsystem, in dem sich in den vergangenen Jahren zyklische Systemrisiken aufgebaut hätten, heißt es darin weiter. Schon im vergangenen Berichtszeitraum habe der Ausschuss für Finanzstabilität drei zyklische Risiken identifiziert, die sich gegenseitig verstärken und die Stabilität des deutschen Finanzsystems gefährden könnten. Genannt werden die Unterschätzung von Kreditrisiken, Risiken aus der Immobilienfinanzierung und Zinsrisiken, wenn die Zinsen noch über längere Zeit sehr niedrig bleiben oder abrupt steigen würden. Bereits 2019 sei der Ausschuss zu der Einschätzung gekommen, dass der Aufbau zyklischer Systemrisiken die Finanzstabilität in Deutschland gefährden könnte. Bei niedrigen Zinsen und schwacher Konjunktur hätten sich diese zyklischen Systemrisiken in Deutschland bis Ende des Jahres 2019 weiter aufgebaut. Zudem würden die dauerhaft niedrigen Zinsen die Profitabilität von Banken und Lebensversicherern unter Druck setzen. (Quelle: Bundestag, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
EU-Parlament will Milliardenpaket rasch nachbessern
Das EU-Parlament will das beim EU-Gipfel vereinbarte Haushalts- und Konjunkturpaket im Umfang von 1,8 Billionen Euro rasch nachbessern, kündigte Parlamentspräsident Sassoli an. Unter anderem müssten Kürzungen bei Forschung, Klimaschutz und Migrationspolitik korrigiert werden, zudem wolle man die Klausel nachschärfen, die EU-Gelder künftig an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit koppeln soll. Die EU-Kommission räumte ein, dass der Gipfelbeschluss in diesem Punkt Fragen aufwirft. Noch sei allerdings nicht klar, ob man dazu einen neuen Vorschlag machen werde, sagte ein ranghoher Beamter in Brüssel. Der Punkt wird auch in den anstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament eine wichtige Rolle spielen. Das Parlament muss den Haushalt letztlich billigen und kann in einem Vermittlungsverfahren Änderungen herausholen. Bei einer Sondersitzung wollen die Abgeordneten heute ihre Forderungen aufstellen. Im Entwurf einer Resolution heißt es, man bedauere sehr, dass der Gipfelbeschluss den Rechtsstaatsmechanismus geschwächt habe. Darüber hinaus will das Parlament im Haushalt mehr Geld für Zukunftsaufgaben wie Forschung und Klimaschutz und die rasche Einführung neuer eigener Geldquellen für die EU-Ebene. Im Gespräch sind eine Abgabe auf nicht recycelte Plastikabfälle, eine Digitalsteuer, eine Ausweitung des Emissionshandels und ein Klimazoll auf umweltschädlich hergestellte Importwaren. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Interview
 
Kramer: 2022 Leistungsniveau wie vor Corona

BDA-Präsident Kramer appelliert an die Unternehmen, auszubilden und die Betriebe auch in Krisenzeiten zu verjüngen. Denn so könne Stillstand vermieden werden.
AA:
Herr Kramer, der Ifo-Konjunktur-Index hat nach massiven Einbrüchen kräftig zugelegt und die chinesische Wirtschaft wächst wieder. Kommen wir ökonomisch doch noch mit einem blauen Corona-Auge davon?
Kramer:
Ich bin da recht zuversichtlich für unsere Wirtschaft, und das hat einen Grund: Es ist nämlich nicht der Bedarf nach unseren Waren und Dienstleistungen zusammengebrochen und die Ursache der Rezession gewesen. Dieser Bedarf wird, wenn die Corona-Krise überwunden ist, auch hierzulande die Produktion erneut ankurbeln. Ich glaube, dass wir 2022 wieder das Leistungsniveau der Zeit vor Corona, also wie wir es noch im Februar erlebt haben, verzeichnen. Einstweilen müssen wir aber mit Kurzarbeit leben.
AA:
Bewährt sich das Kurzarbeitsmodell?
Kramer:
Unser deutsches Kurzarbeitsmodell, mit dem wir erfolgreich Entlassungen verhindern, hat ja weltweit Schule gemacht. Schon während der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 hat es sich bewährt. Es wäre ja widersinnig, sich in Krisenzeiten von Fachkräften zu trennen, die wir nicht mehr in dem Maße bekommen, wenn sich das Wirtschaftsleben normalisiert.
AA:
Irgendwann brauchen die Unternehmen die Mitarbeiter eben wieder.
Kramer:
Genau. Ich bin optimistisch, dass wir sie alle wieder brauchen, wenn die Corona-Krise durch Impfung oder Medikamente überwunden ist. Ich weiß nur nicht – und das weiß im Moment leider keiner – wann das der Fall ist. Denn eines ist klar: Nach der Corona-Krise ist der Mangel an Facharbeitern wieder das Haupt-Wachstumshindernis für unsere Volkswirtschaft. Die demografische Entwicklung bleibt ja wie sie ist. Unsere Gesellschaft wird älter.
