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VSU-Schlagzeilen 18.03.2021

Ford will Saarlouiser Werk über 2025 hinaus sichern / Rogesa investiert 28 Millionen Euro in Umweltschutz / ME-Arbeitgeber wollen Tarifabschluss bis Ostern / BDI fordert rasche Einigung auf verbindliches EU-Klimaziel

Saarland/Region
Ford will Saarlouiser Werk über 2025 hinaus sichern
Rogesa investiert 28 Millionen Euro in Umweltschutz

Tarifpolitik
ME-Arbeitgeber wollen Tarifabschluss bis Ostern
 
Arbeitswelt
Allianz für Weiterbildung will Ausbildungsbetriebe stärken
 
Wirtschaftspolitik
Fed erhöht Prognosen und setzt weiter auf extrem lockere Geldpolitik
Fall Nawalny: US-Regierung weitet Sanktionen gegen Russland auf Exportbeschränkungen aus
Bericht: G7 einigen sich auf 650-Milliarden-Kapitalspritze für IWF
 
Energiepolitik
E-Mobilität: Niedersachsenmetall warnt vor schweren Zeiten für die Automobilbranche
BDI fordert rasche Einigung auf verbindliches EU-Klimaziel
 
Interview
Wolf: Warnstreiks passen nicht in die Corona-Zeit (Augsburger Allgemeine)

 

Saarland/Region

Ford will Saarlouiser Werk über 2025 hinaus sichern
Der Autohersteller Ford will das Werk in Saarlouis über das Jahr 2025 in Betrieb halten. Das sagte Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann im Gespräch mit der „Saarbrücker Zeitung“. „Wir haben in Saarlouis extreme Kompetenzen“, sagte Herrmann. „Wir arbeiten an einem Plan, das Werk in Saarlouis auch für die Zukunft konkurrenzfähig aufzustellen“, sagte er. Ford will ab 2030 nur noch elektro-Autos in Europa bauen. Ab 2023 soll in Köln das erste E-Modell gebaut werden. In Saarlouis gehe es nun drum, die Effizienz zu steigern. Das schließe auch einen Personalabbau ein. (Quelle: Saarbrücker Zeitung)

Rogesa investiert 28 Millionen Euro in Umweltschutz
Die Rogesa Roheisengesellschaft Saar, eine Tochter von Dillinger und Saarstahl investiert 28 Millionen Euro in Dillingen. Geplant ist eine Entstaubungsanlage des Rundkühlers mit integrierter Wärmerückgewinnung. Die Anlage spart 82.000 Megawattstunden Energie und 25.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein. Unabhängig von den geplanten Wasserstoffaktivitäten sei es durch solche Projekte auch möglich, bei der bestehenden Produktion die CO2-Belastung zu reduzieren und damit den Stahl noch umweltfreundlicher zu machen. Dillinger und Saarstahl haben in den vergangenen zwei Jahren rund 70 Millionen Euro in Nachhaltigkeit und Klimaschutz investiert. (Quelle: Stahl-Holding Saar)
 

