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VSU-Schlagzeilen 09.11.2021

Lehr fordert flächendeckend 2G / Ampel plant 3G am Arbeitsplatz / KfW-ifo-Mittelstandsbarometer: Stimmung im Mittelstand stabilisiert sich / BDI-Präsident warnt vor Folgen des Konflikts zwischen USA und China

Saarland/Region 
Lehr fordert flächendeckend 2G 

Arbeitswelt
Ampel plant 3G am Arbeitsplatz 
  
Konjunktur
SVR senkt wohl Prognose für das laufende Jahr 
KfW-ifo-Mittelstandsbarometer: Stimmung im Mittelstand stabilisiert sich 
Schufa: Hohe Inflation und Corona trüben Verbraucherstimmung 
 
Wirtschaftspolitik 
Euro-Länder weiter uneins bei Reform der Schuldenregeln 
  
Steuern / Haushalt 
Wirtschaft und Union betonen vor Steuerschätzung drohende Belastungen 

Veranstaltung
Interregionale Jobmesse der Großregion findet in diesem Jahr digital statt 

Studie 
Wissenschaftliche Arbeit untersucht Bedeutung des Homeoffice 

Interview 
BDI-Präsident warnt vor Folgen des Konflikts zwischen USA und China
  


Saarland/Region 
  
Lehr fordert flächendeckend 2G 
Der saarländische Universitätsprofessor Thorsten Lehr fordert angesichts steigender Corona-Zahlen umgehend Eindämmungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus. Ohne Eingreifen würden die Fallzahlen bis Ende des Monats weiter auf 300 bis 400 steigen, sagt der Forscher. Lehr modelliert in einem Covid-Simulator die Ausbreitung des Virus. Er gilt in diesem Bereich als einer der kompetentesten Wissenschaftler in Deutschland. Er geht davon aus, dass schon wenige Maßnahmen zur Kontaktreduzierung ausreichen würden, um die Welle zu brechen. Unter anderen sei es sinnvoll, flächendeckend 2G oder 2G plus mit Antigentests auch für Geimpfte und Genesene einzuführen. Die Maskenpflicht in der Schule sollte beibehalten werden und die Auffrischungsimpfungen vorangebracht werden. Aktuell herrscht in der Politik trotz der hohen Corona-Zahlen eine gewisse Sorglosigkeit. Zwar wird über eine erneute Freigabe kostenloser Corona-Tests und die Reaktivierung von Impfzentren diskutiert, gleichzeitig sind viele Veranstaltungen – unter anderem auch Fußballspiele – wieder ohne Kontakteinschränkungen möglich. (Quelle: Spiegel/VSU) 
  
  
Arbeitswelt 
  
Ampel plant 3G am Arbeitsplatz 
Mit einer Rückkehr zu kostenlosen Corona-Schnelltests, 3G am Arbeitsplatz und finanziellen Hilfen für Kliniken sollen die drastisch steigenden Corona-Zahlen eingedämmt werden, verlautet von Vertretern der möglichen künftigen Ampelkoalition. Demnach soll 3G am Arbeitsplatz im Rahmen der Beratungen des geplanten neuen Corona-Gesetzes von SPD, Grünen und FDP im Bundestag ermöglicht werden. Auch eine Rückkehr zu kostenlosen Testmöglichkeiten in Deutschland soll auf den Weg kommen. Damit soll ein 44-seitiger Gesetzentwurf der Ampelpartner zu den möglichen Corona-Maßnahmen im Herbst und Winter ergänzt werden, der die bisherige Rechtsgrundlage für Corona-Einschränkungen ersetzen soll, die am 25. November auslaufen soll. In dem Entwurf für das geplante Anschlussgesetz sind unter andrem auch Abstandsgebote, Maskenpflicht, Hygienevorgaben für Schulen oder Hochschulen als Möglichkeiten für die Länder weiter vorgesehen. (Quelle: dpa, Reuters, M+E-Newsletter Gesamtmetall)
  