AA:
Sie bleiben also Optimist.
Kramer:
Klar, Unternehmer sind immer Optimisten, sonst wären sie nicht Unternehmer.
AA:
Wie schätzen Sie als bekennender Optimist die Chancen junger Menschen ein, die jetzt einen Ausbildungsplatz suchen? Was bringt hier denn die geplante Prämie der Bundesregierung von bis zu 3000 Euro pro Auszubildenden für Betriebe?
Kramer:
In der ein oder anderen Branche wird diese Prämie als Motivationsschub Wirkung zeigen, um einen Auszubildenden einzustellen. Die meisten Betriebe wollen aber ohnehin weiter kräftig ausbilden. Nur finden sie nach wie vor in vielen Fällen nicht ausreichend qualifizierte Jugendliche. Wenn Unternehmer wie ich davon ausgehen, dass sie in drei Jahren noch am Markt sind, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als auch jetzt in Corona-Zeiten kräftig auszubilden. Denn so eine Ausbildung dauert ja auch drei Jahre. Wenn man dann noch bedenkt, dass ein Ausbildungsplatz je nach Brache zwischen 10.000 und 20.000 Euro im Jahr kostet, dann kann die Azubi-Prämie von 2000 bis 3000 Euro nicht das entscheidende Kriterium sein, einen Auszubildenden einzustellen.
AA:
Was raten Sie jetzt Ihren Unternehmer-Kollegen?
Kramer:
Ich bilde in meinem Betrieb wie viele andere Unternehmer aus Überzeugung aus. Und das ist auch mein Appell an die vielen Unternehmer in Deutschland: Bildet weiter kräftig aus! Wir müssen unsere Betriebe verjüngen, sonst bleiben wir irgendwann stehen. Junge Menschen stellen einfach andere Fragen und wir müssen Antworten auf diesen Fragen finden. Auch davon kann das Unternehmen nur profitieren.
AA:
Ist die Azubi-Prämie also überflüssig?
Kramer:
Nein. Wir dürfen diese Prämie nicht schlecht reden. In manchem Betrieb, dem es Corona-bedingt besonders schlecht geht, kann eine solche Prämie Unternehmer doch noch dazu motivieren, Auszubildenden eine Chance zu geben. Was aber auch wichtig ist: Trotz der Corona-Krise ist das Angebot an Ausbildungsplätzen weiter größer als die Nachfrage. Dies ist doch ein gutes Zeichen, das uns Mut machen sollte. Wir müssen also in Deutschland angesichts der Krise nicht in Sack und Asche gehen.
AA:
Dabei fällt auf, dass die Arbeitgeberverbände gnädiger denn je mit der Bundesregierung umgehen. Nach heftiger Kritik an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung noch Anfang des Jahres ist plötzlich im Unternehmerlager allseits auffällig viel Lob für Merkel & Co. zu hören.
Kramer:
Das liegt auch daran, dass sich die Bundesregierung eng und gut mit den Sozialpartnern, also den Arbeitgebern und Gewerkschaften, abgestimmt hat. Weltweit bewundert man uns, wie wir die Krise bewältigen – und zwar sowohl was unser Gesundheitssystem betrifft als auch wie wir wirtschaftspolitisch versuchen, die PS wieder auf die Straße zu bekommen.
AA:
Ist das Konjunkturpaket also der versprochene große Wumms?
Kramer:
Das Konjunktur-Paket stellt im Großen und Ganzen ein sehr schlüssiges Konzept dar. Der Corona-Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Koalition stimmt. Krise können wir in Deutschland eben. Wenn es brennt, löschen wir gemeinsam und akzeptieren auch Führung. Dabei warnt Frau Merkel die Bürger zurecht davor, im Umgang mit der Pandemie nachlässig zu werden. Es liegt also in unserer Hand, wie heil wir durch diese Krise kommen. Auf alle Fälle ist Deutschland gut aufgestellt. Wenn wir nicht leichtsinnig werden, wie zuletzt leider einige Deutsche auf Mallorca, werden wir vergleichsweise gut durch die Krise kommen.
AA:
Noch einmal: So kuschelig wirkte das Verhältnis von Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden selten. Haben Sie gar nichts zu kritisieren?
Kramer (lacht):
Keine Sorge, das Nörgeln geht schon wieder los, wenn es uns wieder gut geht und wir uns wieder mit den grundsätzlichen Fragen der richtigen Wirtschaftspolitik befassen.
AA:
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann nörgelt bereits. Der Gewerkschafter kritisierte ja, dass es keine gesonderte Prämie für umweltfreundliche Benzin- und Dieselautos gibt.