Tarifpolitik
 
ME-Arbeitgeber wollen Tarifabschluss bis Ostern
Nordmetall-Verhandlungsführerin Ströbele setzt im Tarifkonflikt der norddeutschen M+E-Industrie auf eine Einigung noch vor Ostern, rechnet aber nicht mit einem Durchbruch in der heutigen Verhandlung: "Ich glaube nicht, dass wir so schnell einen Tarifabschluss hinbekommen. Dafür sind wir noch zu weit auseinander." Sie würde sich jedoch freuen, "wenn wir einen substanziellen Schritt aufeinander zugehen", sagte Ströbele und sprach zugleich von einer konstruktiven Atmosphäre und einem respektvollen Umgang in den bisherigen Verhandlungsrunden. Nordmetall lehnt höhere Löhne wegen der Corona-Krise in diesem Jahr ab und hat stattdessen wie in NRW einen "Mix aus Einmalzahlung und Tabellenerhöhung ab 2022" vorgeschlagen. "Natürlich müssen wir auch über Geld reden", sagte Ströbele. Vor zwei Jahren hätten die Arbeitnehmer durch das sogenannte tarifliche Zusatzgeld de facto ein Zwei-Prozent-Plus erhalten, vor einem Jahr eine Einmalzahlung von 350 Euro. Angesichts der schon vor der Pandemie teilweise angeschlagenen Branche müssten jetzt Zukunftsgestaltung, Arbeitsplatzsicherheit und die Krisenbewältigung selbst im Vordergrund stehen. Es gehe um Transformation und Strukturwandel: "Es ist unser klares Ziel, den Unternehmen und Beschäftigten Planungssicherheit zu geben." Die Forderung der Gewerkschaft ist für Ströbele realitätsfern: "Ein Blick in die Betriebe reicht, um zu wissen, dass das nicht funktionieren kann." Nach wie vor seien fast die Hälfte der Beschäftigten in Kurzarbeit und die Produktion rückläufig: "Vier Prozent auf zwölf Monate sind überhaupt nicht abbildbar. Das wissen auch die Mitarbeiter." Deshalb setze Nordmetall auch auf eine deutlich längere Tariflaufzeit: "Sowohl das Thema Beschäftigungssicherung als auch das Thema Zukunftsgestaltung lassen sich nicht in zwölf Monaten lösen." Ströbele räumte ein, dass es in der Branche nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner gebe. Doch die könnten nicht der Maßstab für Verhandlungen sein. Es bringe nichts, wenn man auf deren Basis erst einen hohen Abschluss vereinbare und dann im Kleingedruckten für die vielen existenzbedrohten Unternehmen Ausnahmen erlauben müsse: "Da wären sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter zurecht sauer auf uns. Das wäre eine Mogelpackung."
Metall-NRW-Hauptgeschäftsführer Mallmann machte unterdessen deutlich, dass Lohnerhöhungen frühestens im zweiten Halbjahr 2022 und eine Einmalzahlung in der ersten Jahreshälfte 2022 akzeptabel seien. Auch eine längere Laufzeit gehört zu den zentralen Punkten der Arbeitgeber. „Die Lage der Firmen ist sehr heterogen, aber die Zahl derer, die um ihre Existenz kämpfen, ist so groß wie selten“, sagte Mallmann. Etwa die Automobilzulieferer hätten nicht nur mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen, sondern auch mit dem grundlegenden Wandel zur E-Mobilität. „Wir müssen erstmal sehen, dass die Unternehmen dieses Jahr durch die Krise kommen“, betonte Mallmann. Derzeit sehe er noch keinen Spielraum für zusätzliche Belastungen. Insgesamt erschwere Corona die Verhandlungen. „Wir verhandeln auf beiderseitigen Wunsch nur in einer sehr kleinen Gruppe, um auch non-verbale Signale wahrnehmen zu können“, erklärt Mallmann. Einig sei man sich mit der IG Metall, dass es bis Ostern ein Ergebnis geben soll. Der Einigungsdruck sei hoch – „aber natürlich nicht um jeden Preis.“ (Quelle: dpa, Kölner Stadt-Anzeiger, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Arbeitswelt
 
Allianz für Weiterbildung will Ausbildungsbetriebe stärken
Die Corona-Krise darf nicht zur Ausbildungs- oder Fachkräftekrise werden, weshalb die Partner der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ in einer Gemeinsamen Aktion Maßnahmen zur Stärkung der beruflichen Ausbildung und zur Stabilisierung des Ausbildungsmarktes vereinbart haben. Damit wollen sie vermeiden, dass pandemiebedingt Angebot und Nachfrage im Ausbildungsjahr 2021/2022 zurückgehen. Kein Betrieb, kein Jugendlicher soll allein gelassen werden. BDA-Präsident Dulger erklärte: „Um nach der Pandemie wieder voll durchstarten zu können, müssen wir jetzt gute Fachkräfte ausbilden. Denn nur mit exzellentem Nachwuchs bleibt die deutsche Wirtschaft innovativ und wettbewerbsfähig. Damit Bewerber und Ausbildungsbetriebe zueinander finden und kein Ausbildungsplatz unbesetzt bleibt, müssen wir uns in der Allianz mit aller Kraft auf innovative Wege der Berufsorientierung für Schulabgänger konzentrieren. Das Bundesprogramm "Ausbildungsplätze sichern" ist eine wertvolle Anerkennung für Betriebe, die trotz großer Herausforderungen weiter ausbilden. Klar ist aber: Das Programm muss zeitlich befristet auf die derzeitige pandemiebedingte Lage sein und gezielt Anreize zur Ausbildung und Anerkennung für Ausbildungsleistung bieten. Nach der Pandemie tragen die Betriebe wieder die alleinige Verantwortung für die Finanzierung von Ausbildung." Wirtschaftsminister Altmaierlobte das „starke Signal für die Stabilisierung des Ausbildungsmarktes“, das die Allianz ausgesendet habe und betonte: „Mit unserer Gemeinsamen Aktion unterstützen wir junge Menschen und Betriebe dabei, dass auch unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie begonnene Berufsausbildungen erfolgreich zum Abschluss gebracht und neue Ausbildungsverträge geschlossen werden können. Ich bin zuversichtlich, dass die neuen Maßnahmen der Allianz durch den beginnenden Öffnungsprozess und die Ausweitung der Testangebote in der Wirtschaft sehr bald Früchte tragen werden.“ DGB-Vorstand Hannack forderte, um im zweiten Jahr der Corona-Krise einen „erneuten Einbruch der Zahl der Ausbildungsverträge“ zu verhindern, müssten die Hilfen zur Vermeidung von Kurzarbeit in der Ausbildung, zur Übernahme von Auszubildenden aus insolventen Unternehmen, für die Verbund- und Auftragsausbildung „jetzt schneller und unbürokratischer an mehr Unternehmen fließen“. (Quelle: Allianz für Aus- und Weiterbildung, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Wirtschaftspolitik
 