  
Konjunktur 
  
Sachverständigenrat senkt wohl Prognose für das laufende Jahr 
Materialmangel und Lieferengpässe bremsen die Erholung der deutschen Wirtschaft ab. Der Sachverständigenrat erwartet nun, dass das deutsche BIP im laufenden Jahr um 2,7 Prozent wächst, berichtet die FAZ in einer Vorabmeldung. In ihrem Frühjahrsgutachten waren die Ökonomen noch von einem Wachstum von 3,1 Prozent für dieses Jahr ausgegangen. Das Handelsblatt berichtet, das Expertengremium erwarte, dass das Wachstum im kommenden Jahr nachgeholt werden kann: Für 2022 sagt der SVR demnach ein Plus beim BIP von 4,6 Prozent voraus. Für das Preisniveau rechneten sie mit einer Steigerung von 3,1 Prozent in diesem Jahr. Für 2022 geht der Rat noch von einer Inflationsrate von 2,6 Prozent aus. Eine akute Gefahr, dass Tarifauseinandersetzungen mit hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften zu einem eigenständigen Treiber der Inflation werden könnten, sieht der Sachverständigenrat aber bisher nicht. „Bei den zuletzt abgeschlossenen Tarifverhandlungen waren die Lohnsteigerungen eher moderat“, schreibt er im Gutachten. Beim Blick voraus schränkt er allerdings ein: „Eine möglicherweise durch höhere Lohnforderungen getriebene Lohndynamik infolge steigender Verbraucherpreise und zunehmender Beschäftigungssicherheit dürfte aufgrund der Dauer von Tarifverhandlungen erst mit einer zeitlichen Verzögerung – also am Ende des Prognosezeitraums – das Lohnwachstum prägen.“ Für den Arbeitsmarkt rechnen die Experten für das laufende Jahr nur mit einem leichten Rückgang der Arbeitslosenzahl auf durchschnittlich 2,633 Millionen, im kommenden Jahr wird dann ein stärkerer Rückgang auf 2,367 Millionen erwartet. Auf Basis der aktuellen Prognosen und vor dem Hintergrund der bestehenden Rücklagen kann nach Einschätzung des Sachverständigenrates die Schuldenbremse nach Überwindung der Krise spätestens ab dem Jahr 2023 wieder ohne Ausnahmeklausel eingehalten werden. Gespalten zeigt sich der Sachverständigenrat in der Frage, inwieweit Investitionen des Bundes gesteigert werden können, um Klimaschutz und Digitalisierung voranzubringen. (Quelle: dpa, FAZ, Handelsblatt, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
KfW-ifo-Mittelstandsbarometer: Stimmung im Mittelstand stabilisiert sich 
Nach drei Rückgängen in den Vormonaten ist das mittelständische Geschäftsklima im Oktober erstmals wieder angestiegen, berichtet KfW und ifo aus ihrem aktuellen Mittelstandsbarometer. Ursächlich für den Anstieg um 1,0 Zähler auf nun 6,6 Saldenpunkte sind verbesserte Lageurteile und geringfügig optimistischere Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen. Die Geschäftserwartungen verbessern sich um 0,4 auf minus 0,1 Saldenpunkte und nähern sich der Nulllinie, die für den langfristigen Durchschnitt steht. Die Geschäftslageurteile steigen um 1,6 Zähler auf 13,5 Saldenpunkte. Deutlich schlechter als im Mittelstand entwickelt sich im Oktober das Geschäftsklima der Großunternehmen (minus 2,7 auf 3,2 Punkte). Dabei geht ihre Geschäftslage ein stückweit zurück (minus 1,6 auf 11,1 Punkte), vor allem aber werden die Geschäftserwartungen deutlich pessimistischer (minus 3,7 auf minus 4,1 Punkte). Ein Treiber bleibt der Abwärtstrend bei der Stimmung in den großen Industrieunternehmen, die besonders stark unter den anhaltenden Material- und Lieferengpässen leiden. Aus der mittelständischen Industrie hingegen kommt zu Beginn des Schlussquartals ein besseres Stimmungsbild: Obwohl im September fast 80 Prozent der kleinen und mittleren Industrieunternehmen von Materialknappheiten oder Lieferengpässen betroffen waren und die Energiepreise seit dem Spätsommer rapide steigen, schätzen diese ihre Geschäftslage weiterhin überdurchschnittlich gut ein. Bei den Geschäftserwartungen ist der Rückgang im Oktober so klein, dass das Geschäftsklima der mittelständischen Industrie insgesamt sogar um 1,0 Zähler ansteigt. Im Großhandel hingegen haben sich die Lieferprobleme offenbar deutlich verschärft, denn sowohl mittelständische als auch große Unternehmen dieses Wirtschaftsbereichs melden gleichermaßen einen markanten Einbruch des Geschäftsklimas. (Quelle: KfW, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
Schufa: Hohe Inflation und Corona trüben Verbraucherstimmung 
Die vierte Corona-Welle trübt laut einer Umfrage der Auskunftei Schufa die Verbraucherstimmung in Deutschland: Demnach gab im Oktober mehr als die Hälfte der 1.000 Befragten (53 Prozent) an, eher oder sehr sorgenvoll in die Zukunft zu blicken. Im Juni lag der Wert noch bei 45 Prozent. Vor allem in der Gruppe mit einem Haushaltseinkommen von unter 2.000 Euro liege die Zukunftsangst mit 65 Prozent weit über dem Schnitt, hieß es. So ist laut der Umfrage die Angst vor einer Wirtschaftskrise mit 57 Prozent höher als im Juni (41). Am meisten jedoch fürchten Verbraucher demnach steigende Preise (74 Prozent), insbesondere bei Energie wie Benzin und Strom (79), sowie höhere Abgaben und Steuern (70). Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) sorgt sich um mögliche Einkommenseinbußen. Bei konkreten finanziellen Folgen der Pandemie gab es derweil weniger Veränderungen. Der Anteil der Menschen, wie wegen Corona Einbußen im Haushaltseinkommen haben, liege weiter bei knapp unter 40 Prozent, so die Schufa. Allerdings griffen mehr Befragte auf Ersparnisse zurück (35 Prozent gegenüber 30 im Juni). (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Wirtschaftspolitik 
  