Kramer:
Ich habe mich in den Gesprächen mit der Bundesregierung für eine Hybrid- und Elektroprämie eingesetzt. Das ist der richtige Weg, um alternative Technologien anzuschieben. So kann jetzt die für die E-Mobilität notwendige Infrastruktur schneller ausgebaut werden. Insofern ist das Förderkonzept der Bundesregierung schlüssig.
AA:
Und das sagen Sie, obwohl Sie sich vor der Corona-Krise noch selbst ein neues Diesel-Fahrzeug gekauft haben.
Kramer:
Ja, denn diese modernen Motoren sind ökologisch und ökonomisch perfekt, wenn ich beruflich häufig lange Strecken fahre. Da will ich am Abend zu Hause in Bremerhaven ankommen und nicht anderswo übernachten müssen. Wenn ich aber hier in Berlin im Stadtverkehr für die BDA unterwegs bin, nutze ich ein Hybrid-Dienstauto, das also auch elektrisch fährt. Wir müssen jetzt die Infrastruktur für alternative Motorenkonzepte aber beschleunigt ausbauen.
AA:
Für einen solchen zügigen Ausbau tritt ja auch der IG-Metall-Chef ein. Trotzdem ist er erbost über die reine E-Auto-Prämie.
Kramer:
Durch die Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent vom 1. Juli an erhalten Käufer von Benzin- und Dieselwagen einen spürbaren Rabatt. Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung eine kluge Förderstrategie eingeschlagen hat, die sich positiv auf die ganze Volkswirtschaft auswirkt und dadurch nicht nur einzelne Branchen begünstigt.
AA:
Auto-Manager haben sich aber genau eine solche Bevorzugung ihrer Branche gewünscht.
Kramer:
Dann hätte man aber allen von der Corona-Krise betroffenen Branchen – und das sind sehr viele – spezielle Förderungen zukommen lassen müssen. Das war aber in der Kürze der Zeit nicht möglich. Bei Vertretern der Autoindustrie ist natürlich eine gewisse Frustration zu spüren, dass die Bundesregierung dieses Mal anders als in der Vergangenheit ihren Vorstellungen nicht exklusiv gefolgt ist.
AA:
Noch bei der Finanzmarktkrise erhielt die Autoindustrie, was sie wollte, eben eine Abwrackprämie und damit einen Bonus für den Kauf von Benzin- und Dieselautos.
Kramer:
Doch damals konnte man die Zahl der Branchen, die von dieser Krise betroffen waren, an zwei Händen abzählen. Heute aber kann man die Branchen, die nicht von der Corona-Krise betroffen sind, an zwei Händen abzählen. Das ist der fundamentale Unterschied. Deswegen konnte man nicht wie 2008 und 2009 vorgehen und einige Branchen wie die Autoindustrie besonders herausheben. Deswegen habe ich die Vertreter der Bundesregierung darin bestärkt, eine Lösung für alle Wirtschaftsbereiche zu entwickeln.
AA:
Bleiben Sie trotz des Unwillens in der Autoindustrie und des Zorns von Gewerkschaftern bei dieser Haltung?
Kramer:
Ja. Ich halte dieses Konzept der Förderung aller Wirtschaftssektoren nach wie vor für richtig, auch wenn ich die speziellen Wünsche aus der Autobranche und aus anderen Branchen aus deren Sicht natürlich verstehe. Warum aber sollte die Autoindustrie dagegen sein, dass auch andere Branchen die gleichen drei Prozent Förderung erhalten.
AA:
Die Corona-Krise weckt allseits Begehrlichkeiten. Nach den positiven Erfahrungen vieler, die während der Corona-Krise von zu Hause aus arbeiten, will Arbeitsminister Hubertus Heil ein Recht auf Homeoffice durchsetzen. Wie stehen Sie dazu?
Kramer:
Ich lehne einen solchen allgemeinen Rechtsanspruch ab, da er für viele Beschäftigte gar nicht praktikabel ist. Vor Ort wissen alle besser, wie sie das mit ihren Mitarbeitern gemeinsam und auch individuell lösen können. Unternehmer werden, wenn es möglich ist, doch alles in Zeiten des Fachkräftemangels daran setzen, Beschäftigten ihre Wünsche nach Homeoffice dort zu ermöglichen, wo es auch geht. Aber Homeoffice hat Grenzen: Zum Beispiel am Bau oder in der Landwirtschaft ist das kaum möglich. Getreide kann ja schließlich nicht im Homeoffice geerntet werden. Ein Recht auf Homeoffice verspricht also mehr, als es halten kann. Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich: Jeder Fall ist anders. Also gilt es in den Betrieben individuelle Lösungen zu finden, welche die Bedürfnisse der Mitarbeiter mit den Anforderungen der Betriebsabläufe in Einklang bringt.
(Quelle: Augsburger Allgemeine / Interview: Stefan Stahl, M+E-Newsletter Gesamtmetall)