Fed erhöht Prognosen und setzt weiter auf extrem lockere Geldpolitik
Die US-Notenbank Fed hat ihre Prognosen zum Wirtschaftswachstum sowie zur Preisentwicklung kräftig erhöht und setzt im Kampf gegen die Corona-Krise unverändert auf eine extrem lockere Geldpolitik. Der gegenwärtige geldpolitische Kurs werde beibehalten, bis die Ziele der Fed erreicht seien, teilte die Notenbank mit und bestätigte ihren Leitzins in der Spanne von 0,00 bis 0,25 Prozent. Die US-Wirtschaftsleistung dürfte laut den Fed-Prognosen 2021 um 6,5 Prozent steigen, nachdem im Dezember nur ein Zuwachs um 4,2 Prozent erwartet worden war. Im vergangenen Jahr war die amerikanische Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent geschrumpft und damit so stark wie seit 1946 nach dem Ende des Zeiten Weltkriegs nicht mehr. Die Wachstumserwartung für 2022 wurde von zuvor 3,2 Prozent leicht auf 3,3 angehoben. Die Fed kündigte an, ihre milliardenschweren Wertpapierkäufe fortzusetzen. Derzeit kauft die Notenbank pro Monat für 80 Milliarden Dollar Staatsanleihen und für 40 Milliarden Dollar hypothekenbesicherte Wertpapiere. Dieses Tempo soll fortgeführt werden. Falls nötig, könne die Geldpolitik auch jederzeit angepasst werden, bekräftigte die Fed. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Fall Nawalny: US-Regierung weitet Sanktionen gegen Russland auf Exportbeschränkungen aus
Die US-Regierung hat Sanktionen gegen Russland wegen der mutmaßlichen Nawalny-Vergiftung auf Exportbeschränkungen ausgeweitet. Das Handelsministerium teilte mit, von heute an werde die Ausfuhr von Gütern, die aus Gründen der Nationalen Sicherheit kontrolliert würden, nach Russland weitgehend blockiert. Ausnahmen gebe es bis zum 1. September für bestimmte Waren, die beispielsweise der Sicherheit der zivilen Luftfahrt dienten. Russland drohte mit Gegenmaßnahmen. "Ich schließe nicht aus, dass es eine angemessene beiderseitige Sanktionspolitik geben wird, da wir zweifellos spiegelbildlich reagieren werden", sagte der Vize-Chef des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Schwytkin. Das US-Handelsministerium teilte mit, die Exportbeschränkungen würden in Einklang mit den am 2. März vom Außenministerium verhängten Sanktionen ausgeweitet. Die USA hatten damals koordiniert mit der EU Strafmaßnahmen gegen ranghohe russische Staatsfunktionäre verkündet. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
Bericht: G7 einigen sich auf 650-Milliarden-Kapitalspritze für IWF
Die sieben führenden Industriestaaten (G7) haben sich einem Medienbericht zufolge auf eine stärkere Kapitalausstattung für den IWF verständigt. Am Freitag sollen die Finanzministerien der Länder dafür grünes Licht geben, berichtet die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Dem IWF sollen demnach rund 650 Milliarden Dollar über sogenannte Sonderziehungsrechte zufließen. Die Mittel sollen dann genutzt werden, um in der Corona-Krise Schwellen- und Entwicklungsländern stärker zu helfen. (Quelle: Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Energiepolitik
 