Euro-Länder weiter uneins bei Reform der Schuldenregeln 
Die Diskussion über eine Reform der EU-Schuldenregeln kommt vor der Regierungsbildung in Deutschland nicht voran. Bei einem Treffen der Eurogruppe zeigten die unterschiedlichen Parteien kein Entgegenkommen. "Es geht um die Frage: Soll es weitere Ausnahmen geben, um weitere Schulden machen zu können? Wir sind dagegen", sagte der österreichische Finanzminister Blümel, während sein französischer Amtskollege Le Maire erklärte, das derzeitige Schuldenlimit sei "obsolet", und man müsse neue Regeln definieren. Blümel sagte, dass sich erst ein Trend abzeichnen werde, wenn die deutsche Linie feststehe. FDP-Chef Lindner hat sich bereits gegen eine umfangreiche Reform der EU-Regeln ausgesprochen. Es sei daher gut, wenn er Finanzminister würde, so Blümel. Frankreich nutzte die Gelegenheit des Treffens in Brüssel auch, um erneut für eine Reform der Energiemärkte zu werben. Besonders Produzenten von Ökostrom oder Atomstrom haben von den zuletzt angestiegenen Strompreisen profitiert, da ihre Produktionskosten niedrig geblieben sind im Vergleich zur teuren Stromproduktion mit Gas. Le Maire schlug vor, dass Stromproduzenten diese Gewinne in einem "automatischen Stabilisierungsmechanismus" an Verbraucher und Unternehmen verteilen sollten. (Quelle: dpa, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  
  