E-Mobilität: Niedersachsenmetall warnt vor schweren Zeiten für die Automobilbranche
Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Schmidt prognostiziert schwere Zeiten für die Automobilbranche. "Die Marktakzeptanz der Elektromobilität ist das A und O, und gleichzeitig zeigen die Umfragen, dass die Vorbehalte in der Bevölkerung eher zu- als abnehmen. Ich mache mir große Sorgen um die deutsche Automobilindustrie, weil ihr aufgrund der harten Grenzwertvorgaben aus Brüssel jede Möglichkeit genommen wird, einen anderen Kurs zu fahren", sagte Schmidt. Eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe zeigte jüngst, dass mehr als die Hälfte der Niedersachsen den Kauf eines Elektrofahrzeugs ablehnen. Von den 29 Prozent, die sich grundsätzlich ein E-Fahrzeug vorstellen können, liegt der Kauf für zwei Drittel in ferner Zukunft. Die Gründe für die Skepsis der Niedersachsen sind der Umfrage zufolge vielfältig. Neben einer zu geringen Anzahl an Ladesäulen, einer zu geringen Reichweite und hohen Anschaffungskosten wird noch ein weiteres Argument genannt: Zweifel, ob Elektroautos wirklich so umweltfreundlich sind wie vielfach behauptet. "Das Hauptargument – wer ein Elektroauto fährt, fährt ökologisch vorbildlich – wird den Umfragen zufolge mittlerweile von mehr als der Hälfte der Bevölkerung quer durch alle Altersgruppen kritisch hinterfragt. Es ist überraschend, mit welcher Vehemenz, auch von den Anhängern der Grünen, die Umweltverträglichkeit von Elektromobilität mittlerweile infrage gestellt wird", so Schmidt, der erwartet, dass dieser Vorbehalt der Automobilindustrie und der Politik schwer zu schaffen machen wird: "Denn seit Jahren wird Elektromobilität als ökologisch vorbildlich kommuniziert, jetzt zählt ausgerechnet der CO2-Fußabdruck in den Augen einer wachsenden Mehrheit zu den schlagkräftigsten Gegenargumenten. Hier brennt etwas an." Die CO2-intensive Produktion eines Elektrofahrzeugs und die Tatsache, dass der Strom auf absehbare Zeit nicht vollständig grün sein werde, lasse sich auch nicht so ohne Weiteres wegdiskutieren, so Schmidt: "Es ist ein dickes Brett, das die Automobilindustrie, aber auch die Politik, hier argumentativ bohren muss, um dieser Kritik zu begegnen." (Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
BDI fordert rasche Einigung auf verbindliches EU-Klimaziel
Der BDI fordert eine rasche Einigung auf ein verbindliches EU-Klimaziel für 2030. "Unsere Unternehmen fordern Klarheit und einen verlässlichen Rahmen, um Investitionsentscheidungen zu treffen", sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Lösch. Über das geplante Klimagesetz mit einem Ziel für 2030 verhandeln derzeit die EU-Staaten mit dem Europaparlament. Ein EU-Gipfel hatte für eine Senkung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 plädiert. Das EU-Parlament will jedoch minus 60 Prozent und eine schärfere Berechnungsmethode. "Die Zeit des Überbietungswettbewerbs bei den Klimazielen ist vorbei", betonte Lösch. Klimaschutz brauche Wirtschaftswachstum und Geschäftsmodelle, und dabei sei die Industrie Teil der Lösung. Ein 60-Prozent-Ziel würde aus seiner Sicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen in den kommenden Jahren gefährden. Lösch mahnte zu "höchster Vorsicht" beim geplanten Ausgleichsmechanismus für Importwaren, die nicht so klimafreundlich produziert werden wie in Europa. Solche Mechanismen seien "missbrauchsanfällig und riskieren neue Handelskonflikte". (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
 
 
Interview
 
Wolf: Warnstreiks passen nicht in die Corona-Zeit
Metall-Arbeitgeberpräsident Wolf weist die Forderung der IG Metall nach vier Prozent mehr Lohn vehement zurück.
AA:
Herr Wolf, die Gewerkschaft IG Metall wirft Ihnen in der Tarifrunde vor, zu mauern, in dem Sie eine Nullrunde für 2021 anstreben. Warum machen Sie den Tarifstrafraum dicht?
Wolf:
Das ist relativ einfach: Die Metall- und Elektroindustrie ist schon von 2018 auf 2019 in die Rezession geraten, also noch vor Corona. Unsere Betriebe, gerade aus der für die Branche wichtigen Fahrzeugindustrie, haben massiv an Umsatz verloren. So wurden 2018 noch 95 Millionen Fahrzeuge weltweit gebaut, 2019 waren es nur 90 Millionen und durch die Corona-Krise sind wir auf etwa 72 Millionen eingebrochen. Das führt in unserer Industrie zu dramatischen Produktions- und Umsatzrückgängen von im Durchschnitt rund 15 Prozent. Manche Betriebe haben sogar 30 Prozent Umsatz verloren. Es liegt auf der Hand, dass wir 2021 nichts verteilen können.  
AA:
Doch die IG Metall gibt sich damit nicht zufrieden, verweist auf die Milliardengewinne etwa von Daimler und ruft Beschäftige zu Warnstreiks auf.
Wolf:
Ich verstehe nicht, wie die IG Metall die Fakten einfach ausblenden kann. Für uns Arbeitgeber hat die Absicherung der Arbeitsplätze in diesem Jahr Vorrang. Wir haben ja schon in den vergangenen Jahren 160.000 Arbeitsplätze in unserem Wirtschaftszweig verloren. Obwohl wir nicht wissen, ob wir 2022 wieder das Umsatzniveau der Vor-Corona-Zeit erreichen, haben wir der IG Metall ein Angebot gemacht: Demnach würden die Beschäftigten 2022 zunächst eine Einmalzahlung und dann eine noch nicht näher bezifferte Tabellenerhöhung im zweiten Halbjahr 2022 bekommen.  
AA:
Damit gibt sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann nicht zufrieden und verweist darauf, dass die Beschäftigten schon 2020 keine Lohnerhöhung bekommen haben. Da ist ja was dran.
Wolf:
Mir fehlt jegliches Verständnis für die Haltung der IG Metall, zumal auch die Wirtschaftsweisen jetzt nur noch für dieses Jahr von einem Wachstum von 3,1 Prozent ausgehen, während die Experten bislang mit einem stärkeren Zuwachs gerechnet hatten. Ich erwarte jetzt von der IG Metall, dass die Gewerkschaft, um Arbeitsplätze zu erhalten und unsere Wirtschaft zu stärken, mit uns Arbeitgebern als Partner an einem Strang zieht. Wenn wir das geschafft haben, wollen wir die Mitarbeiter auch wieder mit höheren Löhnen an diesem Erfolg beteiligen.  
AA:
Die Lohn-Defensiv-Taktik für 2021 lässt Ihnen Hofmann nicht durchgehen und verweist auf die wieder ansteigende Inflation. Bundesbank-Chef Jens Weidmann rechnet ja mit mehr als drei Prozent Teuerung in diesem Jahr.
Wolf:
Das Leben ist kein Wunschkonzert. Was sich Herr Hofmann wünscht, ist schön, aber die Arbeitgeberseite hat auch Wünsche. Wir müssen jetzt versuchen, unsere Wünsche in Einklang zu bringen. Doch eines ist klar: Wir können 2021 wirklich nichts geben.
AA:
Wirklich, nicht mal ein bisschen?
Wolf:
Von dieser Haltung können wir nicht abrücken.
AA:
Also mauern Sie doch.
Wolf:
Die IG Metall mauert auch. Das beruht immer auf Gegenseitigkeit.  
AA:
Doch wenn beide Mannschaften so defensiv spielen, kommt nicht viel dabei heraus.
Wolf:
Irgendwann werden wir schon ein Ergebnis erzielen. Wir müssen bei einem Abschluss einfach der Tatsache Rechnung tragen, dass Corona nicht, wie noch im vergangenen Jahr erhofft, im ersten Quartal 2021 vorbei ist, sondern sich weit in das zweite und dritte Quartal hineinzieht. Wenn sich bestätigen sollte, dass der Impfstoff von Astra Zeneca zu starken Nebenwirkungen führt und damit sogar ausfällt, wird Corona auch unsere Unternehmen sogar noch das ganze Jahr beschäftigen. Es wäre heftig, Firmen in einer solch unsicheren Lage weiter zu belasten.  