Steuern / Haushalt 
 
Wirtschaft und Union betonen vor Steuerschätzung drohende Belastungen 
Wirtschaft und Union haben die Parteien einer möglichen Ampel-Koalition von der Steuerschätzung und angesichts erwarteter Steuermehreinnahmen zu Konsequenzen in der Finanzplanung gemahnt. BDI-Hauptgeschäftsführer Lang betonte, der Standort Deutschland sei dringend auf eine grundlegende Reform der Unternehmensteuern angewiesen, um für Unternehmen in Zukunft attraktiv zu sein: „Die Haushaltslage macht steuerliche Strukturreformen erforderlicher denn je. Die Politik muss jetzt angesichts der Corona-Krise die Liquidität von Unternehmen stärken und Bürokratielasten reduzieren. Nur so gibt es mehr Investitionen, wächst die Wirtschaft und entstehen neue, für die Konsolidierung notwendige Steuereinnahmen. Das Versprechen von SPD, Grünen und FDP, auf zusätzliche Steuerbelastungen zu verzichten, ist zu wenig. Der Standort Deutschland ist dringend auf eine grundlegende Reform der Unternehmensteuern angewiesen, um für Unternehmen in Zukunft attraktiv zu sein. Ein Stillstand in der Steuerpolitik in den kommenden vier Jahren wäre eine herbe Enttäuschung für die deutsche Wirtschaft. Sonderabschreibungen für Investitionen in Digitalisierung wie Klimaschutz und die Ausweitung der Verlustverrechnung müssen besser werden. Die künftige Bundesregierung muss Wachstum und Beschäftigung in Deutschland durch eine wettbewerbsfähige Steuerlast der Unternehmen von rund 25 Prozent unterstützen.“ 
VDMA-Hauptgeschäftsführer Brodtmann sieht in den erwarteten Steuermehreinnahmen den von der Ampel-Regierung in der Sondierung festgelegten Kurs bestätigt, keine Steuererhöhungen vorzunehmen und die Schuldenbremse einzuhalten. „Das Erreichen der Klimaziele erfordert enorme Anstrengungen, um mehr private Investitionen zu mobilisieren“, sagte Brodtmann: „Ausreichend Geld ist vorhanden, welches jetzt sinnvoll investiert werden kann. Die künftige Regierung muss weiter auf stabiles Wachstum setzen. Wie die neue Steuerschätzung zeigt, bedeutet das auch mehr Geld für den Staat." Die finanzpolitische Sprechern der Unions-Bundestagsfraktion, Tillmann, warnte, die Ampel-Koalitionäre sollten „die erhofften Mehreinnahmen nicht verplanen, ohne die im Sondierungspapier nicht eingepreisten Probleme einzurechnen. Aufgrund mehrerer Gerichtsurteile ist der künftige Finanzminister verpflichtet, zeitnah teure Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen." Tillmann betonte, die Reform der Rentenbesteuerung schlage laut IW-Berechnungen mit einer Milliarde Euro jährlich zu Buche, und aus Urteilen zur Verzinsung von Steuererstattungen und Pensionsrückstellungen drohten Anpassungskosten von bis zu 18 Milliarden Euro im Jahr. Zudem sollte auch der Steuertarif aufgrund der hohen Inflation an die kalte Progression angepasst werden. (Quelle: BDI, VDMA, Dow Jones, M+E-Newsletter Gesamtmetall) 
  

Veranstaltung 

Interregionale Jobmesse der Großregion findet in diesem Jahr digital statt
Die Interregionale Jobmesse der Großregion findet in diesem Jahr am 25. November im rein digitalen Format statt. Jugendliche aber auch erwachsene Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, sichvon 9 – 15 Uhr auf der Messe über Karrieremöglichkeiten zu informieren. Digitale Messestände erlauben es den Besuchern, mit über 80 Arbeitgebern ins Gespräch zu kommen. Ausbildungen und Duales Studium werden ebenso angeboten wie der Wechsel mit einer bereits vorhandenen Qualifikation. 
Link zur Messe-Seite: www.webmessen.de/saarbruecken  
(Quelle: EURES) 
  

Studie 

Wissenschaftliche Arbeit untersucht Bedeutung des Homeoffice 
Welche Auswirkung hat Homeoffice auf das Wirtschaftsleben, auf das Leben der Beschäftigten sowie auf die benötigte Technik. Wie wird sich Homeoffice oder Mobiles Arbeiten künftig als fester Bestandteil in unserem Arbeitsleben etablieren. Das ist Thema einer Masterarbeit and der Technischen Universität Kaiserslautern im Masterstudiengang Organisationsentwicklung.  
Für die Arbeit werden Führungskräfte und Beschäftigte gesucht, die sich an einer Umfrage zum Thema beschäftigen. Ziel ist es, einen repräsentativen Querschnitt darzustellen.  
Informationen erteilt Bernd Heitzmann: heitzmanthou-shalt-not-spamrhrk.uni-kl.de
Link zur Studie: https://ww3.unipark.de/uc/Umfrage_digitale_Umbruchzeiten/ 
(Quelle: TH Kaiserslautern) 