AA:
Doch die Inflation steigt wohl deutlich an. Die Gewerkschaft will zumindest dafür einen Ausgleich.  
Wolf:
Normalerweise arbeitet die Gewerkschaft mit der Ziel-Inflationsrate der EZB von zwei Prozent, auch wenn die reale Teuerung bei null liegt. Und im vergangenen Jahr gab es auch Preisrückgänge.  
AA:
Doch so schlecht geht es der Metall- und Elektroindustrie doch nicht. Ein Autobauer nach dem anderen legt Milliardengewinne für 2020 vor, zuletzt auch BMW. Da müsste zumindest ein bescheidenes Lohn-Plus für dieses Jahr drin sein?
Wolf:
Zur Wahrheit gehört aber auch: Unsere Fahrzeugindustrie lebt derzeit fast ausschließlich von China. Dieses Wachstum kommt nicht aus Europa, geschweige denn aus Deutschland. Das muss die IG Metall doch wahrnehmen! Wir dürfen auf das bereits hohe Lohnniveau in der Metall- und Elektroindustrie nicht noch einmal etwas oben draufsatteln, was dann von ausländischen Beteiligungsgesellschaften unsere Betriebe finanziert wird.  
AA:
Dennoch beteiligen sich hunderttausende Metaller an Warnstreiks.
Wolf:
Wenn ich mit Beschäftigten der Branche rede, sagen sie mir übereistimmend, sie wollten in der extrem schweren Krise gar nicht unbedingt mehr Geld, sondern sichere Jobs. Keiner der Mitarbeiter hat mir z. B. gesagt: Von der Forderung der IG Metall nach vier Prozent mehr Lohn rücke ich nicht ab. Solche Gedanken stecken gar nicht in den Köpfen der Mitarbeiter, sondern der IG-Metall-Funktionäre. Die Lage ist ernst: Auch in unserer Branche werden wir im zweiten Halbjahr 2021 Insolvenzen sehen und der Arbeitsplatzabbau setzt sich fort. Wenn die IG Metall für dieses Jahr Lohnerhöhungen durchsetzen würde, könnte das den Job-Abbau beschleunigen. Die Menschen wissen das. Das belastet sie auch psychisch. In das Umfeld passen keine Lohnerhöhungen.  
AA:
Und passen in dieses Umfeld Warnstreiks?
Wolf:
Warnstreiks passen nicht in die Corona-Zeit. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Und eines ist auch klar: Unsere Arbeitskosten sind viel zu hoch in Deutschland, also höher als etwa in Spanien, Italien und Frankreich. Da muss man gar nicht nach China schauen. Alles was wir in Deutschland mit der Agenda 2010 von Gerhard Schröder an Verbesserungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland erreicht haben, wurde schrittweise wieder zunichte gemacht: Nur die Schweiz, Dänemark und Norwegen haben in Europa noch höhere Arbeitskosten als wir.  
AA:
Deswegen warnen Sie davor, Deutschland könnte wieder wie Anfang der 2000er-Jahre zum kranken Mann Europas werden.
Wolf:
Ja, und deutsche Unternehmen haben vielfach Pläne, Produktion ins kostengünstigere Ausland zu verlagern, bereits in der Schublade. Bisher zeigten hier Unternehmen noch große Hemmungen. Aber irgendwann schlägt das um. Ein Tropfen kann das Fass zum Überlaufen bringen, wenn Deutschland als Produktionsstandort immer teurer wird. Und die jetzt schon zu hohen Löhne in der Metall- und Elektroindustrie schaden der gesamten deutschen Wirtschaft.
AA:
Woran machen Sie das fest?
Wolf:
Wenn in unserer Branche im Schnitt ein Beschäftigter 60.600 Euro brutto im Jahr verdient, ist der Andrang auf unsere Jobs so groß, dass andere Branchen wie die Pflege, die Betreuung von Kindern, der Einzelhandel, die Gastronomie und auch das Handwerk nicht mithalten können. Dort werden deutlich geringere Löhne bezahlt. Diese Lohnspreizung ist gefährlich für unser Land. Deswegen müssen wir in der Metall- und Elektroindustrie in den nächsten Jahren Maß halten, damit andere Branchen, was die Löhne betrifft, zumindest etwas zu uns aufschließen können. Gerade im Handwerk gibt es enorme Probleme, ausreichend Nachwuchs zu finden. Hier sind wir als Sozialpartner, ob Arbeitgeber oder Gewerkschaft, zum Handeln verpflichtet.  