  
Interview 
  
BDI-Präsident warnt vor Folgen des Konflikts zwischen USA und China 
Der Konflikt zwischen China und den USA hat aus BDI-Sicht gravierende Folgen für Europa. „Auf diese große geopolitische Entwicklung haben wir als Europäer bislang nur wenig Einfluss“, sagte BDI-Präsident Russwurm. Die EU-Länder müssten zumindest ihre Stimme erheben, damit der Konflikt zwischen den Großmächten nicht eskaliere. Um in dem Konflikt nicht zum Opfer zu werden, verlangt der BDI-Präsident eine stärkere Rolle Brüssels.  
HB: 
Herr Russwurm, der Konflikt zwischen den USA und China verschärft sich zusehends. Welche Folgen erwarten Sie für die deutsche und europäische Industrie?
Russwurm: 
Europa und darin Deutschland sollte eine aktivere Rolle spielen. Auf diese große geopolitische Entwicklung haben wir als Europäer bislang nur wenig Einfluss. Noch fällt uns die Position des Beobachters zu. Aber unser Absatzmarkt ist auch für China wichtig. Dass es zu einem echten Decoupling kommt, halte ich deshalb für unwahrscheinlich. Weder die USA und Europa noch China können daran ein Interesse haben. 
HB: 
Die EU ist einer der größten Wirtschaftsblöcke der Welt. Da müssten wir doch eine aktivere Rolle spielen können, um in diesem Konflikt der Weltmächte gehört zu werden.
Russwurm:
Wir Europäer können zumindest unsere Stimme dafür erheben, dass der Handelskonflikt nicht weiter eskaliert. Es ist wünschenswert, dass alle wieder nach den gleichen Regeln spielen. Dafür wäre die Neukonzeption der WTO ein entscheidender Schritt. Wir als Repräsentanten der Wirtschaft müssen alle möglichen Folgen des Konfliktes im Blick haben. 
HB: 
Da reichen die Befürchtungen bis zu Szenarien, in denen Unternehmen Geschäfte verboten werden könnten. 
Russwurm:
Wenn es zu einem wortwörtlichen Decoupling käme, also wenn sich Wirtschaftsräume hart voneinander entkoppelten, dann müssten sich die Unternehmen entscheiden, in welchem Markt sie mitspielen wollen. 
HB: 
Sie meinen, eine Entscheidung, ob ein Unternehmen in China oder den USA aktiv ist… 
Russwurm: 
Wie gesagt, das wäre ein Extremfall. Damit rechnen wir nicht, da eine solche Entwicklung nur Verlierer produzieren würde. Wir müssen und werden das verhindern. 
HB: 
China jedenfalls scheint sich für eine Trennung zu rüsten. Zumindest verlagert das Land seine Lieferketten in das eigene Land und technologisch versucht die Volksrepublik, unabhängig zu werden. 
Russwurm: 
Das stimmt. Tatsache ist aber doch, dass China dreimal so viel in die USA exportiert wie es von dort importiert. China würde bei einer harten Trennung Hunderte von Milliarden an Exporterlösen verlieren. Auf die kann das Land nicht verzichten. 
HB: 
Die Geschichte zeigt aber doch, dass nicht alleine wirtschaftliche Aspekte ausschlaggebend sind. Die Politik entscheidet nach anderen Kriterien. 
Russwurm: 
Die Politik geht nicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Diese Prämisse gilt auch für China, wo der Machtanspruch der Partei darauf basiert, das Leben von 1,4 Milliarden Menschen Schritt für Schritt zu verbessern. Viele Chinesen haben einen Lebensstandard erreicht, der für frühere Generationen undenkbar war. Diesen Standard wird die Partei nicht riskieren, sondern will und muss kontinuierlichen Fortschritt anstreben. 
HB: 
Eine Entspannung ist nicht erkennbar. Jüngst erst hat China bei Militärübungen den Luftraum von Taiwan verletzt. 
Russwurm: 
China will unabhängig sein, hart und unbeugsam gegen Druck von außen. Peking will aber am Welthandel teilnehmen. Ich jedenfalls habe nicht gehört, China wolle den Export stoppen. Im Gegenteil: China will den Handel mit der Welt ausbauen. Und das ist nie eine Einbahnstraße. 
HB: 
Die USA verfolgt ihrerseits eine Eindämmungspolitik gegenüber China, indem bestimmte Hochtechnologien nicht dorthin verkauft werden dürfen. 
Russwurm: 