AA:
Handwerkbetriebe klagen schon lange, dass viele gute Leute in die Metall- und Elektroindustrie abwandern, weil die Betriebe besser bezahlen. Dann haben wir irgendwann keine Elektriker mehr und das Licht geht in Deutschland aus.  
Wolf:
Deswegen darf die IG Metall nicht nur einseitig auf eine möglichst gute Mitgliederentwicklung blicken und darauf erpicht sein, möglichst viel für die Mitglieder rauszuholen. Mit Warnstreiks will die IG Metall ja vor allem neue Mitglieder werben. Bei manchen Unternehmen bewerben sich jedes Jahr deutlich mehr junge Menschen, als wir Ausbildungsplätze haben. Viele der jungen Menschen warten dann lieber ein Jahr oder länger, in der Hoffnung doch noch genommen zu werden. Sie nehmen einfachste Jobs an. Im nächsten Jahr bewerben sie sich wieder. Kriegen sie wieder nichts, probieren sie es ein Jahr später noch einmal. Manche bewerben sich bis zu fünf Mal und rutschen in ungelernte Positionen. Das ist gesellschaftlich betrachtet bedenklich.
AA:
Wäre es nicht besser, sie würden gleich ins Handwerk gehen?
Wolf:
Für manche jungen Menschen wäre es besser, sie würden gleich eine Lehre als Schreiner oder Elektriker machen oder eine Ausbildung im Einzelhandel aufnehmen. Das gilt umso mehr, als in unserer Branche durch den Strukturwandel in der Autoindustrie vom Verbrennungs- hin zum Elektromotor auf lange Sicht weitere Arbeitsplätze wegfallen. Die Entwicklung könnte weiter Fahrt aufnehmen, weil immer mehr Staaten ein Verbot von Verbrennungsmotoren - was ich für falsch halte - erwägen. Das würde noch mehr Jobs in unserem Wirtschaftszweig kosten. Wir müssen uns also überlegen, wie wir diese Menschen durch eine Lehre oder Weiterbildung in andere Branchen sozialverträglich überführen. Da ist es nicht hilfreich, wenn die Löhne dank der IG Metall noch einmal höher werden. Dadurch sinkt die Bereitschaft von jungen Menschen zusätzlich, in andere Branchen als die Metall- und Elektroindustrie zu gehen.  
AA:
Corona ist gerade für junge Menschen fatal. Unternehmen bieten zum Teil weniger Lehrstellen an. Gleichzeitig sinkt vielfach die Zahl der Bewerber. Wie gefährlich ist die Entwicklung für die Metall- und Elektroindustrie?  
Wolf:
An der demografischen Entwicklung können wir nichts ändern - es gibt nun einmal schlicht weniger junge Menschen als früher. Mir fehlt aber das Verständnis dafür, wenn Unternehmen nun weniger Lehrstellen anbieten wollen und damit jungen Menschen Chancen verbauen. In der Krise die Ausbildung zurückzufahren, ist viel zu kurz gedacht. Denn dann fehlen uns in der Zukunft Fachkräfte. Es gibt andere Möglichkeiten Kosten zu sparen, als den Rotstift bei der Ausbildung zu zücken. Das rächt sich dann in zehn Jahren. Ich bin Aufsichtsratsvorsitzender der Dualen Hochschule in Baden Württemberg. Hier ist die Zahl der Studenten, die eine praktische Ausbildung mit einer Hochschule kombinieren, dramatisch um 20 Prozent eingebrochen. Die jungen Leute finden keinen dualen Partner mehr unter den Unternehmen. Bei unserem Unternehmen schaffen wir jetzt sogar zusätzliche Ausbildungsplätze. Mein Appell an die Unternehmer lautet: Bildet weiter kräftig aus.
(Quelle: Augsburger Allgemeine / Interview: Stefan Stahl, M+E-Newsletter Gesamtmetall)