Auch die USA wollen keine echte Entkopplung. Ohne die Importe aus China werden die Produkte dort deutlich teurer, woran niemand Interesse haben kann. Es ist ein gutes Zeichen, dass die US-Handelsbeauftragte statt von Decoupling jetzt über Recoupling spricht. 
HB: 
Die Hoffnung auf eine Entspannung unter US-Präsident Joe Biden haben sich indes nicht erfüllt. Er hat den von seinem Vorgänger Donald Trump eingeschlagenen Kurs nicht geändert. 
Russwurm: 
US-Präsident Biden will die Abhängigkeit verringern, um nicht erpressbar zu sein. Dies ist ein Grund, warum Halbleiterfabriken in die USA zurückgeholt werden und das Weiße Haus politisch klare Kante gegenüber Peking zeigt. 
HB: 
Wären deutsche Unternehmen auf eine Verschärfung der Lage vorbereitet? 
Russwurm: 
Viele Unternehmen sind mit kompletten Wertschöpfungsketten und einer eigenen Entwicklung in China präsent. Es gibt eine Reihe von Firmen, die das Szenario gedanklich durchspielen, ihre Unternehmen aufzuteilen. Eine Hälfte würde dann in Fernost und eine andere in der westlichen Hemisphäre agieren. Das sind denkbare und auch umsetzbare Szenarien. Die Eintrittswahrscheinlichkeit halte ich für sehr gering. 
HB: 
Der Konflikt ist hart, aber nicht voll ausgewachsen. Wie können Brüssel und Berlin deeskalierend einwirken? 
Russwurm: 
Ich sehe nicht, dass die europäische Politik Xi Jinping derzeit von seinem Kurs abbringen kann. Das gilt auch für die US-Regierung. Europa muss eine eigenständige, starke Position entwickeln und kann dann gemeinsam mit anderen liberalen Partnern Einfluss auf die Weiterentwicklung der Weltordnung nehmen. 
HB: 
Ist der Ansatz „Wandel durch Handel“ mit Blick auf China gescheitert? 
Russwurm: 
Am Anfang mag das in Teilen funktioniert haben, aber wir blicken heute auf ein komplett anderes China. Die Idee, dass sich Länder durch die Einbindung in unsere Handelskreisläufe unserem Gesellschaftsmodell anpassen, hat sich nicht bewiesen. Wandel durch Handel ist kein Paradigma, das immer und überall funktioniert. Das heißt nicht, dass man es nicht versuchen sollte. Vielfach hat der Ansatz auch positive Wirkungen entfaltet. Aber das ist keine Garantie – schon gar nicht für China. 
HB: 
Hat Europa überhaupt das wirtschaftliche Gewicht, um China zu beeinflussen? 
Russwurm:
Europa könnte das Gewicht haben. Es braucht dafür einen gemeinsamen Willen – und den haben wir nicht in ausreichendem Maß. Außenpolitisch spricht jedes Land für sich. Und es geht tiefer: Während Unternehmen in China und den USA in großen Binnenmärkten handeln können, stößt die Einheitlichkeit hier in Europa immer noch zu oft an nationale Grenzen. Der einheitliche Binnenmarkt mag in der Farbe der Blinker und der eingeprägten Produktionsnummern gut funktionieren. Aber wenn ich an die Finanz- oder Digitalmärkte denke, ist der Bedarf noch groß.
HB: 
Wie ließe sich das ausnutzen? 
Russwurm: 
Wir müssen eine ehrliche Debatte über europäische Champions zulassen. Sie können nicht nur in der Industrie, sondern auch im Finanzsektor sinnvoll sein. Die EU-Kommission sagt aber, der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts sei wichtiger, weshalb es keine Finanzunternehmen mit dominierender Stellung geben dürfe.
HB: 
Dem Schutz der Verbraucher hat sich die EU nun mal verschrieben. 
Russwurm:
Dann muss die EU auch mit Weitsicht im Sinne der Verbraucher entscheiden. Der Grundgedanke des Wettbewerbsrechts ist es, den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten zu bieten – und dazu sollte es auch europäische Angebote geben. Wenn man keine Champions fördert, ist die Alternative, dass es bald einfach keine europäischen Anbieter mehr gibt. Die Untersagung des Zusammenschlusses auf dem Markt der Zughersteller lieferte ein gutes Beispiel. Brüssel hatte argumentiert, bis Anbieter aus dem außereuropäischen Ausland nach Europa kämen, würde es noch lange dauern. Mittlerweile ist der chinesische Konzern CRRC aber schon da. Die deutsche Politik sollte das Thema auf der europäischen Agenda nach oben bringen.
(Quelle: Handelsblatt, M+E-Newsletter Gesamtmetall)